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Des Deutschen liebstes Kind

21. Feb 2021

Dirk Wohltorf  |  IVD

Das Einfamilienhaus, des Deutschen liebstes Kind, steht plötzlich in der Kritik. Politiker meinen, der Neubau von Einfamilienhäusern benötige zu viel Fläche, die Bewohner nutzten pro Person zu viel Wohnraum und verbrauchten überdies mehr Energie. Bei manchen in der Immobilienwirtschaft geht da sofort der Ideologiereflex los: Man wolle Wohlstand und Vermögensaufbau unterbinden, gar den Menschen vorschreiben, wie sie richtig zu leben hätten. So einfach ist das aber nicht, und wir sollten klar trennen.

30 % der deutschen Bevölkerung lebt in Einfamilienhäusern. Eine absolute Mehrheit wünscht sich ein Eigenheim als Wohneigentum – die Umfragen pendeln zwischen 60 % und 96 %. Das Einfamilienhaus bildet damit die Speerspitze der Verwirklichung eines gewissen Lebenstraums. Die Pandemie hat diese Sehnsucht nochmals bekräftigt, das Thema ‚Stadtflucht‘ ist für viele junge Familien wichtiger denn je. Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern ist so hoch wie seit Jahren nicht, und da das Angebot weiterhin gering ist, steigen die Preise fast überall. Zudem tun Eigenheimkäufer etwas für die Entlastung des Sozialstaates: Besitzer von Einfamilienhäusern fallen dem Staat im Alter weitaus seltener zur Last.

Auf der anderen Seite ist die Debatte, wie wir in Zukunft im Wohnsegment mit unseren Ressourcen umgehen werden, längst überfällig. Diese Debatte ist essenziell im Kampf gegen den Klimawandel, und in der Tat: Wohnraum und insbesondere Wohnraum in Einfamilienhäusern verbraucht rein rechnerisch mehr Energie. Wir alle kennen die Bergmannsche Regel: Je näher am Südpol, desto größer der Pinguin, da das Verhältnis zwischen Oberfläche und Volumen und damit auch der relative Energieverbrauch mit zunehmender Größe abnimmt.

Der Wohnungsbau ist aber kein Pinguin, und das ist die große Gefahr der aktuellen Debatte, weil dann Forschung, Wissenschaft und Bau in einen Topf mit Grundkenntnissen in Biologie geworfen werden. Dass Einfamilienhäuser Umweltsünden sind, scheint ein Naturgesetz zu sein, gegen das es nur ein Mittel gibt: ihr Verbot. Das stelle ich infrage. Es lässt sich nicht pauschal sagen, dass neue Einfamilienhäuser weniger nachhaltig sind als Bestände oder als der konventionelle Geschosswohnungsbau. Seit den 1990er Jahren werden in Deutschland immer mehr Null- und Niedrigenergiehäuser gebaut. Es entstehen immer mehr Einfamilienhäuser, die während der Nutzung keine bis kaum zusätzliche Energie verbrauchen und deren Energierücklaufzeit von Jahr zu Jahr kürzer wird. Ihren Neubau zu verbieten, würde der gesellschaftlichen Maßgabe nach ‚Forderung durch Förderung‘ zuwiderlaufen.

Ein weiteres Thema sind etwa die Bestände der 60er und 70er Jahre, als der Traum vom Eigenheim in der Bundesrepublik erstmals Wirklichkeit wurde. Die kleinen Fertighäuser nach heutigen Standards zu ertüchtigen, ist in der Praxis kaum möglich. Eternithaltiger Asbest und Formaldehyd galten seinerzeit als letzter Stand der Bautechnik. Häufig ist da der Abriss bis auf die Grundmauern effizienter und nachhaltiger als der verzweifelte Versuch, die gesundheitsschädlichen Bauteile auszuwechseln.

Die Frage, wann Sanierung und wann Neubau sinnvoll ist, lässt sich nicht in einer Verbotsdiskussion beantworten. Ebenso wenig, wie sich der Wunsch nach dem Eigenheim verbieten ließe. Beide sind ein Gradmesser dafür, wie wichtig beides für die Menschen in unserem Land ist. Man kann daher nur davor warnen, die Debatte zu verkürzen und die Wohnungsfrage gegen den Klimaschutz auszuspielen. Das ist realitätsfremd und führt nur dazu, Bevölkerung und Politik weiter voneinander zu entfremden.

Dieser Artikel erschien leicht gekürzt am 18.2. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.