Wie Privatinvestoren von der Verkehrswende profitieren können
19. Juli 2024
19. Juli 2024
Politische Vorgaben sind mitunter mit Vorsicht zu genießen. Das gilt zum einen für die Einhaltung von Kosten öffentlicher Bauten – als Beispiele seien der Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 genannt. Zum anderen gilt das auch für das Erreichen von Zielen bei der Verkehrswende weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität. So gab ein früherer Bundesumweltminister 2010 das Ziel aus, dass 2020 erstmal eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein sollten. Erreicht wurde dies allerdings erst 2023.
Inzwischen hat die Verkehrswende an Fahrt aufgenommen. Und schon gibt es eine nächste, ambitionierte Vorgabe: Bis 2030 sollen in Deutschland rund eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte geschaffen werden. Das ist offizielles Ziel der Bundesregierung. Nur so kann die Versorgung der dann erwarteten Flotte von Elektrofahrzeugen bis dahin sichergestellt werden.
RWTH-Professor Günther Schuh hat gegenüber dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Zweifel an diesen Vorgaben und Erwartungen geäußert: „Die Zielgröße von einer Million öffentlicher Ladepunkte wird sich nur als ausreichend erweisen, wenn das Ziel von 15 Millionen rein batteriebetriebenen Fahrzeugen verfehlt wird. Sollte dieses Ziel bis 2030 erreicht werden, wären eine Million öffentliche Ladepunkte zu wenig.“
Beide Einschätzungen dürften die Regierung nicht gerade erfreuen. Und Grund zur Freude hat sie momentan eh nicht. Denn schauen wir auf die aktuelle Lage, sind selbst Zweifel an der Erreichbarkeit von einer Million Ladepunkten binnen der kommenden sechs Jahre erlaubt. Denn bislang wurden insgesamt weniger als 120.000 in Deutschland errichtet, 22.000 sind Schnelladesäulen.
Lücke von 900.000 Ladepunkten
Die Mobilitätswende wird also nur dann erfolgreich sein, wenn ein ausreichend großes Ladenetz zur Verfügung steht. Beim Ausbau hinkt Deutschland bislang hinterher, Und es darf bezweifelt werden, dass allein Anstrengungen der öffentlichen Hand genügen werden, bis 2030 die mindestens rund 900.000 Ladepunkte zu errichten.
Deutschland steht also vor einer großen Herausforderung, die ambitionierten Ziele zu erreichen. Der Staat allein wird an dieser Aufgabe scheitern. Die aktuelle Situation sehe ich aber auch als eine Chance. Zumindest dann, wenn es gelingt, privates Kapital für den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu gewinnen.
Die Zahlen belegen: Es ist ein Wachstumsmarkt. Die Entwicklung der Solar- und Windenergie hat zudem gezeigt, dass Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz das Interesse von Privat-, aber auch institutionellen Anlegern findet.
Ein weiteres Argument für Investitionen durch private Käufer von Ladesäulen: Es ist eine Investition in unser aller Zukunft. Nach Angaben des Umweltbundesamtes war der Verkehrssektor in Deutschland 2023 für knapp 25 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 ist der Wegfall der Belastungen durch Verbrenner von daher von entscheidender Bedeutung.
Steuervorteile für Käufer von Ladesäulen
So zögerlich der Staat bislang beim Ausbau der Ladeinfrastruktur agiert, er hat zumindest gewisse Steuervorteile für Investoren geschaffen. So ermöglicht das Wachstumschancengesetz vom März dieses Jahres einen steuerlichen Vorteil auch für private Käufer durch degressive Abschreibungen in Höhe von 20 Prozent der Anschaffungskosten für Ladesäulen, die vor dem 31. Dezember 2024 erworben werden.
Falls die Ladesäule im Betriebsvermögen gehalten wird, gilt ein erhöhter Investitionsabzugsbetrag: Durch das Wachstumschancengesetz besteht die Möglichkeit einer Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft wurden. Die Sonderabschreibung beträgt 40 Prozent statt bisher 20 Prozent im Jahr der Anschaffung. Dies betrifft jedoch ausschließlich Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro in dem Jahr, das der Investition vorangeht, nicht überschreiten.
Privatinvestoren hingegen profitieren davon, dass sie als Käufer einer Ladesäule nicht gewerbesteuerpflichtig werden. Denn bei den erzielten Einnahmen handelt es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wie z. B. bei einer vermieteten Wohnung.
Zudem hat der Staat die Rahmenbedingungen für den Handel von Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) gesetzt. Dabei handelt es sich um eine finanzielle Belastung der Mineralölindustrie zugunsten der E-Mobilität. Daher erhalten Ladesäulenbetreiber pro verkaufte Kilowattstunde eine Art variablen Zuschuss.
Im Mittelpunkt der Entscheidung für eine Investition in die Ladeinfrastruktur sollten jedoch weniger mögliche Steuervorteile stehen, sondern die Attraktivität des Investments. Dazu gehört neben der erzielbaren Rendite auch Faktoren wie Standort, Service und nicht zuletzt auch die Art der Ladepunkte.
Die Bundesregierung hat jüngst eine Gesetzesinitiative gestartet, mit der Betreiber von großen Tankstellenketten verpflichtet werden sollen, dass von 2028 an jede Tankstelle eine Schnellladesäule vorhanden sein muss. Die Leistung soll pro Ladepunkt dann mindestes 150 Kilowatt betragen. Zu den bisherigen 22.000 Schnellladesäulen sollen so weitere 8.000 hinzukommen.
Die Branche wehrt sich gegen diese Vorgabe, da sie aus Sicht der Tankstellenbetreiber zu pauschal ist. Ich teile diese Kritik. Möglichkeiten, Elektroautos schnell aufzuladen sind sicherlich notwendig. Beispielsweise an Autobahnen, wenn lange Reichweiten der Fahrzeuge gefordert sind.
Schnelladesäulen nicht immer die erste Wahl
Für Käufer hingegen sehen wir eher Chancen, wenn sie in „normale“ Ladesäulen investieren. Die sind mit einer Leistung von beispielweise 22 Kilowatt zwar deutlich langsamer als Schnelllader, bei der Wahl des richtigen Standortes kann dieser vermeintliche Nachteil jedoch ausgeglichen werden. Ein Vorteil der 22-kW-Säulen: Mit Preisen im unteren fünfstelligen Bereich kosten sie nur einen Bruchteil der Schnellladesäulen.
Die Erfahrung zeigt: Elektrofahrzeuge werden vorwiegend an herkömmlichen Ladepunkten mit Strom versorgt. Bevorzugt zu Hause, oder aber auch am Arbeitsplatz. Bei größeren Wohneinheiten ist es aber nicht immer möglich, eine eigene Wallbox zu errichten. Dann sind Ladesäulen im öffentlichen Raum gefragt. Aber auch Hotels sind beispielsweise ein interessanter Standort für Ladesäulen. Denn sowohl in Wohngebieten als auch in Hotels stehen die Fahrzeuge meist über Nacht. Lange Ladezeiten sind anders als bei der Fahrt von Flensburg nach München mit dem E-Auto dann kein Problem.
Die Herausforderungen für das Erreichen der ambitionierten, wie notwendigen Klimaziele sind hoch. Es ist daher eine gesellschaftliche Aufgabe, diese Ziele zu erreichen. Private Käufer wie institutionelle Anleger sind dafür unabdingbare Partner.
Dieser Artikel erschien am 16.07.2024 im Immobilienmanager.
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