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Chancen ergreifen mit ausreichend Liquidität und ein bisschen Mut

18. Okt 2020

Tomasz Dukala  |  EPH European Property Holdings

Die Corona-Krise hat zweifellos zu einem weltweiten konjunkturellen Einbruch historischen Ausmaßes geführt. Aber vergessen wir dabei nicht: Die Fallhöhe ist auch deshalb so groß und der Absturz so steil, weil wir zuvor in vielen Ländern Europas in vielerlei Hinsicht historische Gipfel erklommen haben. In den Kernmärkten Europas lag zu Beginn des Jahres 2020 praktisch ein Jahrzehnt nahezu kontinuierlicher Anstiege der Kaufpreise für Immobilien, Mieten und Transaktionszahlen hinter uns – ein goldenes Jahrzehnt also. Die Frage ist, ob diese Zeit nun endgültig und irreversibel an ihr Ende gekommen ist oder ob die Covid-19-Pandemie nur eine Schramme auf dem Glanz hinterlässt und danach nahtlos an die goldenen Jahre angeknüpft werden kann.

Das hängt in erster Linie davon ab, wie es bei der Bekämpfung des Virus weitergeht, und das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Trotzdem sollte überlegt werden, was denn in den vergangenen Jahren die wesentlichen Treiber des Booms an den Immobilienmärkten waren und ob sie weiterhin wirksam sind. Für den Aufschwung gab es im Wesentlichen drei Gründe: Erstens stand Investoren sehr viel Liquidität zur Verfügung, die an den klassischen Investmentmärkten wie in Staatsanleihen nicht mehr zu auskömmlichen Renditen allokiert werden konnte. Ausweichziel waren oftmals Immobilien. Zweitens führte das Niedrigzinsumfeld zu sehr günstigen Finanzierungsbedingungen, was gehebelte Immobilieninvestments attraktiver machte. Und drittens schließlich sorgte die starke Entwicklung der Konjunktur und auf dem Arbeitsmarkt für eine hohe Flächennachfrage in den meisten Segmenten des Immobilienmarkts – und für die Bereitschaft, steigende Mieten zu akzeptieren.

Einige dieser Faktoren sind durch die Corona-Krise zumindest vorübergehend außer Kraft gesetzt: Liquidität ist bei den meisten Investoren vorhanden, doch viele halten jetzt ihr Pulver trocken, um ein Polster für etwaige Forderungsausfälle bereitzuhalten. Das Niedrigzinsumfeld wird seitens der Notenbanken anhalten, doch viele Kreditinstitute erhöhen derzeit ihre Risikoprämien: Die Konditionen der Immobilienfinanzierer ziehen merklich an, allerdings noch immer auf historisch äußerst niedrigem Niveau. Hinzu kommt, dass in einigen Branchen ein Anstieg des Insolvenzgeschehens zu befürchten ist, was zu vorübergehenden Leerständen führen kann. Ein höheres Leerstandsrisiko sowie geringere zu erwartende Mieterlöse wirken sich über kurz oder lang auf die Bewertung der Immobilie aus. Der Impact der Corona-Krise auf die Immobilienmärkte lässt sich also nicht leugnen. Doch sollte man die Kirche im Dorf lassen: Trotz der Bewertungsrückgänge liegen wir im Durchschnitt noch immer über dem schon hohen Niveau von 2016 oder 2017. Wer also als langfristiger Investor schon vor ein paar Jahren investiert hat, muss jetzt nicht in Panik verfallen.

Mehr noch: Wer jetzt über ausreichend Liquidität verfügt und ein bisschen Mut mitbringt, für den ergeben sich angesichts der Gesamtlage spannende Opportunitäten. Waren vor Ausbruch der Corona-Krise die Investmentmärkte nahezu abgegrast und in vielen Fällen überteuert, eröffnen sich nun völlig neue Optionen. So werden beispielsweise viele bereits fest vereinbarte Transaktionen abgebrochen, weil die ursprünglich vereinbarten Preisniveaus korrigiert werden müssen, Käufer und Verkäufer sich in Nachverhandlungen aber nicht auf einen neuen Preis einigen können. Der verhinderte Verkäufer sucht dann in der Regel nach alternativen Kaufinteressenten, die vor der Krise das Wettbieten nicht bis zum Ende mitgegangen sind – und jetzt unverhofft eine zweite Chance bekommen.

Diese zweite Chance rechnet sich für Investoren nur dann, wenn sie drei Bedingungen erfüllen: Erstens müssen sie aus fundamentalen Gründen von dem Investment überzeugt sein. Dieses Urteil gründet sich auf Kriterien wie Lage und Zustand des Objekts, Bestandsmieter, Vermietbarkeit, prognostizierte Mieteinkünfte, nicht aber auf Ausnahmesituationen.

Zweitens müssen sie vom jeweiligen Markt überzeugt sein. Deutsche Investoren sehen ihren Heimatmarkt oftmals kritisch. Der Blick aus dem Ausland fällt bisweilen milder aus: Für an langfristiger Stabilität und nachhaltiger Entwicklung orientierte Investoren hat sich kaum ein Land in den vergangenen Jahren als so günstig erwiesen wie Deutschland. Und wie es scheint, wird die Corona-Krise mit ihren konjunkturellen und sozialen Nebenwirkungen besser gemeistert als in anderen Ländern und Regionen. An der Flächenknappheit in deutschen Metropolen wird sich langfristig auch durch Corona nichts ändern.

Drittens schließlich sollte eine konkrete und langfristige wirtschaftliche Perspektive für das Investment bestehen – und das Know-how und die Ausdauer, eine vorübergehende Krise zu meistern. Dafür bedarf es neben Marktkenntnis und Mut eines engagierten aktiven Assetmanagements. Auch weil sich der Immobilienmarkt strukturell verändert: kleinteilige Anmietungen, kürzere und flexiblere Mietverträge, anspruchsvollere Mieter. Die Branche gewinnt an Komplexität, die es zu stemmen gilt.

Dieser Artikel erschien in der AIZ 9/2020.