Infrastrukturquote: Die Tür ist aufgestoßen
2. Mai 2021
2. Mai 2021
Es ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung: Nordrhein-Westfalen ermöglicht den dortigen Versorgungswerken, bei der Geldanlage eine separate Infrastrukturquote von 5 % zu beantragen, die sodann durch die Aufsicht im Landes-Finanzministerium geprüft wird. Diese gesetzmäßige Abweichung von der Anlageverordnung geht zurück auf den „Erlass zur Einführung einer Infrastrukturquote“ von Anfang März dieses Jahres und soll eine Entlastung der Quotensituation der Versorgungswerke in diesen schwierigen Anlagezeiten herbeiführen. Betroffen sind Versorgungswerke, die unter Landesaufsicht stehen. Eine Anrechnung der Kapitalanlagen innerhalb dieser Infrastrukturquote auf weitere Mischungsquoten der Anlageverordnung erfolgt dabei nicht.
Damit ist Nordrhein-Westfalen bei einem seit Jahren bestehenden Diskussionsthema in die Offensive gegangen und zum bundesweiten Vorreiter geworden – wir sagen: gut so! Der Schritt ist deswegen so wichtig und so richtig, weil in den aktuellen Niedrigzinszeiten alte Wege neu gedacht werden müssen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Coronakrise und den damit einhergehenden konjunkturellen Hilfsmaßnahmen ist derzeit weniger denn je damit zu rechnen, dass die Zinsen in naher Zukunft wieder steigen werden. Längst ist es in der Altersvorsorge und Versicherungsbranche kaum noch realistisch, die gesetzten Renditeziele auf herkömmlichem Wege zu erreichen. Aus diesem Grund wurde bereits 2020 die Immobilienquote für Versorgungswerke ausgesetzt: Schließlich sind Immobilien eine der wenigen verbliebenen Anlage-Klassen, die auch und gerade in Niedrigzinszeiten mit einer attraktiven Rendite aufwarten können. Letzteres hat sich zuletzt vor allem durch den auch in der Pandemie boomenden Wohnimmobilienmarkt wieder eindrucksvoll erwiesen.
Für die Anlageklasse Infrastruktur gab es hingegen bislang überhaupt keine separate Quote. Umso mehr Gewicht kommt der aktuellen Entscheidung zu. Von der Neuerung profitieren mehrere Ebenen: Erstens kommt es durch die Infrastrukturquote zu einer Entlastung der übrigen Quoten der Anlageverordnung, beispielsweise der Risikokapital- und der Immobilienquote. Zweitens sollen durch den Erlass nachhaltige Investments in Energie- und Verkehrsinfrastruktur gefördert werden. Somit können dringend benötigte zusätzliche institutionelle Kapitalreserven für das Erreichen der Klimaschutzziele mobilisiert werden. Drittens versprechen sich Versorgungswerke von der Assetklasse Infrastruktur – zu Recht – attraktive Renditen oberhalb des Rechnungszinses.
Im Gegenzug ist die erfolgreiche Beantragung der Quote allerdings von verschiedenen Kriterien abhängig, deren Berücksichtigung von der Aufsicht streng geprüft wird: Dazu zählen zum einen eine erhöhte Berichtspflicht, zum anderen die Integration einer Nachhaltigkeitsstrategie sowie ein verschärftes Risikomanagement für das freie Vermögen außerhalb des Sicherungsvermögens. Damit honoriert die Aufsichtsbehörde zugleich bereits getätigte Maßnahmen der Versorgungswerke zur Risikoreduzierung, mit welchen diese in den vergangenen Jahren auf der Passivseite den Druck auf die Kapitalanlage senken wollten – Stichwort De-Risking.
Nun, da die Infrastrukturquote zumindest in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde, stellt sich die Frage nach dem nächsten Schritt. 5 % sind ein guter Anfang, lassen zugleich aber auch noch Luft nach oben. Langfristig wird es eine großzügigere oder zumindest atmende Quote brauchen. Das nordrhein-westfälische Ministerium für Finanzen hat mit dem „Erlass zur Einführung einer Infrastrukturquote“ jedenfalls die Tür für andere Kandidaten aufgestoßen, sich dieser Entscheidung anzuschließen. Es wäre sehr zu wünschen, dass noch zahlreiche weitere Bundesländer hindurchgehen.
Dieser Artikel erschien im ABSOLUT REPORT 02/2021.