PB3C News

Multimodalität: Der oft übersehene Zukunftsfaktor für Logistikimmobilien

10. Mai 2024

Patrick Abel  |  Montea

Dem Umweltbundesamt zufolge hat sich der Straßengüterverkehr in Deutschland zwischen 1991 und 2019 mit einem Plus von 103 Prozent mehr als verdoppelt. Dementsprechend legten Investoren und Projektentwickler bei Logistikimmobilien in den vergangenen Jahren vor allem Wert auf eine größtmögliche Autobahnnähe. Eine effiziente Anbindung an das Schienen-, Binnenschifffahrts- und Luftfrachtnetz wurde oft eher als nebensächlich eingestuft. Das ändert sich nun sehr deutlich. Denn nicht nur angesichts chronisch verstopfter Straßen und immer stärker steigender ESG-Auflagen wird Multimodalität immer stärker zum notwendigen Erfolgskriterium für langfristig agierende Investoren.

Logistik auf der Schiene: ein Blick ins Baltikum
Während aktuell nur ein geringer Teil der Nutzer von Logistikimmobilien auf einen Schienenanschluss setzen, könnte dieser Trend in kurzer Zeit sehr stark zunehmen. Schließlich verfolgen immer mehr Hallennutzer aus dem E-Commerce-Segment, dem stationären Handel, dem produzierenden Gewerbe und besonders auch dem Automotive-Segment eine unternehmenseigene Nachhaltigkeitsagenda. Für viele dieser Unternehmen ist die Logistik die Achillesferse, wenn es darum geht, die Netto-Null bei CO2-Ausstößen zu erreichen. Um die grüne Transformation der eigenen Supply Chain zu meistern, bleiben dabei oft nur wenige Möglichkeiten: erstens die vollständige und kostenintensive Umstellung auf einen E-Fuhrpark, zweitens der Schwenk von der Straße auf die Schiene – oder drittens eine sinnvolle Kombination aus beidem. Für Logistikdienstleister wiederum dürfte der ökologische Fußabdruck immer stärker zum Wettbewerbskriterium werden: Wer nicht „grün“ ausliefert, gerät ins Hintertreffen.

In anderen europäischen Regionen wie Skandinavien oder auch im Baltikum ist der Anteil am Schienengüterverkehr deutlich höher. Eindeutiger Spitzenreiter ist dabei Litauen, wo dem Statistischen Bundesamt zufolge bereits heute 62,5 Prozent aller Güterverkehre über die Schiene laufen. Deutschland hat mit einem Anteil von 19,0 Prozent also noch einiges an Aufholpotenzial. Doch der Ausbau schreitet voran: Dem Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene zufolge lagen die Investitionssummen in das Schienennetz im Jahr 2022 über denen in das Straßennetz.

Investoren, die heute eine deutsche Bestandsimmobilie erwerben, stehen also häufig vor der Situation, dass der Schienenanschluss nicht konsequent genutzt wird oder sich sogar ein Instandhaltungsstau gebildet hat. Für künftige Mietzyklen und bei langfristiger Haltedauer kann aus diesem vermeintlich vernachlässigbaren Faktor schnell ein handfester wirtschaftlicher Vorteil entstehen.

Wasseranschlüsse – eine Frage von Standort und Branche
Wenn es um die Frage nach der Bedeutung an die Wasserverkehrswege geht, spielt vor allem die Region, in der sich die Immobilie befindet, eine äußerst wichtige Rolle. Klassische Logistikhochburgen wie Hamburg, Bremen und Bremerhaven sowie das Ruhrgebiet mit Anbindung an die Häfen von Rotterdam oder auch Antwerpen sind in hohem Maße von der Schifffahrt abhängig. Für Objekte an Binnenhäfen, die sich weiter im Hinterland befinden, kann die Logistik zu Wasser jedoch ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Einerseits lässt sich auch hier ein Nachhaltigkeits-Plus erreichen. Andererseits profitieren vor allem bestimmte Branchen wie die Schüttgutlogistik oder auch die Möbelindustrie von der Möglichkeit, große Mengen Ware zu Wasser bis zu einem Distributionszentrum zu bringen und von dort aus über Land weiter zu transportieren.

In der Praxis zeigt sich, dass die Vermieter von Logistikimmobilien mit Hafenanbindung in vielen Fällen höhere Mietpreise aufrufen können – und diese auch gezahlt werden. Sofern die Immobilie sich an einem geografisch guten Standort befindet und vielseitig nutzbar ist, werden die höheren Mietpreisniveaus auch von Nutzern bezahlt, die den Wasserweg gar nicht in Anspruch nehmen. Hier zeigen sich übrigens sehr starke Parallelen zur Anbindung an das Flugverkehrsnetz, das sich für Unternehmen verschiedener Branchen in seiner Relevanz stark unterscheiden kann.

Multimodalität als Mietstandard der Zukunft
Die Supply Chains werden immer ausdifferenzierter und nachhaltiger, die Bedürfnisse der Nutzer immer spezifischer. Gerade bei Multi-Tenant-Logistikimmobilien wird also auch das Thema Multimodalität künftig besonders wichtig. Außerdem unterliegen die verschiedenen Nutzerbranchen Schwankungen, was die Nachfragesituationen betrifft. Bestes Beispiel dafür ist seit einiger Zeit der E-Commerce, der auf hohem Umsatzniveau stagniert und seine Wachstumsfantasien ein wenig zügeln musste. Eine drittverwendbare Logistikimmobilie, die sich für Mieter unterschiedlichster Branchen eignet und die eine Vielzahl an Transportwegen zu Lande, zu Wasser und in der Luft ermöglicht, verspricht für den Eigentümer Zukunftssicherheit und damit wirtschaftliche Stabilität.

Für Neubauprojekte ist dies besonders relevant: Gerade in Zeiten knapper Baugrundstücke und restriktiver Flächenausweisungen sollten Logistikimmobilienentwickler und die hinter ihnen stehenden Investoren keine Kompromisse beim Thema Verkehrsanbindung eingehen. Das Thema Multimodalität ist dabei zwar nicht das augenfälligste Kriterium. Wer jedoch langfristig und nachhaltig handelt, sollte diesen Aspekt keinesfalls ignorieren – und eher ein anderes Grundstück ins Auge fassen, als einen halbgaren Kompromiss einzugehen.

Dieser Artikel erschien am 02.05.2024 in der LogReal.Direkt.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.