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Kein ESG ohne S und G!

27. Feb 2022

Andre Schmöller  |  Domicil

Klimaschutz ist sinnvoll. Doch leider fordert die Politik hier viel, ohne selbst zu liefern. Zum Beispiel konkrete Standards für ihre scharfen ESG-Vorgaben. Wie viel CO2 pro qm darf in einem Gebäude anfallen? Welche Faktoren messen konkret Nachhaltigkeit? Ist hierfür nur der Betrieb oder sind auch die Erstellung und der spätere Abriss eines Gebäudes maßgeblich?

Die ambitioniertesten Klimaziele nützen eben auch für den Gebäudesektor nichts, wenn sich der Gesetzgeber über das genaue „Wie“ in Schweigen hüllt. Hinzu kommt: Die oft bemühte Phrase der ESG-Investmentstrategie entpuppt sich nicht nur aufgrund fehlender Kennzahlen bei genauem Hinsehen als Luftnummer. Denn weder trägt Nachhaltigkeit bei Immobilien zu einem höheren Return on Investment noch zur Risikominimierung bei. Die Angebotsknappheit ermöglicht es vielmehr, selbst die größte CO2-Schleuder noch zu vermieten. Das macht der Mietwohnungsmarkt besonders deutlich. Wenn etwa Vermieter zu einer Sanierung verpflichtet werden, trägt ESG eben nicht dazu bei, Risiken zu minimieren oder Renditen zu erhöhen. Stattdessen bergen die hohen Mehrkosten sozialen Sprengstoff, gerade für das ohnehin nicht immer spannungsfreie Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter.

Tatsächlich führt die Politik das „S“ von ESG ad absurdum. Denn was ist sozial daran, wenn der Mieter nach dem Einbau neuer Fenster, die weder er noch der Eigentümer haben will, eine Mieterhöhung erhält, die es ihm unmöglich macht, die Wohnung zu halten? Was ist sozial daran, wenn der Handwerkerhof im Rückgebäude aufgrund der Energieeffizienzklasse irgendwann nicht mehr vermietet werden darf? Objekte, die nicht saniert werden (können), stehen dem Wohnungsmarkt dann irgendwann nicht mehr zur Verfügung.

All das wird den Ton der Debatte und die Kluft zwischen Mietern und Vermietern verschärfen. Zumal dann, wenn durch politische Fehlsteuerungen und den „ESG-Hype“ in der Selbstdarstellung der Immobilienwelt der Eindruck entsteht, die Branche verdiene sich eine goldene Nase, während sie die Mieter ganz allein die Sanierungskosten schultern lässt! Allerhöchste Zeit, dass der Gesetzgeber nachsteuert. ESG funktioniert eben nur im Dreiklang. Neben dem „S“, das die notwendige soziale Ausgewogenheit gewährleistet, kommt es nun auf das „G“ an – Governance. Es müssen endlich handwerklich einwandfreie Vorgaben her! Dann kann die Branche die Herkulesaufgabe Klimaschutz strukturiert angehen und die finanziellen Mittel bereitstellen.

Dieser Artikel erschien am 24.2. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.

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