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Langfristig wird der Renditerückgang an den Immobilienmärkten anhalten

7. Jun 2020

Prof. Dr. Friedrich Heinemann           |  Axel Drwenski                                 
ZEW                                                       |  KGAL

In den 2010er Jahren kannten Kaufpreise und Mieten an den Immobilienmärkten in den meisten Ländern Europas – insbesondere in Deutschland – vor allem eine Richtung: aufwärts. Für die Kaufpreise galt das in überproportionalem Maße. Die Folge war ein starker Rückgang der Ankaufsrenditen, die sich zum Teil mehr als halbiert haben. Im Zuge der Rezession infolge der Covid-19-Pandemie stellt sich die Frage, ob dieser Trend zur Renditekompression gestoppt wird oder angesichts möglicherweise sinkender Immobilienpreise sogar eine anhaltende Trendwende einsetzt.

Um das zu beurteilen, sollte man sich zunächst einmal klarmachen, was die wesentlichen Ursachen für den deutlichen Renditerückgang von Immobilieninvestitionen in den vergangenen Jahren waren. Auslöser war ein Zusammenspiel der folgenden Faktoren: Erstens ließen der starke wirtschaftliche Aufschwung und die hohe Mieternachfrage nach Immobilien in den meisten deutschen Großstädten deutsche Immobilien (von Ausnahmen abgesehen) als vergleichsweise solides und defensives Investment erscheinen, für das hohe Risikoprämien nicht erforderlich waren. Zweitens waren in den vergangenen Jahren in- und ausländische Investoren mit sehr viel Kapital auf der Suche nach geeigneten Assets, was die Bewertung von Vermögenswerten insgesamt in die Höhe getrieben hat. Und drittens hat auch die anhaltende Niedrigzinsphase dazu beigetragen, dass sich Kapitalanleger mit niedrigen Renditen zufriedengaben, da Bankeinlagen oder festverzinsliche Wertpapiere bonitätsstarker Emittenten im Euroraum nahe null oder sogar darunter rentierten. Ob dafür in erster Linie die expansive Geldpolitik der Notenbanken wie etwa der Europäischen Zentralbank oder eher strukturelle Ursachen verantwortlich waren, sei dahingestellt. Wir gehen davon aus, dass beide Faktoren ihren Anteil daran haben.

Um eine dauerhafte Trendwende in der Renditeentwicklung herbeizuführen, müsste folglich einer oder mehrere dieser Faktoren eine Vorzeichenumkehr aufweisen. Der wirtschaftliche Aufschwung ist vorerst beendet. Wie schnell sich die Konjunktur von der Corona-Krise und den Lockdown-Maßnahmen wieder erholen wird, ist zurzeit unklar. Pessimistische Prognosen gehen von mehreren Jahren aus, bis die Einbrüche in der Wirtschaftsleistung, an den Arbeitsmärkten und in den öffentlichen Haushalten aufgeholt sein werden. Selbst unter den größten Optimisten schwindet die Zuversicht, dass wir noch im Laufe dieses Jahres den Status quo ante wiederherstellen können. Dadurch wachsen Zweifel an der Krisenresilienz von Immobilien – vor allem von Nutzungsarten wie Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie, die zu einem relativ frühen Zeitpunkt in der Krise mit Mietausfällen zu kämpfen hatten.

Mit dem zu erwartenden Anstieg der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist damit zu rechnen, dass es auch an den Büromärkten zunehmend zu Leerständen kommt. Insofern ist zumindest ein kurzfristiger Rückgang bei den Immobilienpreisen in manchen Segmenten plausibel – und bei einigen Transaktionen auch durchaus schon zu beobachten. Hintergrund ist allerdings weniger eine steigende Erwartung an die Risikoprämie als vielmehr die Antizipation möglicherweise niedrigerer Mieteinkünfte. Gleichzeitig folgte die hohe Nachfrage nach Immobilien vor allem im Wohn- und Bürosegment in den vergangenen Jahren einem langfristigen Megatrend: dem anhaltenden Zuzug in die größten Städte. Es ist nicht erkennbar, dass sich an dieser Anziehungskraft auf viele Menschen fundamental etwas ändert. Der Nachfrageüberhang – nicht nur, aber vor allem im Wohnungssegment – wird angesichts der Covid-19-Pandemie zwar mittelfristig gedämpft, aber bestehen bleiben. Langfristig werden Immobilien in deutschen Städten gefragt bleiben, Einbrüche bei den Mieteinkünften deshalb temporärer Natur sein.

