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Der Masterplan für den Wohnungsmarkt

22. Jan 2023

Jürgen Michael Schick  |  IVD

Zahlen lügen nicht – und die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Während 2021 noch 293.393 Wohnungen neu gebaut worden sind, wird diese Zahl in diesem Jahr aller Voraussicht nach weit unterschritten. Und 2023? Alles deutet darauf hin, dass es einen dramatischen Einbruch geben wird. Das Ziel der Koalition, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, droht reine Fiktion zu werden. Dabei hilft es auch nicht, dass die Bundesregierung inklusive des Bundeskanzlers und der Bundesbauministerin an diesem Ziel „festhält“. Politische Rhetorik prallt zunehmend auf eine Realität, gegen die selbst der scharfzüngigste Politiker nicht mehr anreden kann.

Denn: Vor allem auf der Nachfrageseite wird sich die Lage in den kommenden Jahren verschärfen. Experten zufolge sind allein im vergangenen Jahr 1 Mio. Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Vor allem im niedrigen und mittleren Preissegment wird somit mehr Wohnraum benötigt. Dafür müssten mehr Wohnungen gebaut werden. Auch die Langzeitprognose weist in diese Richtung: Bundeskanzler Scholz rechnet mit einem kräftigen Wachstum der Bevölkerungszahl Richtung 90 Mio.

Ein Teil der Probleme ist hausgemacht
Als Gründe für den rückläufigen Wohnungsbau wird oft die schlechte ökonomische Lage aufgrund externer Ereignisse angeführt – beispielsweise der Krieg in der Ukraine und die Pandemie-Nachwirkungen. Jedoch sollten wir auch darüber sprechen, dass ein Teil der Probleme hausgemacht ist: immer weiter steigende gesetzliche Anforderungen an den Neubau, hohe Mindeststandards, langwierige Genehmigungsverfahren.

Erkennt und benennt man die Probleme und handelt entsprechend, könnte man die angespannte Situation durchaus entschärfen. Hierfür sollten insbesondere jene Hürden abgebaut werden, die dem zügigen Bau von bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum im Wege stehen. Es wäre ein großer Schritt nach vorn, wenn für die Wohnungswirtschaft inklusive aller privaten Bauherren endlich Planungssicherheit und ein investitionsfreundliches Klima hergestellt werden könnten.

Um der Krise zu begegnen, sollte der Wohnungsbau in Deutschland Chefsache werden. Bundesbauministerin Klara Geywitz – die sich übrigens sehr für unsere Branche engagiert und einen guten Job macht, aber von einigen ihrer Ressort-Kollegen systematisch ausgebremst wird – benötigt eine klares und mutiges Commitment des Kanzlers, das Wohnungsbauziel zu priorisieren. Die Förderung von Neubau und Bestandssanierung müssen schlüssig und in Gänze geplant werden. Nur so kann auch die immer größere Wirtschaftlichkeitslücke geschlossen werden. Auf gut Deutsch: Wenn bauen oder sanieren sich für Investoren nicht rechnet, dann werden sie es nicht machen. Es braucht ein verbindliches und rundes Förderkonzept, auf das sich alle Akteure verlassen können. In Zahlen ausgedrückt: Benötigt wird eine Neubauförderung mit einem Volumen von 10 Mrd. Euro jährlich.

Aus alt mach neu
Was kann noch getan werden? Baureife Grundstücke, geeignete Konversionsflächen (also alte Brachflächen oder Gewerbeflächen, die nun anders genutzt werden sollen) und Bestandsflächen sind entscheidend. Sie sind einer aktuellen Studie zufolge, welche die Bundesregierung selbst beauftragt hat, vorhanden, müssen aber aktiviert werden. Modulare, serielle und typisierte Bauweisen können in Kombination mit digitalen Tools einen Beitrag zur Schaffung vieler bezahlbarer qualitätsvoller und klimaschonender Wohnungen leisten.

Was früher teils ein zweifelhaftes Image hatte – von Fertighaus bis Plattenbau – kann mit modernem Update nun echten Mehrwert bieten. Typisierte Wohngebäude (die nach dem selben Entwurf und derselben Bauplanung umgesetzt werden) beschleunigen darüber hinaus die Errichtung neuer Wohngebäude, weil der Planungszeitraum dadurch wesentlich verkürzt wird. Darüber hinaus sollten wir uns dafür einsetzen, Gebäude, deren Nutzung entfallen ist (zum Beispiel Büro- oder Handelsimmobilien), zu sanieren und zu qualifizieren, statt sie abzureißen. Das ermöglicht, dass eingesetzte Rohstoffe und Materialien weiter genutzt werden und bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.

Gerade beim Thema Rohstoffe kann noch mehr getan werden. Um Versorgungssicherheit mit Baumaterialien zu gewährleisten und extremen Preisschwankungen vorzubeugen, bedarf es einer zielgenauen Rohstoffstrategie, die auf die Ausschöpfung nationaler Rohstoffabkommen ebenso setzt wie auf eine effektive Kreislaufwirtschaft mit schlanken Zulassungsverfahren für Recyclingbaustoffe. Eine Vorfestlegung auf einzelne Baustoffe wäre kontraproduktiv, es muss Technologieoffenheit gewährleistet werden.

Das sind nur einige Maßnahmen. Wichtig wäre, das die Bundesregierung nun ohne große Umschweife loslegt. Wir sind davon überzeugt: Die Abwärtsspirale kann gestoppt werden, wenn die Bundesregierung schnell und konsequent die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Dafür braucht es klare Prioritäten, um sich nicht zu verzetteln. Es gilt, eine Themenplanung für das H1 2023 transparent festzulegen, damit sich die Schere zwischen wachsendem Wohnraumbedarf und rückläufigem Wohnungsneubau nicht noch weiter öffnet.

Dieser Artikel erschien am 27.12. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.

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