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Alle Menschen sind gleich, aber Mieter sind gleicher

30. Aug 2020

De. Josef Girshovich  |  PB3C

Ich wohne in einem Milieuschutzgebiet. Meine Straße fällt in die soziale Erhaltungsverordnung ‚Schöneberger Süden‘. Meine Frau, unsere Kinder und ich dürfen uns glücklich schätzen. Zumindest aus Sicht des Berliner Senats befinden wir uns in guter Gesellschaft. Denn wir sind noch vor der Ausrufung dieses Milieuschutzgebietes hierhergezogen und durften folglich an der damaligen Umfrage teilnehmen, die ein Berliner Stadtforschungsinstitut für den Bezirk durchgeführt hat. Ich erinnere mich an den Fragebogen, den wir eines Tages im Briefkasten vorfanden. Er war nicht an uns gerichtet: Wir sind keine Mieter. Wir haben den Fragebogen unausgefüllt abgegeben, ihn als grundsätzlich unzutreffend moniert und um einen Fragebogen gebeten, der alle Bewohner des betroffenen Stadtteils anspricht – Mieter und Eigentümer. Eine Antwort haben wir bis heute nicht erhalten.

Nun hat das Insitut empirica im Auftrag des Vereins zur Förderung von Wohneigentum in Berlin e. V. (VWB) die Sache untersucht und klargestellt, was wir persönlich und auch große Teile der Immobilienwirtschaft befürchtet respektive geahnt haben: Die soziologischen Studien und Umfragen im Rahmen der Festsetzungen sozialer Erhaltungsverordnungen sind durchweg unprofessionell, nicht sachgerecht und willkürlich. Schon die Begriffe „Milieuschutz“ und „soziale Erhaltung“ suggerieren etwas Schützens- und Erhaltenswertes. Doch geht es vielmehr um das Durchdrücken von Ideologien und die Aufrechterhaltung eines unzufriedenen Status quo für eine Wählerklientel mit überdurchschnittlich hohen Abhängigkeitsquoten von Transferleistungen. Im Jahr 2020 kann das Ziel einer durchweg linken Regierung, wie Berlin sie hat, nur sein, ihre Wähler arm und unzufrieden zu halten. Würden sie nämlich realistische Chancen bekommen, aus ihrem Milieu zu entkommen, würden sie sich plötzlich hüten, ihre Regierung weiter zu wählen.

Umso schlimmer, dass die Studien, auf deren Grundlage ganze Milieus geschützt werden sollen, derart gravierende Mängel aufweisen, wie jetzt festgestellt wurde. Sie sind nicht standardisiert, sie legen sich ihre Definitionen je nach gewünschter Aussage vorab zurecht, sie halten keinerlei statistischen Überprüfungen stand. Das ist ein Armutszeugnis für die Arbeit dieser „Institute“, und letztlich ein Bärendienst an den Menschen, die sich gut geschützt wähnen. Denn die Rechtsfolge der sozialen Erhaltungsverordnungen bleibt bestehen: Im Milieuschutz kann kaum gebaut und aufgestockt, nur unter Auflagen renoviert und saniert und nur bedingt Wohneigentum erworben werden. Wir haben es mit einem staatlich sanktionierten Stillstand der Stadtentwicklung auf Grundlage falscher Daten und Annahmen zu tun.

Die Untersuchung, die empirica und der VWB e. V. nun vorgelegt haben, war überfällig. Die Ergebnisse sind ernüchternd bis erschreckend. Am meisten aber müssen sich nicht die Kritiker, sondern die Befürworter des Milieuschutzes ärgern. Denn es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte in den kommenden Monaten mit dieser nun auch objektiv bestätigten Stümperhaftigkeit umgehen werden.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an den Leiter unserer Redaktion Dr. Josef Girshovich.