Die Wohnfläche wird wieder größer
13. Jun 2021
13. Jun 2021
Noch vor einem Jahr waren für mich die die Auswirkungen der Corona-Pandemie klar: effizientere Schnitte, mehr Zimmer auf weniger Quadratmetern, kleiner Balkon (aber immerhin einen Balkon), kurzum: Nachverdichtung, soweit das Auge reicht. Doch die vergangenen Monate, das ständige Hin und Her zwischen Shutdown, Lockerungen und wieder Shutdown, die Betreuung der Kinder daheim – all das hat plötzlich bei den Menschen einen Sinneswandel erzeugt und einen neuen Trend geschaffen.
Vor allem bei hochwertigen Eigentumswohnungen kann man mitverfolgen, wie die Ansprüche an den Wohnraum wieder wachsen. Früher galt: 90 qm bis 100 qm, vier Zimmer. Heute dürfen es auch wieder 150 qm und sechs Zimmer sein. Dabei stören sich Käufer plötzlich weniger an der lauten Straße vor der Tür, solange es nach hinten einen Garten gibt oder einen Balkon. Der aber soll jetzt möglichst groß sein und nicht nur für den Kaffee am Morgen taugen. Kaufentscheidend ist, dass man sich innerhalb der eigenen vier Wände wohlfühlt und zugleich Privatsphäre hat – auch gegenüber der eigenen Familie. Und gleichzeitig bleiben Erreichbarkeit und kurze Wege essenziell.
Die Folge: Viele Projektentwickler legen nun kleinere Wohnungen wieder zusammen. Hat man vorher auf einer Etage mit vier Wohnungen zu je 75 qm gerechnet, sind es nun nur noch zwei. Für den Wohnungsmarkt bedeutet das, dass in den kommenden Jahren noch weniger Einheiten angeboten werden, Baugrundstücke und Geschossflächen lassen sich eben nicht über Nacht vermehren.
Klar kann man sich fragen, wer sich das leisten soll. Doch auch hier gilt: Die niedrigen Zinsen und das günstige Geld auf der einen Seite und der Mangel an Anlagealternativen auf der anderen Seite befeuern die Entwicklung. Auch spielt eine Trendumkehr unter den Generationen eine Rolle: Während, wer es sich leisten konnte, in den 1970er Jahren mit Familie in die Vororte zog, zieht man heute in die Innenstädte und will dort – Corona-bedingt erst recht – nicht auf Platz verzichten.
Spannend ist daher vor allem die Frage, wie lange diese Entwicklung anhält. Was kommt nach Corona: Werden die Innenstädte wieder voll sein, wird der Einzelhandel zurückkehren, werden die Menschen wieder täglich ins Büro pendeln, und tatsächlich wieder kleinere Wohnungen bevorzugt? Ich bin mir vor allem bei letzterem nicht so sicher. Allzu rasch gewöhnt man sich wieder an etwas mehr Platz daheim und verzichtet so schnell nicht mehr darauf.
Dieser Artikel erschien am 10.6. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.