Anlagedruck bleibt bestehen
Eine hohe Nachfrage ist nicht nur unter den potenziellen Nutzern, sondern auch unter Investoren zu beobachten. Gerade in Krisenzeiten gelten deutsche Immobilien – vor allem Wohnimmobilien – als sicherer Hafen. Institutionelle Investoren aus dem Euroraum stehen weiterhin unter einem sehr hohen Anlagedruck infolge des Niedrigzinsumfelds. Sie können es sich nicht erlauben, einfach die Liquidität zusammenzuhalten, denn das Vorhalten von hoher Liquidität ist zu teuer in dieser Zeit enger Margen. Daran ändert sich durch die Corona-Krise zunächst einmal nichts, im Gegenteil: Die EZB hat ihren geldpolitischen Expansionskurs angesichts der Krise nochmals ausgeweitet, vor allem durch die Steigerung der Anleihekäufe über ihr neues Krisenankaufsprogramm PEPP. Zudem erhöhen die billionenschweren Maßnahmen der Staaten gegen die wirtschaftlichen Krisenfolgen massiv die Staatsverschuldung. Auch das begrenzt den Spielraum der EZB für einen Kurswechsel. Eine Zinssteigerung der EZB liegt damit in weiter Ferne.

In der Theorie könnte eine immer expansivere Geld- und Fiskalpolitik freilich inflationäre Tendenzen zur Folge haben. Dann wäre die EZB zu Zinsanpassungen gezwungen. In der Praxis jedoch ist weit und breit keine Inflation am Horizont erkennbar. Im Gegenteil: Der krisenbedingte Absturz des Ölpreises und der Nachfragerückgang rücken sogar eine Deflation in den Bereich des Möglichen. Ein zwingender Kausalzusammenhang zwischen der Geldpolitik sowie der Inflations- und Kapitalmarktzinsentwicklung ist ohnehin nicht gegeben. In Japan hat die Staatsverschuldung inzwischen rund 240 % des Bruttoinlandsprodukts erreicht, ohne dass es zu nennenswerter Inflation gekommen wäre. Die Zinsen dort verharren weiter auf niedrigem Niveau. Konsens ist vielmehr, dass auch andere, fundamentale Gründe für die niedrigen Zinsen bestehen, beispielsweise die demografische Entwicklung im Euroraum sowie die hohe Sparneigung.

Kurzfristiges Phänomen
Damit bleibt das generelle Umfeld bestehen: Der Kapitalmarktzins für niedrige Risiken im Euroraum wird mittel- bis langfristig sehr niedrig bleiben. Bei konstanten Risikoprämien wird dies daher auch auf die Renditen von Core-Immobilien in guten bis sehr guten Lagen zutreffen. Gleichzeitig steigt allerdings die Sensibilität der Kreditinstitute für Bonitätsrisiken: Sie verlangen für weniger risikoaverse Immobilieninvestments höhere Risikoaufschläge. Dies ist allerdings bislang ein eher kurzfristiges Phänomen. Auch werden einzelne Nutzungsarten, wie eingangs erwähnt, nicht unbeschadet durch die Krise kommen. Und zu guter Letzt wird die eine oder andere Übertreibung bei den Kaufpreisvervielfältigern bereinigt.

Insgesamt aber ist nicht davon auszugehen, dass wir langfristig einen spürbaren Renditeanstieg an den Immobilienmärkten sehen. Vielmehr wird sich nach einem kurzfristigen Rücksetzer der Trend fortsetzen, der schon vor der Krise zu beobachten war: der eines langsam abflachenden Renditerückgangs. Es scheint, als habe die Ankaufsrendite an den meisten Teilmärkten so langsam ihren Boden gefunden.

Dieser Artikel erschien am 3.6. in der BÖRSEN ZEITUNG.