Jetzt bloß nicht stillstehen!
3. Mai 2020
3. Mai 2020
Die Situation „da draußen“ lässt manch einen verzweifeln. Noch vor wenigen Wochen sind wir täglich ins Büro gefahren, haben Termine wahrgenommen, verhandelt, geplant, uns ausgetauscht – und plötzlich wirken die Hauptstraßen unserer Metropolen wie ausgestorben: Läden geschlossen, Büros verlassen, Restaurants und Cafés verriegelt. Und die Immobilienwirtschaft fragt sich: Wann und wie trifft es uns?
Wären Immobilien ein kurzlebiges Gut, sähe die Lage tatsächlich düster aus. Aber man reißt Gebäude eben nicht alle drei Jahre ab, so wie man ein Auto wechselt oder sich neue Anzüge kauft. Die Lebensspanne eines Hauses ist in dieser außergewöhnlichen Zeit plötzlich unser allergrößter Trumpf. Wir planen über Jahre und bauen für Jahrzehnte und darüber hinaus. Das macht die Vorbereitung von Projekten so langwierig und erfordert – die einen nennen es Geduld, die anderen Starrsinn und die dritten Trägheit. Ja, unsere Branche läuft langsamer, dafür aber länger.
Natürlich wird es Bereinigungen am Markt geben. Unternehmungen, die hart auf Kante geplant und finanziert wurden, werden es nicht leicht haben, ebenso wie Unternehmen, die bereits vor der Krise ins Schlittern geraten sind. Aber wirklich überraschend ist das nicht: Diese Regel des Spekulationsrisikos galt schon immer.
Anders sieht es aus mit jenen Projekten, die jetzt erst in die Planungsphase gehen. Wie lange dauert es von der Sicherung eines Grundstücks, der Entwicklung eines Nutzungskonzepts, den behördlichen Genehmigungen, den unterschiedlichen Finanzierungen, den Ausschreibungen und dem Baubeginn bis hin zur Fertigstellung und Übergabe? Nun, auf jeden Fall länger, als die derzeitige Krise andauern wird. Und darin liegt eine große Chance.
Verfallen wir nicht in Schockstarre, sondern mahlen unser Schrot langsam und sorgsam weiter, dann werden viele Projekte zum richtigen Zeitpunkt fertiggestellt werden. Jetzt auf den Markt zu kommen, da der Zyklus nach zehn Jahren vorbei ist – mir jedenfalls scheint das nicht der richtige Weg zu sein. Diejenigen aber, die diese Phase des Rückzugs und die Zeit dafür nutzen, um Projekte vorzubereiten und durchzuplanen, agieren antizyklisch, und das wird sich auszahlen. Denn allein beim Blick auf die Baukosten wird deutlich, dass in den kommenden Jahren deutliche Preisrückgänge zu erwarten sind, von denen dann, im nächsten Zyklus, viele Projektentwicklungen profitieren werden. Bloß eines darf man in dieser Krise nicht tun: stillstehen und gar nichts mehr unternehmen.
Dieser Artikel erschien am 23.4. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.