ESG – warum institutionelle Investoren jetzt Haltung zeigen müssen
17. Apr. 2025

Thomas Rolf Hermes | FRANK
17. Apr. 2025
Thomas Rolf Hermes | FRANK
Während einige große Player, vor allem aus den USA, deutliche Signale der Abkehr von ESG-Investitionen senden – unter anderem sichtbar durch den Rückzug großer Investmenthäuser wie BlackRock –, stehen deutsche und europäische Investoren vor einer anderen Realität. Trotz derzeitiger regulatorischer Unsicherheiten, wie der unklaren Haltung der Bundesregierung zum Gebäudeenergiegesetz, sind ESG-Kriterien kein modernes Marketing-Buzzwording.
Vielmehr sind sie in vielen Fällen schon als langfristige strategische Anforderungen fest verankert und beeinflussen die Wertentwicklung von Immobilieninvestitionen maßgeblich. Schwarz auf weiß hat das unter anderem Knight Frank in einer Studie aus dem Jahr 2021 belegt: Für Prime-Büroimmobilien in London konnte dort ein Green Premium in Höhe von zwölf Prozent erzielt werden. Und dabei haben sich seit dem Zeitpunkt die Betriebskosten von Immobilien nicht gerade unwesentlich erhöht.
Zusätzlich nehmen die regulatorischen Anforderungen innerhalb der EU nicht ab, sondern zu – das zeigen Vorgaben wie die EU-Taxonomie, die Offenlegungsverordnung (SFDR) und insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Obwohl der jüngste Vorschlag einer Omnibus-Verordnung mögliche kurzfristige Abschwächungen vorsieht, wird dies für große und mittelständische Unternehmen keine langfristige Entlastung bringen. Auch muss unterschieden werden, dass es bei Omnibus eher darum geht, die Berichtspflichten für einen Großteil der Immobilienbranche zu vereinfachen. An der generellen Ausrichtung, ressourcenschonender mit unserem Planeten umzugehen, jedoch nicht. Und so sehen sich auch institutionelle Investoren mit einer anhaltenden Komplexität konfrontiert: Sie müssen ihre internen Prozesse anpassen, umfassende ESG-Analysen durchführen und diese transparent offenlegen. Entsprechende Daten bestimmen darüber hinaus zunehmend die Investmententscheidungen und Portfoliogestaltung institutioneller Anleger.
Sozialer Impact als strategischer Hebel
Wenn es um konkrete Maßnahmen und strategische Ausrichtungen geht, steht jedoch bei den meisten Akteuren vor allem der ökologische Aspekt im Vordergrund: So zeigt die aktuelle Umfrage „Professional Investor DNA Survey“ von Fidelity und Crisil Coalition Greenwich, dass der Großteil der befragten europäischen und asiatischen Investoren den Faktor „E“ in ESG als am wichtigsten erachten, der Buchstabe „S“ belegte dabei den dritten und damit letzten Platz. Doch: Während ökologische Maßnahmen oftmals kapitalintensiv und anfällig für technologische und politische Veränderungen sind, gewinnt der soziale Aspekt (S) immer stärker an Bedeutung. Denn tatsächlich bieten soziale Investitionen institutionellen Anlegern eine wichtige Ergänzung mit nicht nur gesellschaftlichem, sondern auch wirtschaftlichem Mehrwert, der auch durch Initiativen wie der Social Impact Investing-Initiative auf dem Papier in Form einer sozialen Rendite sichtbar werden wird.
Dabei können soziale Maßnahmen oftmals mit weniger Aufwand umgesetzt werden. Denn vielfach zeigt sich, dass Investitionen mit sozialer Wirkung hinsichtlich ihrer Renditeerwartungen durchaus mit traditionellen Anlageformen konkurrieren können oder diese teilweise sogar übersteigen. Gemäß der Marktstudie „Process Management Real Estate Monitor 2023“ besteht bei Wohnungsmietern eine um 4,3 Prozent höhere Zahlungsbereitschaft für Immobilien, die einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl der Bewohner leisten. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt demnach bei gesundheitsfördernden Immobilien oder bei Objekten mit einer guten Anbindung an Fahrradwege und den öffentlichen Nahverkehr. Geringinvestive Maßnahmen wie barrierefreie Zugänge, gemeinschaftliche Einrichtungen und Grünanlagen erhöhen also die Mieterzufriedenheit und ‑bindung erheblich und steigern nachweislich die Attraktivität von Immobilien.
Viele dieser Maßnahmen bedeuten einen geringen Investitionsaufwand – und eher eine quartiersbezogene Planung, was sowohl im Neubau als auch im Bestand frühestmöglich berücksichtigt werden sollte. Denn nur in diesem frühen Stadium können wirkungsvolle Maßnahmen auch vergleichsweise kostensparend integriert werden und einen deutlichen Unterschied im Gesamtgefüge machen.
Diese Entwicklung wird natürlich zusätzlich durch gesellschaftliche Trends bestimmt, die gekommen sind, um zu bleiben, etwa Diversität, Gemeinschaft und Well-being. Und auch Initiativen zur standardisierten Messung des sozialen Impacts, wie die EU-Plattform für nachhaltige Finanzen oder Modelle wie „Livable Places“, stärken die Entwicklung und die Präsenz des „S“ als ernst zu nehmende Kennzahl neben dem „E“ und dem „G“.
Die Auswirkungen sind real
Auch wenn einzelne Länder oder Investoren zeitweilig zurückrudern: ESG bleibt in Europa ein strategischer Schlüsselfaktor für langfristigen Anlageerfolg und Risikomanagement. Wer heute Umwelt‑, Sozial- und Governance-Kriterien konsequent in seine Investitionsentscheidungen einbezieht, sichert sich nicht nur langfristige Wettbewerbsvorteile, sondern positioniert sich auch resilient gegenüber den strukturellen Veränderungen unserer Zeit.
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Umgebung und uns als Gesellschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Umso wichtiger das Investoren in Europa jetzt Verantwortung übernehmen und Haltung zeigen, ESG-Themen ernsthaft integrieren und sowohl ökologische als auch soziale Aspekte in den Vordergrund stellen, ist unentbehrlich. Schließlich ist aufgeschoben nicht aufgehoben!
ESG ist und war weder ein vorübergehender Trend noch eine freiwillige Kür, sondern ein integraler Bestandteil für langfristig wirtschaftlichen Erfolg und vor allem für uns als Gesellschaft. Wenn nicht wir, wer sonst sollte diese Aufgabe meistern?
Dieser Beitrag erschien am 08.04.2025 auf der Website von Intelligent Investors.
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