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Die „Nische“ ist gekommen, um zu bleiben

4. Sep 2022

Axel Vespermann  |  Universal Investment

So schnell ändern sich die Zeiten: Was steigende Anleihen- und Kreditzinsen Anfang des Jahres bereits vorweggenommen haben, ist spätestens durch die Zinsanhebung der EZB im Juli Realität geworden. Die Zinswende ist da und konfrontiert die Immobilieninvestmentbranche mit einer komplexen Situation aus höheren Zinsen, Inflation und unsicherer gewordenen Konjunkturperspektiven.

Einerseits üben steigende Finanzierungskosten Druck auf die Nettorenditen aus, andererseits können Fonds mit ihren Liquiditätsreserven auch Geld verdienen, statt Negativzinsen zahlen zu müssen. Sofern indexierte Mietverträge abgeschlossen wurden, kann die Inflation zeitverzögert an die Mieter weitergegeben werden. Vor allem aber gewinnen liquide Assets wie etwa Anleihen wieder an Attraktivität. Sinkende Kapitalzuflüsse in die Immobilienmärkte sowie höhere Ankaufsrenditen könnten die Folge sein – und damit technisch bedingt relativ sinkende Bewertungen.

Das dürfte sich vor allem bei jenen Nutzungsarten auswirken, die in der Niedrigzinsphase als Zinssubstitute geschätzt wurden und ebenfalls eine starke Renditekompression erfahren haben, wie z. B. Core-Objekte aus den Bereichen Wohnen und Büro. Auf der Suche nach etwas mehr Rendite hatten sich zuletzt auch die eher trägen Anlagegewohnheiten institutioneller Investoren langsam verändert, zeigt unsere im Herbst 2021 durchgeführte Investorenumfrage: Die vermeintliche Nische rückte ins Rampenlicht, so manches Teilsegment hat sich zu einer eigenständigen Asset-Klasse gemausert. Doch was bedeutet die Kehrtwende im Investmentumfeld für diese Anlagesegmente? Tatsächlich lassen sich aus den Ergebnissen unserer Umfrage Erkenntnisse ableiten, die über die Zinswende hinausweisen. Warum konnten sich einstige Nischen erfolgreich als Alternative zu den „Klassikern“ etablieren? Das lag in erster Linie an ihrem attraktiven Rendite-Risiko-Profil.

Aufsteigersegmente wie Logistik-, Sozial- und Gesundheitsimmobilien verdanken ihren Erfolg jedoch nicht allein einer Rolle als reine Finanzderivate aus Beton zur Generierung regelmäßiger Cashflows. Sie profitierten vielmehr von langfristigen Megatrends wie Digitalisierung, Urbanisierung, Individualisierung und demografischer Entwicklung – die sich pandemiebedingt z. T. sogar noch beschleunigt haben. Beispielsweise ist gegenüber der Vorjahresumfrage der Anteil der Investoren, die den Kauf einer Gesundheitsimmobilie planten, von 50 % auf 58 % gestiegen. Einen noch größeren Schub verzeichnete das Co-Living-Modell, das 50 % der Befragten anvisierten – nach nur 14 % im Jahr zuvor. Das mag auch damit zusammenhängen, dass in der EU neben der ökologischen die soziale Taxonomie Gestalt annimmt und somit das „S“ in ESG an Bedeutung gewinnt. Weitere Megatrend-Profiteure sind Life-Science-Immobilien mit ihrer Mischung aus Büro-, Labor- und Lagerflächen, spezialisierte Logistikflächen wie die Last-Mile-Logistik, Rechenzentren oder sogar Mobilfunkmasten.

Für all diese Beispiele gilt, dass ihr Wachstum und Erfolg in den vergangenen Jahren nicht allein auf der Niedrigzinsphase und der Anlagenot von Investoren auf der Suche nach regelmäßigen Cashflows basiert. Gewiss spielte die Suche nach Rendite eine gewisse Rolle, aber eben auch die langfristige Wachstums- und Erfolgsstory, die in den allermeisten Fällen nach wie vor intakt ist. Entsprechend war die Renditekompression auch nicht so stark ausgeprägt wie bei Core-Wohnen oder -Büro. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich diese Segmente auch angesichts der Zinswende weiter robust entwickeln werden und ihre Beliebtheit bei Investoren nicht leiden wird. Das Rad der vermeintlichen Nischen jedoch wird sich nicht zurückdrehen.

Dieser Artikel erschien im ABSOLUT REPORT 04/2022.

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