Immobilienrendite – sehen Investoren die Sechs vor dem Komma?
12. Jan 2024
12. Jan 2024
Der Head of Research Germany bei CBRE analysiert die aktuelle Lage am deutschen Immobilienmarkt und kommt nach Abwägung diverser wichtiger Einflussfaktoren zu einer durchaus optimistischen Einschätzung für das Immobiliensegment. Bis dahin sollten Anleger Nerven wie Drahtseile haben.
Die Vorweihnachtszeit des Immobilienjahrs 2023 war alles andere als ruhig – und sogar in der Zeit zwischen den Jahren rissen die Schlagzeilen nicht ab. Doch nicht alle dieser Neuigkeiten sind schlecht. Vielmehr starten wir mit einer scheinbar widersprüchlichen Mischung aus positiveren wirtschaftlichen Indikatoren und nach wie vor zurückgehenden Preisen in das Jahr 2024. Welche kurz- bis mittelfristigen Entwicklungen werden die Märkte also prägen? Eine Antwort darauf gibt Dr. Jan Linsin, Head of Research Germany, CBRE, in einer aktuellen Analyse.
Die positive Seite: Der Zinserhöhungszyklus scheint beendet
Die Sitzung der US-Notenbank Fed am 14. Dezember löste eine regelrechte Rallye auf den weltweiten Aktien- und Anleihemärkten aus. Angesichts deutlich zurückgehender Inflationszahlen wurden sogar mehrere Zinssenkungen für das Jahr 2024 in Aussicht gestellt. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England ließen den Leitzins unangetastet, sodass einige Medien bereits von einem Kurswechsel sprachen. Die zinssensitive Immobilienbranche reagierte ebenfalls sehr positiv auf diese Neuigkeiten. Es ist indes denkbar, dass die EZB angesichts der höheren Inflationswerte zunächst vorsichtigere Töne anschlagen wird als die Kollegen der Fed.
Tatsächlich erleben wir laut Linsin in der Praxis, dass die Finanzierungszinsen spürbar zurückgegangen sind: Nach einem Peak in der Jahresmitte 2023 bewegen sie sich wieder in etwa auf dem Niveau von vor einem Jahr. Auch CBREs Analysen legen nahe, dass der Zinserhöhungszyklus der EZB beendet ist. Die Frage sei nur, wann die Zinsen wieder sinken.
Das ideale Szenario beschreibt Zinssenkungen bereits ab Februar. CBREs Basisszenario geht von unveränderten Zinssätzen bis in das zweite Quartal 2024 aus und liegt dementsprechend zeitlich hinter den Markterwartungen. Doch selbst das würde eine deutliche Erleichterung verglichen mit den Erwartungen von vor einem halben Jahr darstellen. Das Worst-Case-Szenario weiterer Zinserhöhungen scheint nur in dem Fall realistisch, dass die Inflation nochmals einen unerwarteten, heftigen Schub erhält.
Die insgesamt positive Aussicht auf die „Wende der Zinswende“ hat zudem dazu geführt, dass die meisten Staatsanleiherenditen in der Eurozone seit Ende September um mindestens 100 Basispunkte gesunken sind. Das wiederum stellt aus Sicht der Immobilienmärkte eine gewisse Erleichterung dar, da der Renditespread zwischen Immobilien und Staatsanleihen wieder etwas größer wird. Der Spread zwischen Immobilien und Blue-Chip-Unternehmensanleihen ist hingegen in vielen Fällen nach wie vor negativ.
Die negative Seite: Die Bodenbildung ist noch nicht erreicht
Der zweite zentrale Grund für den wachsenden Renditespread zur Staatsanleihe ist für Immobilienverkäufer weniger positiv: Während die Renditen der Staatsanleihen sinken, steigen die Immobilienrenditen bei sinkenden Kaufpreisen weiter. Das liegt daran, dass sich die Auswirkungen der vergangenen Zinserhöhungen noch nicht vollumfänglich in den Immobilienbewertungen zeigen.
Dementsprechend zeigen CBREs Analysen, dass die durchschnittlichen Preisabschläge selbst bei großvolumigen Core-Immobilien mit hohem Nachhaltigkeitsstandard zuletzt eher zugenommen haben. Während Ende 2022 durchschnittlich 20 Prozent Preisabschläge verglichen mit 2021 zur Realität gehörten, lag der Abschlag zum Jahresende 2023 bereits bei ganzen 33 Prozent (bei gleichbleibendem Referenzjahr).
Im Dezember haben die Spitzenrenditen für solche Büroobjekte in den deutschen Top-Städten die Fünf-Prozent-Grenze durchbrochen. Diese Entwicklung ist auch in den anderen europäischen Städten zu sehen. Verglichen mit dem Tiefststand aus dem Jahr 2021 liegen die Renditen im Durchschnitt der deutschen Metropolen aktuell um 2,4 Prozentpunkte höher. Auch werden die strukturellen Veränderungen durch den New-Work-Trend aktuell mit einer gewissen Risikoprämie bedacht. Hinzu kommt der psychologische Effekt einer solchen negativen Preisspirale. Käufer könnten also animiert werden, den Preis nochmals nachzuverhandeln und zu drücken.
