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Nicht jammern, sondern anpacken

25. Sep 2022

Isabella Chacón-Troidl  |  BNP Paribas REIM

Die Immobilieninvestmentbranche ist derzeit an verschiedenen Fronten gefordert: Zinswende, Inflation, sich eintrübende Konjunkturaussichten, Nachwehen der Corona-Pandemie, Baukostenexplosion, Fachkräftemangel – um nur einige Beispiele zu nennen. Die stetig umfangreicher werdende Regulierung in Bezug auf Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz wird da von vielen Marktteilnehmern als zusätzliche störende und mitunter unnötige staatliche Gängelung empfunden.

Nebenbei bemerkt: Das Gejammer über Regulierung ist meistens genauso alt wie die Regulierung selbst, und das ist gewiss kein Alleinstellungsmerkmal der Immobilienbranche. Andererseits ist der eine oder andere vielleicht sogar ganz froh, dass ihm von außen gesagt wird, was zu tun ist, und er einfach nur eine Liste mit Regeln abhaken muss. Klimaschutz leicht gemacht.

Ich bin aber überzeugt, dass sowohl die Jammerei als auch die Abhakmentalität bei diesem wichtigen Thema fehl am Platze sind. Konstruktive Kritik oder Verbesserungsvorschläge kann man selbstverständlich immer äußern. Es ist ja richtig, dass manche wichtigen ESG-Regulierungsstandards noch fehlen oder sehr unkonkret sind. Auch wird niemand bestreiten, dass die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie und die nachhaltige Ausrichtung eines Immobilienportfolios mit hohem Aufwand verbunden sind.

Dies steht jedoch nicht dem entgegen, was jetzt das Gebot der Stunde ist: Anpacken. Die Intention des Gesetzgebers ist ja klar. Warum also abwarten, bis auch die letzte Detailfrage der technischen Regulierungsstandards geklärt ist und sich in bislang unklaren Fällen eine jahrelange Aufsichtspraxis und Rechtsprechung etabliert haben?

Es gibt für unsere Branche nun wirklich mehr als genug Gründe, selbst aktiv zu werden – aus Verantwortungsbewusstsein und intrinsischer Motivation heraus. Allein die Tatsache, dass der Gebäudesektor für mehr als 30 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland (in anderen Ländern ist es ähnlich) steht, spricht für sich. Und daran, dass der Klimawandel bereits in vollem Gange ist, hat uns der diesjährige Sommer wieder mit Nachdruck erinnert. Diejenigen, die sich aus eigener Überzeugung des Themas annehmen, investieren in der Regel wesentlich mehr Mühe, Zeit und Geld als diejenigen, die bereits über die Erfüllung von Minimalzielen klagen. Sie tun dies auch nicht genervt, sondern mit positiver Energie und animiert durch die meistens erfreulichen Ergebnisse ihrer Anstrengungen.

Schließlich ist der Beitrag, den eigenmotivierte Marktteilnehmer zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen leisten, wesentlich höher als derjenige von rein regulatorisch Getriebenen, die sich mit Mindeststandards zufriedengeben. Energetische Vollsanierungen, nachhaltige Mobilitätskonzepte oder innovative Ansätze für echte Ressourceneinsparungen sind zwar in jeder Hinsicht aufwendiger, aber eben auch wirkungsvoller, als eine oberflächliche ESG-Bilanz durch Mindestmaßnahmen wie den Bezug von grünem Strom oder die Installation von ein paar Fahrradständern aufzuhübschen.

ESG-Regulierung ist deshalb keineswegs überflüssig, im Gegenteil: Sie muss vor allem dort greifen – und darf auch mal weh tun –, wo ESG noch immer als Störfaktor wahrgenommen wird. Wo gar nicht aus böser Absicht, aber aus Bequemlichkeit ohne diesen Druck von außen keine ausreichenden Anstrengungen unternommen würden. Und wo besonders laut über die Regulierung gejammert wird.

Ich halte das Klagen über ESG-Regulierung deshalb für einen guten Indikator: Je lauter die Beschwerden, desto geringer ist die eigene Motivation, sich der Verantwortung zu stellen, die unsere Branche unzweifelhaft hat. Damit erbringt die Regulierung gleichzeitig den besten Beweis für ihre Notwendigkeit. Es ist wie mit der Medizin, die laut Volksmund bitter schmecken muss. Je kranker der Patient, desto bitterer die Pille.

Dieser Artikel erschien in ABSOLUT PRIVATE Q3 2022.

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