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Digitalisierung: Der erzwungene Sprung nach vorn

19. Jul 2020

Dr. Susanne Hügel  |  CBRE

Noch vor wenigen Wochen wurde in der Digitalisierungsdebatte der sprichwörtliche Blick in die Glaskugel ausgiebig zelebriert. Prognosen, wann beispielsweise Immobilientransaktionen oder Vermietungsprozesse völlig durchdigitalisiert und automatisiert sein und ohne Intermediär ablaufen werden, wiesen jedoch stets auch eine Spur Eskapismus auf. Manchmal, so schien es, philosophierte man lieber über die Technologien der Zukunft, als das umzusetzen, was heute bereits möglich ist. Die aktuelle Situation hat dies grundlegend geändert.

Wir müssen den akuten Fragen zur Digitalisierung mehr hinterherlaufen – gerade brechen sie über die Branche herein. Aus dem Umbruch und der Rezession werden diejenigen Unternehmen gestärkt hervorgehen, die die größte Flexibilität und Innovationskraft an den Tag legen. Die dafür nötige Anpassungsfähigkeit ist angesichts der Einschränkungen im öffentlichen und sozialen Leben vor allem digitaler Natur. Diese Ausgangssituation und die Notwendigkeit der Adaption, für die es mehrere gute Zitate aus der Evolutionstheorie von Charles Darwin gäbe, bergen aber tatsächlich auch Chancen für die digitale Weiterentwicklung der gesamten Branche.

Kleine wie große, lokale wie internationale Unternehmen stehen vor der Notwendigkeit, ihren Arbeitsalltag digital abzubilden. Es handelt sich nicht mehr um einen Akt der Freiwilligkeit, der maßgeblich vom Budget und Investitionswillen abhängt: Wir alle müssen uns mit den Digitalfragen auseinandersetzen, so schnell wie möglich Antworten finden und uns digitale Ökosysteme aufbauen, die praktikabel sind. Das hat zur Folge, dass die Branche einen Sprung nach vorn macht – weil sie muss. Weil fast alle bereits zu mehr Digitalität gezwungen sind, schmälert sich die Kluft zwischen kleineren und größeren Akteuren, wird die atomisierte Branche digital einheitlicher und der Interoperabilität ein höherer Stellenwert verliehen.

Denn wer jetzt nicht digitalisiert, bleibt zurück und kann sich beispielsweise nicht vernünftig an Großprojekten mit mehreren Unternehmen beteiligen. Ein anschauliches Beispiel für die Digitalisierung in unserer Branche ist das Building Information Modeling (BIM). Noch vor wenigen Monaten war eine beliebte KO-Frage, wer den größten Nutzen durch den Einsatz von BIM hat und wer eigentlich dafür bezahlt. Problematischerweise war dies nicht immer ein- und dasselbe Unternehmen. Im Tagesgeschäft nahm man daher eben doch in Kauf, dass ein Projektteilnehmer womöglich nicht das neueste 3D-Modell erhielt oder lieber Excel-Sheets durch den Äther geschickt wurden anstatt die Daten über eine digitale Plattform zu teilen. Diese Zeiten sind jetzt endgültig vorbei.

Dieser Artikel erschien in der IMMOBILIEN & FINANZIERUNG 7/2020.