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Warum Energiegewinnung aus Abfall eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielt – Power-from-Waste ist keine Nische

13. Juni 2025

Janin Söder / Graham Matthews  |  PATRIZIA

Die Energiewende ist in vollem Gange – doch sie lässt sich nicht allein mit Windenergie- und Photovoltaikparks zum Erfolg führen. Der weitere Ausbau von Wind und Solarenergie ist zwar zentral, reicht allein jedoch nicht aus, um das Dreieck aus Versorgungssicherheit, Dekarbonisierung und bezahlbarer Energiepreise in Einklang zu bringen.

Gefragt sind deshalb ergänzende und ebenso nachhaltige Lösungen, die auch dann zur Grundlastfähigkeit des Stromnetzes beitragen können, wenn Sonne und Wind nicht zur Verfügung stehen. Ein Beispiel, das zuletzt in der breiten Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung fand, ist die Energiegewinnung aus Abfall („Power-from-Waste“).

Nun ist die klassische Müllverbrennung keine neue Erfindung – und genießt unter ökologischen Gesichtspunkten nicht immer unbedingt den besten Ruf. Praktisch ja, weil man zwei Fliegen – Müllentsorgung und Stromerzeugung – mit einer Klappe schlägt, aber auch wirklich sauber? Doch diese Skepsis deckt sich längst nicht mehr mit der aktuellen Realität: Power-from-Waste ist ein sehr vielfältiger, hochrelevanter, technologisch ausgereifter, sauberer und klimafreundlicher sowie wachstumsstarker Bereich der nachhaltigen Infrastruktur – und für langfristig orientierte Investoren eine oftmals unterschätzte Chance.

Saubere Energie
Power-from-Waste im moderneren Sinne bezeichnet Technologien, mit denen überwiegend organische Abfallstoffe in nutzbare Energie umgewandelt werden – also in Form von Biogas, Strom, Wärme oder synthetischen Kraftstoffen. Zum Einsatz kommen thermische Verfahren wie Verbrennung und Vergasung ebenso wie biologische Ansätze wie Anaerobvergärung oder Pyrolyse (vulgo: Verschwefelung wie bei Holzkohle).

Dabei lassen sich bei Weitem nicht nur Haushaltsabfälle nutzen, sondern auch industrielle und kommunale Reststoffe, die andernfalls deponiert oder verbrannt würden – oft unter CO2-emissionsintensiven Bedingungen. Die energetische Nutzung trägt somit zur Vermeidung von CO2– und Methanemissionen, zur Kreislaufwirtschaft und zur Substitution fossiler Energieträger bei. Auch die Nutzung landwirtschaftlicher Rest- und Abfallprodukte zur Energiegewinnung in Form von Biogas oder Ethanol ist letztlich eine Form von Power-from-Waste.

Da Abfall als Ressource grundsätzlich konstant verfügbar ist, bietet Power-from-Waste nicht nur ökologische, sondern auch systemische Vorteile: Power-from-Waste kann Versorgungslücken schließen, lokale Netze stabilisieren und die Resilienz der Energieinfrastruktur erhöhen. Zugleich entstehen durch die thermische oder biologische Umwandlung Nebenprodukte wie Asche, Dünger oder Sekundärrohstoffe, die in industriellen Stoffkreisläufen weiterverwendet werden können.

Damit erfüllt der Sektor gleich mehrere ESG-Kriterien (Environment Social Governance) – von CO2-Reduktion über Ressourceneffizienz und kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien bis hin zu kommunaler Daseinsvorsorge. Solche umfassenderen Lösungen für die Kreislaufwirtschaft dürften auch bei dem geplanten 500-Mrd.-Euro-Infrastrukturprogramm der neuen Bundesregierung eine Rolle spielen, schließlich sind 100 Mrd. Euro davon für klimarelevante Maßnahmen vorgesehen, die über den unabhängigen Klima- und Wirtschaftstransformationsfonds (KTF) verwaltet werden.

Power-from-Waste ist keine Nische, sondern eine in all ihrer Vielfalt etablierte Technologie. In Europa ist die Zahl entsprechender Anlagen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. In den kommenden Jahren werden zusätzliche Milliardeninvestitionen erforderlich sein, um das energetische und ökologische Potenzial weiter auszuschöpfen. Für institutionelle Investoren mit langfristigem Horizont ist dieser Sektor auch deshalb interessant, weil die Erlöse vieler Anlagen durch langlaufende Verträge mit kommunalen oder industriellen Partnern gut planbar sind – sowohl was die Zulieferung der Ressourcen als auch die Abnahme der Energie, etwa durch langfristige Stromabnahmeverträge mit Großverbrauchern (PPAs), betrifft. Hinzu kommt der politische Druck, Deponien möglichst zu vermeiden. Schließlich lässt sich nicht alles recyclen.

Doch wie wird aus dieser Theorie ein konkreter Investment-Case? Dazu ein anschauliches Beispiel aus Italien. Dort gehört das Unternehmen Greenthesis zu den führenden Plattformen für integriertes Abfallmanagement, Umweltservices und Energiegewinnung aus Reststoffen. Es betreibt mehr als 20 spezialisierte Standorte mit einem Fokus auf Dekontaminierung, Abwasserbehandlung und Energieproduktion. Durch Investitionen in solche Unternehmen über Private-Equity-Plattformen lassen sich nicht nur attraktive risikoadjustierte Renditen erzielen – es entstehen zugleich konkrete Beiträge zur Dekarbonisierung der Industrie und zur lokalen Kreislaufwirtschaft. Gerade in Südeuropa besteht hierbei ein gewisser Aufholbedarf – und damit eine Chance für transformative Infrastrukturinvestitionen.

Power-from-Waste-Projekte verbinden somit planbare Cashflows mit positiver Umwelt- und Klimawirkung – ein weiterhin sehr gefragtes Profil bei institutionellen und nicht zuletzt auch vielen privaten Investoren. Regulatorisch wird dieses Segment ebenfalls begünstigt: Im Rahmen der EU-Taxonomie werden bestimmte Formen der Energiegewinnung aus Abfall bereits als nachhaltig klassifiziert, sofern technische Schwellenwerte eingehalten werden. Zudem eröffnet es Zugang zu Förderprogrammen, „grünem“ Fremdkapital sowie potenziell positiven Auswirkungen auf die SFDR-Klassifikation (Sustainable Finance Disclosure Regulation) eines Fondsportfolios. Nachhaltigkeit bedeutet immer auch, verborgene Potenziale zu heben – etwa dort, wo Müll zu Methan, Schlamm zu Strom und Reststoffe zu Ressourcen werden. 

Dieser Beitrag erschien am 14.06.2025 in der Börsen-Zeitung.

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