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Verantwortung endet nicht beim Vermieter

4. Okt 2020

Martina Averbeck  |  Hansainvest Real Assets

Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ist kein Modethema, sondern eine bleibende Erscheinung – auch in Coronazeiten –, die gerade erst so richtig Fahrt aufnimmt. Seien es die wachsenden Ansprüche der großen Unternehmen als Mieter von Büroimmobilien, die immer stärker auch nach ESG-Kriterien (Environment Social Governance) entscheidenden Investoren oder die zunehmende Regulierungsdichte in diesem Bereich: Die Auslöser sind vielfältig.

Assetmanager im Immobilienbereich können entsprechende Kriterien längst nicht mehr ignorieren. Was der Branche noch fehlt, sind gemeinsame ESG-Branchenstandards auf nationaler oder besser auf internationaler Ebene. Zudem sollten sich wirklich alle Stakeholder einer Immobilie zu entsprechenden Maßnahmen verpflichten, was noch viel zu selten der Fall ist. Eine Möglichkeit, dies zu ändern, sind „grüne“ Mietverträge, sogenannte Green Leases. Zugegeben, es gibt noch viel Luft nach oben.

Doch entgegen manchen Behauptungen hat sich in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit von Immobilien in den vergangenen Jahren viel getan, vor allem im Neubau. Das reicht von der Verwendung nachhaltiger und wiederverwertbarer Materialen über die Dämmung und eine energieeffiziente Heiz- und Klimatechnik bis hin zu hoher Flexibilität und Drittverwendungsfähigkeit. Mindestens genauso wichtig ist die Berücksichtigung nachhaltiger Prinzipien im späteren Betrieb. Beispiele sind der Bezug von Strom aus erneuerbaren Energien, der ressourcenschonende Umgang mit Wasser, Energie und Einwegartikeln, das Abfallmanagement und der Einsatz ökologisch möglichst unbedenklicher Produkte und Rohstoffe.

Konkrete Beispiele
Um dies an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen: Was nutzt die ausgeklügelte Mülltrennung im Gebäude, wenn die Bürobeschäftigten alles in einem Papierkorb entsorgen. Oder umgekehrt: Was nutzt die strenge Mülltrennung in der Bürofläche, wenn im Keller wieder alles in einem Container landet? Was bringt die effizienteste Klimaanlage, wenn die Mieter sie bei geöffneten Fenstern laufen lassen? Und was der große Fahrradkeller, wenn doch alle mit dem Auto kommen?

Die Verantwortung für eine möglichst nachhaltige Immobiliennutzung endet somit nicht beim Vermieter, sprich beim Investor und seinem Assetmanager. Sie schließt ebenso die Mieter und Nutzer mit ein sowie die Dienstleister am Objekt wie Facilitymanager oder Reinigungsfirmen. Der Trend wird deshalb künftig dahin gehen, dass Mieter und Vermieter von Büroflächen in den Mietverträgen ihren Willen bekunden, das eigene Verhalten im Objekt an nachhaltigen Kriterien auszurichten und sich gegenseitig zur Einhaltung bestimmter Maßnahmen verpflichten. Solche „grünen“ Verträge werden international Green-Lease-Verträge genannt.

Kriterien, die man beispielsweise vertraglich regeln kann, betreffen das Abfallmanagement, die Verbräuche von Strom, Wasser und Wärme, das Belüftungsverhalten, den Einsatz energiesparender IT-Geräte, das Benutzen biologisch abbaubarer Reinigungsmittel, der Bezug von Strom aus Erneuerbaren und vieles mehr. Wichtig ist, dass es sich nicht nur um unverbindliche Willenserklärungen Verantwortung endet nicht beim Vermieter Nachhaltigkeitsanforderungen von Investoren müssen Mieter einschließen handelt. Die vereinbarten Maßnahmen müssen nachweisbar beziehungsweise messbar sein und sollten einer regelmäßigen gegenseitigen Kontrolle unterliegen.

Green-Lease-Verträge Schwer durchzusetzen sind derzeit noch Regelungen zur Sanktionierbarkeit. Kaum ein Vertragspartner ist derzeit willens, sich bei Nichtbeachtung auf fest vereinbarte Vertragsstrafen einzulassen. Flächendeckend könnte sich das ändern, wenn beide Seiten jeweils einen Vorteil in einer wirklich strengen und sanktionsbewehrten Verpflichtung auf GreenLease-Kriterien erkennen. Eine Alternative zu finanziellen Sanktionen könnte ein positives Incentive-System darstellen: Wer die vereinbarten Verpflichtungen stets erfüllt und sogar übertrifft, könnte demnach mit einem Bonus belohnt werden.

Vor allem bei den großen Unternehmen und bonitätsstarken Mietern von Core-Büroimmobilien ist eine vermehrte Bereitschaft zu beobachten, sich im Mietvertrag auf die eigene Einhaltung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten – wenn auch nicht sanktionsbewehrt. Erste große Mieter fordern GreenLease-Verträge bereits aktiv ein, in denen sie freilich nicht nur sich selbst zu entsprechendem Handeln verpflichten, sondern auch den Vermieter in die Pflicht nehmen.

Institutionelle Investoren wiederum fordern vermehrt solche Vertragsklauseln ein, weil sie sich selbst ihren Kunden und Anlegern gegenüber zu ESG-Kriterien verpflichtet haben. Entsprechende Leitlinien werden sie auch bei der Auswahl potenzieller Mieter treffen. Das ist nur konsequent: Wenn sie schon nicht in Unternehmen mit bestimmten Geschäftsmodellen investieren, werden sie ihnen auch kein Gebäude vermieten. Nicht anders verhält es sich mit dem Einfordern von Nachhaltigkeitsklauseln in Mietverträgen.

In beiderseitigem Interesse
Eine große Herausforderung können Green-Lease-Verträge bei MultiTenant-Objekten darstellen, wenn nicht mit allen Mietern vergleichbare Verträge abgeschlossen wurden, die zentrale Infrastruktur des Gebäudes aber gemeinsam genutzt wird. Langfristig wird dies jedoch ein Hebel sein, um grüne Mietverträge auch bei kleineren und mittelständischen Betrieben stärker durchzusetzen – zumindest bei qualitativ hochwertigen Objekten. Denn der Vermieter wird sukzessive darauf drängen, vergleichbare Nachhaltigkeitsklauseln bei allen Mietern zu realisieren. Der Green-Lease-Vertrag steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Langfristig jedoch werden vertraglich fest vereinbarte Regelungen in Büromietverträgen ein wichtiger Baustein in der Nachhaltigkeitsentwicklung der Immobilienwirtschaft sein. Regelungen, zu denen sich nicht nur die Vermieter, sondern eben auch die Mieter verpflichten – im beiderseitigen Interesse.

Dieser Artikel erschien am 1.10. in der BÖRSEN ZEITUNG.