Eine weitere Folge wäre: Wer nicht verkaufen muss, der verkauft auch nicht, hält Linsin fest. Dementsprechend sind die Transaktionsvolumina zum Jahreswechsel extrem niedrig. In Frankfurt am Main wurde im vierten Quartal 2023 nicht eine einzige großvolumige Büroimmobilientransaktion registriert. Es dürfte noch etwas dauern, bis wir wieder aktivere Märkte sehen, da selbst beim eingangs erwähnten Best-Case-Szenario Monate ins Land gehen werden, bis aus den neuen Transaktionsvorhaben auch handfeste Abschlüsse werden.
Jedoch dürfte das Investmentjahr 2024 deutlich dynamischer werden als das Vorjahr, in dem insgesamt gut 28,5 Milliarden Euro beim Investmenttransaktionsvolumen registriert wurden. Neben einer Vielzahl von größeren Transaktionen, die in den vergangenen Monaten aufgrund der ungewissen Marktlage noch aufgeschoben wurden, rechnet CBRE auch mit deutlich mehr notleidenden Immobilieninvestments (sogenannte Fire Sales), die insbesondere opportunistische Investoren auf den Plan rufen. „Zusätzliches Angebot erwarten wir auch vonseiten der offen Immobilienfonds, die sich auch im Hinblick auf die Einhaltung der selbst gesteckten ESG-Kriterien von Teilen ihrer Portfolios trennen werden“, prognostiziert Linsin.
Folgt auf die Fünf nun die Sechs vor dem Komma?
Vor diesem Hintergrund ist die Frage nur allzu berechtigt, wie lange die negative Kaufpreisentwicklung noch anhält. Hierbei kann ein Blick in die Vergangenheit aufschlussreich sein: Sowohl im berüchtigten Krisenjahr 2009 als auch im weniger „prominenten“ Rezessionsjahr 2004 lag der Peak bei 5,4 beziehungsweise 5,3 Prozent. Dieser Wert würde verglichen mit dem jetzigen Stand nochmals einen deutlichen Abschwung darstellen.
Es ist hingegen unwahrscheinlich, dass die Renditen im Jahr 2024 die Referenzwerte deutlich überschreiten – schon allein, weil die Spitzenmieten weitestgehend stabil geblieben sind und sich im Premiumsegment der Trend zu weiter steigenden Mieten angesichts der Angebotsverknappung abzeichnet. Den Ausschlag nach unten (beziehungsweise in der Renditekurve nach oben) könnte vor allem das eingangs erwähnte Szenario eines neuerlichen starken Inflationsschubs darstellen, auf den wiederum mit Zinserhöhungen reagiert werden müsste. Außerdem könnten aus der schwierigen geopolitischen Lage weitere Marktschocks entstehen.
Schlüsselfaktor Angebotsmangel
Es ist laut Linsin genauso denkbar, dass das Pendel in die andere Richtung ausschlägt: „Unterm Strich befinden wir uns in einer Marktphase, die sehr viel mehr Potenzial für positive Überraschungen als für negative birgt. Noch dazu ist angesichts der eingeschränkten Bautätigkeit der Nachfrageüberhang nach modernen, ökologisch und auch sozial nachhaltigen Büroflächen eklatant geworden – nur ist das aufgrund der allgemeinen Zurückhaltung auf den Märkten noch nicht vollkommen sichtbar geworden.“
Inzwischen stehen die Zeichen jedoch bei vielen Unternehmen klar in Richtung „Back to the Office“, wobei die USA Deutschland mehrere Schritte voraus sind. Wenn selbst große Tech-Unternehmen ihre Beschäftigten ins Büro zurückbeordern, und auch in Deutschland die Homeoffice-Regeln langsam enger gezogen werden, zeigt das die hohe Relevanz des Büros als zentraler Versammlungs- und Kollaborationsort für Unternehmen. „Sofern dieser Effekt erst einmal voll durchschlägt, werden wir schon sehr bald wieder von einem Büroflächenmangel sprechen, der die Situation aus dem Jahr 2019 sogar noch in den Schatten stellen könnte“, glaubt Linsin.
Eine Kettenreaktion ist möglich
Keine Frage: Im Moment ist die Kombination aus hohen Zinsen, negativen Preisentwicklungen und allgemeiner wirtschaftlicher Unsicherheit so dominant, dass die Märkte geradezu abgewürgt werden. Wenn jedoch die Zinsniveaus sinken, verringern sich nach und nach auch die anderen Negativaspekte. Sobald das der Fall ist, entfalten die positiven Effekte ihre Wirkung Linsin zufolge umso stärker: stabile Mietpreisniveaus, wachsender Nachfrageüberhang und ein hoher Bedarf nach ESG-konformen Flächen.
„Vor diesem Hintergrund wäre der Beginn einer nach oben gerichteten Preisspirale durchaus denkbar, bei der sowohl Nachholeffekte bei den Mietpreissteigerungen als auch höhere Verkehrswerte angesichts der niedrigeren Zinsniveaus den Ausschlag geben. Oder anders gesagt: So, wie wir gerade eine Bündelung der Negativeffekte erleben, könnten sich mittelfristig auch die positiven Effekte zusammenballen – und für einen neuen Aufschwung sorgen“, prognostiziert Linsin abschließend.
Dieser Artikel erschien am 12.01.2024 online auf Institutional-Money.com.
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