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Dem Staat fehlt der Spielraum

7. Aug 2022

Anett Barsch und Holger Matheis  |  Swiss Life Asset Managers / Beos AG

Ob Hauptstadtflughafen, Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 – in den vergangenen Jahren haben die großen öffentlichen Bauambitionen immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Kann Deutschland also keine Großprojekte mehr? Bei genauerem Blick liegen die Gründe für das Scheitern nicht etwa darin, dass Deutschland das Bauen verlernt hätte.

Vielmehr dürfen öffentliche Entscheidungsträger an vielen Stellen nicht so agieren, wie es eigentlich erforderlich wäre. Dies beginnt damit, dass bei der Ausschreibung und Vergabe in der Regel das günstigste Angebot angenommen werden muss, auch wenn es nicht das beste ist. Insgesamt ist das Korsett an EU- und nationalen Vorgaben so eng, dass komplexe Großprojekte fast zwangsläufig nicht effizient realisiert werden können. Aber was ist mit modernen, alternativen Vergabemodellen, Planungswerkstätten oder dem partnerschaftlichen Bauen mit einem Generalunternehmer, der bereits bei der Planung mitwirkt? Solche Modelle stehen der öffentlichen Hand so gut wie nie zur Verfügung.

Risikofaktoren durch Puffer in der Kalkulation abfangen
Hinzu kommt außerdem, dass viele Großprojekte über mehrere Legislaturperioden hinweg entstehen. Es kann also durchaus sein, dass bestehende Beschlüsse nach einem Wechsel geändert werden, weshalb fachlich intensiv nachjustiert werden muss. Demgegenüber genießen private Investoren und Projektentwickler eine deutlich größere Flexibilität. Natürlich spielen auch hierbei politische, baurechtliche und bautechnische Vorgaben eine Rolle, die sich von Projekt zu Projekt unterscheiden. Dennoch hat sich die deutsche Immobilienwirtschaft zumindest in vielen Fällen ein Gespür dafür erarbeitet, den künftigen Rahmen frühzeitig zu antizipieren. Zudem können Risikofaktoren zwar nicht immer vorweggenommen, aber durch entsprechende Puffer in der Kalkulation abgefangen werden.

Generell sollten Entwickler bereits heute freiwillig beispielsweise die baulichen Maßnahmen umsetzen, die in einigen Jahren höchstwahrscheinlich per Gesetz in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit vorgeschrieben sein werden. Diese sind teilweise jetzt schon absehbar. Gleiches gilt für den gesellschaftlichen Mehrwert des Projekts, also beispielsweise neu geschaffenen Wohnraum, Raum für neue Arbeitsplätze sowie weitere wichtige städtische Funktionen. Das schließt auch das Mitdenken künftiger Mobilitätskonzepte mit ein – Stichworte Fahrradgaragen und Ladestationen für E-Fahrzeuge.

Adäquates Projektmanagement ist nötig
Die Vorwegnahme künftiger Anforderungen hat etwas mit gesellschaftlicher Verantwortung, aber auch mit eigener Überzeugung zu tun. Wichtig ist allerdings auch ein partnerschaftliches Miteinander zwischen privaten Entwicklern und öffentlicher Hand. Natürlich: Dieser Satz wird in Immobilienkreisen seit Jahren wie ein Mantra wiederholt. In der Praxis begehen privatwirtschaftliche Akteure jedoch vergleichsweise häufig den Fehler, die relevanten Behörden und öffentlichen Akteure zu spät hinzuzuziehen – womöglich aufgrund der Befürchtung, dass durch die öffentliche Wahrnehmung Wettbewerber auf den Plan gerufen oder Pläne verzögert werden.

Großformatige Neubauvorhaben erfordern außerdem ein adäquates Projektmanagement, das von sequenzieller mehr in Richtung paralleler Arbeit am Projekt gedreht wird. Dabei liegt der Fokus auf dem „Building Information Modeling“ (BIM), wie es beispielsweise bei öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen politisch gewollt und vorangetrieben wird. Es handelt sich allerdings nicht um den alleinigen Heilsbringer: Intensiv- und Kreativarbeit funktioniert nur, wenn man immer wieder auch physisch zusammenkommt.

Dieser Artikel erschien am 5.8. in der FAZ.

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