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Mit Wohnungsneubauten in eine nachhaltige Zukunft

18. Apr 2022

Prof. Dr. Steffen Metzner MRICS  |  Empira

Die Investition in Wohnprojektentwicklungen ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch sinnvoll. Der Neubau von Wohnimmobilien bringt erheblich größere Energie- und Emissions-Einsparpotenziale mit sich als Sanierungen im Bestand. Das zeigt eine aktuelle Studie der Empira Group, die den Wohnungsbestand in Deutschland und Europa sowie dessen Energiebilanz in den Fokus nimmt.

Wenn es um Klimaschutz geht, bleibt Deutschland in vielen Wirtschaftssektoren hinter den selbst gesetzten Zielen zurück. Auch bei Wohnraumnutzungen ist in puncto Nachhaltigkeit noch Luft nach oben. Deutschlandweit gibt es zu wenige energieeffiziente Wohngebäude. Dass die ehrgeizigen Klimaschutzziele mit dem Status quo nicht zu erreichen sind, verdeutlicht die Studie aus dem Herbst 2021. Als wesentliche Katalysatoren, um die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit nachhaltig zu schließen, werden Neubauten identifiziert, die eine deutlich bessere Energie- und Klimabilanz aufweisen als sanierte Bestandsgebäude.

Immobilienunternehmen spielen eine elementare Rolle beim Klimaschutz
Professionell agierenden Immobilienunternehmen kommt damit eine elementare Rolle beim Klimaschutz zu. Ausgestattet mit umfangreichen privaten Investitionsmitteln schaffen sie mit ihren Neubauprojekten ohne Belastung öffentlicher Haushalte die meiste Wohnfläche. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Städtebau, Ökologie und soziale Qualität sind dabei weder konkurrierende Ziele noch fragliche Kompromisslösungen. Sinnvolles Bauen beinhaltet immer eine langfristige Nutzung der Gebäude und damit eine Investition in Nachhaltigkeit – ein Aspekt, der vor allem für institutionelle Anleger auf der Suche nach einem attraktiven Risiko-Rendite-Profil immer mehr in den Vordergrund rückt.

Private Haushalte sind derzeit noch verantwortlich für ein Viertel des gesamten Endenergieverbrauches in Deutschland. Die bisherigen Anstrengungen, diesen Verbrauch mithilfe energiesparender Technologien und energiepolitischer Anreize zu senken, haben bisher nur eine geringe Wirkung gezeigt: Während er im Gewerbe seit 1990 um 22,6 % und in der Industrie um 14,9  % zurückging, blieb er in privaten Haushalten mit einer geringfügigen Verringerung um 2,6  % nahezu konstant.

Während sich der Energiebedarf für Raumwärme bis 2013 zunächst zügig verringerte (Maximalwert 2013: −  19  %), stieg er danach wieder, sodass sich über den gesamten Zeitraum seit 2000 nur eine Senkung um 8  % ergibt. Für die Warmwassererzeugung zeigt sich sogar ein gegenläufiger Trend. Hierbei erhöhte sich der Energiebedarf um 32  %. Ebenso legten die Energiekosten für den Betrieb von Endgeräten um 8  % zu.

Eine der Ursachen für diese ernüchternden Ergebnisse ist die steigende Pro-Kopf-Beanspruchung von Wohnraum in nahezu allen Regionen Deutschlands. Es werden immer größere und zunehmend mehr Wohnungen genutzt. Zwei wesentliche Gründe dafür sind die vor allem in städtischen Ballungsräumen zu beobachtende steigende Anzahl der Singlehaushalte und höhere Ansprüche an die Wohnqualität. Auch in Zukunft wird diese Entwicklung anhalten, die sich im Übrigen in den meisten anderen EU-Ländern ebenso abzeichnet.

Alternativ auch mögliche Einspareffekte aus einer quantitativ weniger intensiven Wohnflächennutzung sind demnach aktuell nicht absehbar. Im Gegenteil: Der steigende Wohnraumbedarf und die größere Haushaltsanzahl sprechen eher für einen tendenziell höheren Energieverbrauch – pro Kopf und in der Summe. Es bedarf also anderer Hebel, die zu einer signifikanten und vor allem langfristigen Einsparung von Energie und einer Reduzierung von CO2-Emissionen führen.

