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Teure Gemeinschaftsfläche

13. Apr 2020

Frank Wojtalewicz  |  d.i.i.

Der Wohnungsbau wird von Gemeinschaftsflächen überwuchert. Kaum eine Baugenehmigung wird heute alleine für Wohnungen erteilt, meist gehören dazu auch Kinderwagenstellplätze, Fahrradständer, E-Auto-Ladestationen, Müllräume und fast überall Pkw-Stellplätze. Diese Auflagen ergehen nicht alternativ, sondern kumulativ: Sie werden addiert und addiert und addiert. Das entzieht sich meiner Logik.

Jeder Quadratmeter mehr Gemeinschaftsfläche treibt die Kauf- und Mietpreise nach oben, da im Verhältnis mehr Kosten auf weniger Meter Sondereigentum beziehungsweise Sondernutzungsfläche verteilt werden müssen. Der Bauherr ist aber nicht verantwortlich dafür, dass immer weniger Bruttogrundfläche für Wohnraum zur Verfügung steht, und diese in den vergangenen zehn Jahren um 3 % bis 6 % abgenommen hat. Ein Beispiel: Für zwei Zimmer mit rund 60 qm müssen heute 6 qm Abstellraum innerhalb der Wohnung eingeplant werden, zwei Fahrradstellplätze sowie ein halber bis ganzer Kinderwagenstellplatz je Einheit, also insgesamt pro Wohnung zusätzliche 3 qm bis 4,5 qm. Das läppert sich. Man gewinnt den Eindruck, dass die beiden liberalen Grundprinzipien hoheitlicher Entscheidungskompetenz – Verhältnismäßigkeit und behördliches Ermessen – zugunsten absoluter Forderungen geopfert werden.

Wäre es nicht angemessener, zu prüfen, ob eine bestimmte Anzahl an Elektroladestationen einen Pkw-Stellplatz ersetzen können? Ergibt es Sinn, für ein Wohnhaus mit Mikroapartments den gleichen Schlüssel an Kinderwagenstellplätzen je Wohneinheit zu fordern wie für ein konventionelles Mehrfamilienhaus mit Drei- und Vierzimmerwohnungen? Und wie korreliert das gesellschaftliche und politische Ziel, mittelfristig weniger Individualverkehr innerorts zuzulassen, mit einem Beharren auf Stellplatzschlüsseln, die 50 Jahre und älter sind? Da sowieso das Auto aus den Städten verschwinden soll, ist dieses Beharren auf Stellplätzen reine Prinzipienreiterei und in der Folge kontraproduktiv.

Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass die auf höheren politischen Ebenen zugesprochenen Entscheidungsspielräume auf den niedrigeren Verwaltungsebenen tatsächlich angewandt werden, dann hat das zwei Folgen: Zum einen leidet das Prinzip der Subsidiarität und damit das Vertrauen der Gesellschaft in staatliche Organe. Zum anderen muss jeder Einzelne tiefer in die Tasche greifen. Denn wenn wir es grundsätzlich und ohne Abstriche allen theoretisch denkbaren Konstellationen recht machen wollen, dann verbraucht jede Wohnung bald noch mehr Gemeinschaftsfläche. Und das muss am Ende jemand bezahlen.

Dieser Artikel erschien am 9.4. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.