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Warum Projektentwickler die besseren Asset Manager sind

29. Aug. 2025

Richard van de Beek  |  ROSA-ALSCHER Group

Seit 2022 befindet sich die deutsche Immobilienwirtschaft im Ausnahmezustand: Zinswende, ESG-Vorgaben, volatile Baupreise und eine wachsende Regulierung stellen die Branche unter Dauerstress. Insbesondere im Büro- und Mixed-Use-Segment treffen Investoren, Betreiber und Nutzerinteressen auf zunehmend widersprüchliche Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig verlangen institutionelle Anleger ein Management, das nicht nur auf bestehende Strukturen reagiert, sondern Immobilien aktiv weiterentwickelt. Genau an dieser Schnittstelle zeigt sich: Projektentwickler bringen das bessere Rüstzeug für modernes Asset Management mit. Sie denken ganzheitlich, handeln operativ und verfügen über eine Methodik, die dem heutigen Markt viel stärker entspricht als die klassische Verwaltungsperspektive.

Auf den ESG-Druck reagieren
Ein zentrales Thema ist der ESG-Druck, der die Branche seit der Einführung von EU-Taxonomie, CSRD und verschärftem Gebäudeenergiegesetz grundlegend verändert hat. Nachhaltigkeit ist kein freiwilliger Qualitätsaspekt mehr, sondern regulatorischer Maßstab – und zunehmend auch Bewertungsfaktor. Der Sanierungsbedarf bei Bürogebäuden dürfte im tiefen dreistelligen Milliardenbereich liegen.

Zugleich wächst der Anteil zertifiziert nachhaltiger Flächen am Markt, während nicht konforme Objekte an Nachfrage verlieren. Projektentwickler sind mit diesen Anforderungen vertraut – sie planen Gebäude von Anfang an entlang ESG-Kriterien, kennen technische Lösungen, wissen um Fördermöglichkeiten und setzen komplexe Maßnahmenpakete effizient um. Dieses Wissen lässt sich unmittelbar auf den Bestand übertragen: Statt zu verwalten, transformieren sie technisch, wirtschaftlich und mit Blick auf künftige Nutzerbedürfnisse. Diese Fähigkeit, nachhaltige Wertschöpfung durch bauliche und konzeptionelle Steuerung zu realisieren, macht Projektentwickler zu gefragten Akteuren im Asset Management.

Auch die Zinswende verschiebt die Anforderungen an die Rolle des Asset Managers. Die historisch schnelle Anhebung des Leitzinses hat Investitions- und Refinanzierungskosten drastisch erhöht. Transaktionsvolumina sind eingebrochen, Bewertungen unter Druck. Dies ist trotz tendenziell sinkender Zinsen nach wie vor der Fall. Wo früher passive Wertsteigerung durch Yield Compression funktionierte, ist heute operative Wertschöpfung gefragt. Projektentwickler bringen die dafür nötige Flexibilität und Entscheidungsfreude mit: Sie steuern aktiv durch volatile Marktphasen, erkennen Potenziale jenseits starrer Portfolios und justieren Geschäftsmodelle dort nach, wo klassische Manager stillhalten. Ihre Erfahrungen mit Forward Deals, Bau-Phasenmodellen oder Nutzungskonversionen zahlen sich in dieser Phase aus – etwa dann, wenn ein leerstehender Bestandsbau kurzfristig neu positioniert werden muss oder durch Umbau zusätzliche Einnahmepotenziale entstehen.

Neubau im Realisierungs-Check
Hinzu kommt ein verschärfter Fokus auf wirtschaftliche Tragfähigkeit unter enormem Baukosten- und Sanierungsdruck. Nach mehreren Jahren massiver Preissteigerungen und gestörter Lieferketten sind viele Neubauprojekte ins Wanken geraten oder ganz gestoppt worden. Doch auch hier sind Projektentwickler in ihrem Element: Sie kennen die Hebel zur Kostensteuerung, können über Value Engineering, Losvergabe oder Bauabschnittsplanung zielgerichtet Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit nehmen.

Für das Asset Management bedeutet das: Investitionen werden nicht nur budgetiert, sondern mit Realisierungs-Know-how hinterlegt – ob es um ESG-konforme Fassadensanierung, Umnutzung bestehender Flächen oder mieterspezifischen Ausbau geht. In vielen Fällen werden Altbauten durch gezielte Eingriffe zu modernen Multi-Tenant-Lösungen transformiert, ohne dass ein wirtschaftlich oft nicht mehr darstellbarer Neubau notwendig wäre.

Ein weiterer Aspekt ist der Wandel von der Transaktion zur Transformation. Die Zeit der Deal-getriebenen Portfoliosteuerung ist vorerst vorbei, gefragt sind Konzepte zur strukturellen Weiterentwicklung der Bestände. Während viele klassische Asset Manager auf kurzfristige Renditekennzahlen fokussiert bleiben, betrachten Projektentwickler jedes Gebäude als potenzielles Projekt: mit Machbarkeitsstudien, Variantenrechnungen und Entwicklungspfaden. Diese Haltung ist auch deshalb wertvoll, weil die Nutzungsansprüche an Immobilien zunehmend hybrid werden. Ob Co-Working, flexible Flächennutzung oder Mixed-Use-Ansätze – es sind häufig Entwickler, die frühzeitig erkennen, wenn aus einem monofunktionalen Bürohaus ein multifunktionales Stadtbaustein werden kann. Auch bei behördlichen Prozessen oder der Nutzung von Förderprogrammen haben sie die Erfahrung, um Bestandsobjekte effizient zu repositionieren, sei es durch Umbau, Teilnutzungsänderung oder vollständige Umwandlung.

Der Blick nach vorn ist essenziell
Die Asset-Management-Anforderungen im Jahr 2025 lassen sich nicht mehr mit den Werkzeugen der Vergangenheit lösen. Stattdessen braucht es Strategen, die operativ handeln können, und Entscheider, die immobilienwirtschaftliche Komplexität managen können. Projektentwickler bringen beides mit. Sie betrachten jede Immobilie als wandelbares System – wirtschaftlich, technisch und gesellschaftlich. Wer Gebäude entwickeln kann, kann sie auch managen. Und genau das ist in dieser Marktphase der entscheidende Unterschied.

Dieser Beitrag erschien am 25.08.2025 auf intelligent-investors.de.

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