Größter Part bei Raumwärme
Mit 87  % hat in Deutschland der Verbrauch für Heizung und Warmwasser einen wesentlichen Anteil an der von privaten Haushalten benötigten Energie. Den größten Part hat dabei die Raumwärme mit 73  % inne. In EU-Ländern mit vergleichbaren klimatischen Bedingungen verhält es sich ähnlich. Wenn sich also bei der Wärmeerzeugung und -verwendung Einsparpotenziale realisieren lassen oder dabei zumindest CO2-optimale Technologien an Verbreitung gewinnen, wird die Gesamtzahl aller privaten Haushalte einen maßgeblichen Beitrag zum Erreichen der CO2-Ziele leisten. Doch wie lässt sich das bewerkstelligen?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in den vergangenen Jahrzehnten mit den Wärmeschutz- und Energieeinsparverordnungen und auch jüngst mit dem Gebäudeenergiegesetz 2020 auf den Weg gebracht wurden, sprechen eine deutliche Sprache: Gesetz- und Verordnungsgeber setzen vor allem auf eine bessere energetische Qualität sowie auf erneuerbare Energien in Gebäuden. In der Vergangenheit hat sich in diesen Bereichen bereits einiges getan: Die in früheren Zeiten dominierende Kohle kommt nur noch selten bei der Wärmeerzeugung zum Einsatz. Der Verbrauch von Heizöl in privaten Haushalten sinkt, während erneuerbare Energien immer mehr auf dem Vormarsch sind.

Allerdings genügt das noch längst nicht. Um das vom Bund ausgegebene Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes zu realisieren, sind ein wesentlich höherer Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeerzeugung und/oder deutlich energieeffizientere Gebäude notwendig.

Alter und Erhaltungszustand
Die Studie identifiziert den Typ und vor allem das Alter sowie den Erhaltungszustand von Gebäuden als Faktoren, die Einfluss auf die Energiebilanz haben. Der Heizenergiebedarf bei kleineren Ein- und Zweifamilienhäusern ist pro Flächeneinheit im Durchschnitt mit ca. 15,4 kWh/qm etwas höher als bei Mehrfamilienhäusern. Das liegt unter anderem daran, dass die technischen Anlagen in größeren Objekten effizienter betrieben werden können.

Der Gebäudetyp ist jedoch nur ein Aspekt, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Noch mehr Auswirkungen auf die Energieeffizienz haben das Alter und der Erhaltungszustand von Gebäuden, vor allem bezogen auf den Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasser. Dies zeigen Daten zum Energieverbrauch, die nach dem Zustand des Gebäudes differenzieren: Während sich energetisch nicht oder nur zum Teil modernisierte Objekte kaum in ihrem Verbrauch unterscheiden (151 kWh/qm gegenüber 143 kWh/qm p. a.), sind vollsanierte Wohngebäude wesentlich energieeffizienter (115 kWh/qm). Klare Effizienzsieger sind mit 89 kWh pro m2 Neubauten (ab Baujahr 2002), die nach aktuellen technischen Standards errichtet wurden. Sie verbrauchen ca. 40  % weniger Heizenergie als unsanierte Gebäude.

Fokus auf Ballungsräumen
Vor allem mit vollsanierten und neuen Wohngebäuden ließen sich also erhebliche Einsparpotenziale im Bereich der besonders relevanten Heizenergie erzielen. Allerdings machen sie derzeit nur 13  % des gesamten deutschen Wohngebäudebestandes aus, wie die Studie veranschaulicht. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit seiner Anzahl energieeffizienter Neubauten mit Baujahr ab 2000 deutlich hinter anderen Ländern. Und auch aktuelle Wohnungsbauprojekte gibt es hierzulande, verglichen mit anderen EU-Staaten, nur relativ wenige.

Um aufzuholen, braucht es dringend mehr und schnelleren Wohnungsbau. Vor dem Hintergrund der Diskussion um angespannte Wohnungsmärkte sollte der Fokus vor allem auf den Ballungsräumen liegen. Dort können soziale, ökologische und wirtschaftliche Ziele am besten miteinander verbunden werden. Die öffentliche Hand und Privatpersonen haben als Initiatoren solcher Entwicklungsprojekte nur eine untergeordnete Bedeutung. Für den Großteil aller Wohnungsneubauten zeichnen – gemessen an der Wohnfläche – die gewerblichen Immobilienunternehmen und institutionelle wie private Investoren verantwortlich. Ihnen kommt damit bereits heute und auch in Zukunft eine entscheidende Rolle zu, wenn es um Nachhaltigkeit geht: Ihr Investment in Wohnungsprojekte ist zugleich eine Investition in den Klimaschutz.

Dieser Artikel erschien am 9.4. in der Sonderbeilage der BÖRSEN-ZEITUNG.

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