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Wiege der Einhörner – das wachsende Investment-Universum Cybersecurity

22. Sep 2023

Daniel Boege  |  Golding Capital

Cybersecurity hat sich in den vergangenen Jahren von einem Nerd-Thema zu einer der dringlichsten Aufgaben für Spitzenmanager entwickelt. Das gilt für Unternehmen aller Branchen, Verwaltungsinstitutionen und Organisationen.

Grund ist die Zunahme der Cyberkriminalität. Digitalisierung, Vernetzung, Cloud-Computing und der Vormarsch mobiler Arbeit bieten Cyberkriminellen immer mehr Ansatzpunkte. Die Methoden und Motive für Angriffe sind unterschiedlich; sie reichen von Lösegeld-Erpressung für den blockierten Zugriff auf IT-Systeme über Datendiebstahl bis zu Sabotage.

Allein für die deutsche Wirtschaft schätzt der Digitalverband Bitkom den Schaden im vergangenen Jahr auf mehr als 200 Mrd. Euro, fast eine Verdopplung gegenüber 2019. Vier Fünftel aller Unternehmen quer durch alle Branchen gaben an, dass sie 2022 von Cyberkriminalität betroffen waren, weitere 9 % gehen davon aus. Viele der Angriffe kommen aus Russland und China. Der Krieg in der Ukraine hat die Cyberbedrohungslage noch verschärft. Knapp die Hälfte der Unternehmen befürchtet, dass Cyberattacken ihre Existenz bedrohen könnten.

Entsprechend investieren sie zunehmend in Cybersicherheit. Bitkom beziffert den deutschen Markt für Hardware, Software und Dienstleistungen im Bereich IT-Sicherheit im vergangenen Jahr auf 7,8 Mrd. Euro, 13 % mehr als ein Jahr zuvor. Für 2023 wird ein Anstieg um 10 % erwartet. Weltweit prognostiziert das Analyseunternehmen Canalys für dieses Jahr Cybersecurity-Investitionen von 224 Mrd. Dollar, ein Zuwachs von 13 % binnen eines Jahres.

Beispiel Quorum Cyber
Davon profitiert ein breites Spektrum an Unternehmen. Neben breit aufgestellten Softwareunternehmen, die neben anderen Produkten auch Cybersecurity-Lösungen anbieten, ist der Markt immer stärker von Pure-Play-Cybersecurity-Firmen geprägt. Neben zahlreichen börsennotierten Playern gibt es eine Vielzahl nicht notierter Anbieter, die ins Visier von Private-Equity-Firmen rücken.

Ein viel beachteter Megadeal war die Übernahme der Virenschutz-Ikone McAfee durch eine Investorengruppe für 14 Mrd. Dollar im Jahr 2021. Große Chancen für Investoren bieten aber gerade kleine, stark wachsende Unternehmen der Branche.

Quorum Cyber ist ein Beispiel dafür. Das Unternehmen aus Edinburgh hat seit seiner Gründung 2016 ein rasantes Wachstum hingelegt und ist auf gutem Weg, eines der ersten schottischen „Einhörner“ zu werden – ein Start-up mit einer Bewertung von mehr als einer Mrd. Dollar. Quorum Cyber stellt mittlerweile rund 150 Unternehmen und Organisationen weltweit Cybersicherheitslösungen zur Verfügung. Unter den Kunden befinden sich Behörden, Banken, große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und international tätige Anwaltskanzleien.

Fähige Entwickler halten
Um das Wachstum zu finanzieren, hat Gründer und Chief Executive Officer (CEO) Federico Charosky bereits zwei Private-Equity-Finanzierungsrunden durchgeführt. Beim Verkauf seiner Beteiligung an Quorum Cyber an die britische Livingbridge 2022 hat der Glasgower Private-Equity-Manager Maven Capital Partners nach eigenen Angaben binnen zwei Jahren einen Erlös vom 6,5-Fachen des eingesetzten Kapitals erzielt.

Das Wachstum von Quorum Cyber geht mit einem steilen Aufbau der Belegschaft einher. Von einer Handvoll Mitarbeiter bei der Gründung vor sieben Jahren ist die Zahl auf mehr als 200 gewachsen.

Und Personal ist eine der knappsten Ressourcen für die Branche. Fähige Softwareentwickler und IT-Experten mit Cybersecurity-Erfahrung zu gewinnen und zu halten, ist eine der schwierigsten Managementaufgaben in dieser dynamischen Industrie. In einem Umfeld, das von „digital Nomads“ geprägt ist, die grundsätzlich überall auf der Welt arbeiten können, ist es dennoch hilfreich, an einem Standort mit akademischem Umfeld und einer dynamischen Start-up-Szene ansässig zu sein. Edinburgh, der Sitz von Quorum Cyber, bietet beides. Die schottische Hauptstadt hat sich zu einem Cybersecurity-Hub entwickelt, mit akademischen Einrichtungen, die zu dem Thema forschen, und einer Vielzahl junger Unternehmen.

Private-Equity-Manager, die im Bereich Cybersecurity investieren, achten genau darauf, wie gut ein Zielunternehmen das Thema Recruiting und Mitarbeiterbindung im Griff hat. Denn Personal ist ein erheblich bedeutenderer limitierender Faktor für das Wachstum in dieser Branche als Marktpotenzial und Kapital. Weitere wichtige Faktoren betreffen die Art der Lösungen, die das Unternehmen entwickelt, und die Kundenstruktur. Die Lösungen müssen skalierbar sein, damit nicht zu viele Kapazitäten in der Umsetzung langwieriger Großprojekte gebunden werden. Das erfordert von Private-Equity-Managern tiefer gehende Markt- und Technologiekenntnis als in den meisten anderen Branchen.

Kein Ende des Wachstums
Die Trends, die für eine Zunahme von Cyberkriminalität sorgen, bleiben auf absehbare Zeit intakt. Ein Ende des Wachstums der Cybersecurity-Branche ist daher nicht in Sicht. Die Vielzahl an Investmentstorys und Unternehmen aller Größenklassen macht das Segment zu einem hochattraktiven Ziel für Private-Equity-Investoren.

Dieser Artikel erschien am 15.09.2023 in der Börsen-Zeitung.

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