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Schafft die Schilder mit „Ballspielen verboten!“ ab

28. Juni 2024

Dr. Martin Leinemann  |  Arbireo

Spiel und Sport nicht mehr verdrängen – integrative Kraft des Fußballs nutzen

Ältere werden sich noch erinnern, dass sie auf der Straße Fußballspielen konnten. Damit war es mit der Massenmobilisierung ab Mitte der 1960er-Jahre vorbei. Und in vielen Großwohnsiedlungen, die in den 1970er-Jahren entstanden, machte trotz teils üppiger Grün- und Rasenflächen ein Verbotsschild Karriere, das sich zuvor bereits in Hinter- und Garagenhöfen verbreitet hatte: „Ballspielen verboten!“

Der natürliche Spiel- und Bewegungsdrang von Kindern und Jugendlichen ist unbestritten. Heute beschweren wir uns, dass die Jugend zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringt. Doch jahrzehntelang wurde der Raum zum spontanen „Kicken“ vor der eigenen Haustür eingeschränkt. Auch die sozial integrative und interkulturelle Scharnierfunktion von Fußball und anderen Ball- beziehungsweise Mannschaftssportarten sollte nicht unterschätzt werden.

Geeignete Flächen vorsehen
Als Immobilienbranche tun wir deshalb gut daran, bei Wohnprojekten und insbesondere bei größeren Quartiersentwicklungen auch ausreichend geeignete Flächen für Spiel und Sport vorzusehen. Das Schild „Ballspielen verboten!“ einschließlich seiner Derivate gehört abgeschafft. Das setzt zwar auch eine gewisse Lärmtoleranz ruhebedürftiger Bewohner voraus, die man allerdings zu üblichen Tageszeiten durchaus erwarten darf. Und es setzt voraus, dass man zum Beispiel Bolzplätze, Tischtennisplatten und Ähnliches auch pflegt und instand hält.

Pflege und Instandhaltung der Anlagen sind natürlich mit Kosten verbunden. Hinzu kommt die Fläche, die nicht mehr zur Bebauung mit Wohnraum und damit zur Vermietung zur Verfügung steht. Für Investoren stellt sich somit die Frage, warum sie das machen sollten. Denn auf den ersten Blick scheint Aufwand und Kosten zunächst kein unmittelbarer adäquater Ertrag gegenüberzustehen.

Es kann allerdings durchaus handfeste Vorteile geben: Bei der Vergabe von Flächen durch die öffentliche Hand sowie dem Erteilen von Baugenehmigungen für Wohn- oder Quartiersentwicklungen können in dem Baukonzept integrierte Sport- und Freizeitnutzungen durchaus eine Rolle spielen. Manche Kommunen unterstützen das auch mit Förderprogrammen. Mancherorts können Pflege und Instandhaltung auch in die Hände von Vereinen oder Bürger- beziehungsweise Bewohnerinitiativen vor Ort gelegt werden. Bei vielen Wohnprojektentwicklungen gehört der kleine Spielplatz im Innenhof mit Sandkasten und einem Klettergerüst inzwischen zum Inventar, das von jungen Familien zumeist gut angenommen wird. Warum sollte für Sportplätze etwas anderes gelten?

Es macht sich bezahlt
Wichtiger ist jedoch die integrative Kraft des Fußballs und anderer Sportarten. Flächen für gemeinsame Erlebnisse der Quartiersbewohner – Spielplätze, ein nett gestalteter Innenhof, Gemeinschaftsräume und Platz für niedrigschwellige Sportgelegenheiten – zahlen auf ein gutes nachbarschaftliches Zusammenleben ein. Folge: Die Mieter fühlen sich wohler, identifizieren sich stärker mit ihrer Wohnung und halten ihr länger die Treue.

Übrigens können lndoor- oder Outdoor-Sportflächen auch für Büroimmobilien eine geschätzte „Amenity“ darstellen: Der Büromieter fördert damit als Arbeitgeber sowohl das Teambuilding in seinem Unternehmen als auch eine gesunde und sportliche Lebensweise seiner Mitarbeiter. Entsprechende Angebote sind zwar (noch) sehr selten, werden dafür aber mit umso größerer Begeisterung angenommen.

Vermieter beziehungsweise Investoren generieren mit der Integration von Sportflächen zudem einen sozialen Impact. Sie tragen also zum „S“ im Buchstabentrio ESG (Environment, Social, Governance) bei. Das gilt vor allem für die sozialintegrative Funktion von Mannschaftssportarten wie Fußball. Das ist in einem größeren Zusammenhang zu sehen: Der zunehmenden sozialen Isolation vieler moderner Großstadtbewohner sowie der sozialen Segregation unterschiedlicher Gruppen sind moderne und letztlich auch integrative Wohnkonzepte entgegenzusetzen. Ein gemeinschaftlich genutzter „Bolzplatz“ ist dabei nur einer von vielen (möglichen) Bausteinen.

Nur einer von vielen Bausteinen
Die Assetklasse Wohnen sollte insgesamt derart gedacht werden, dass soziale und demografische Durchmischung und gute Nachbarschaft zu fördern sind. Die Integration sozialer Infrastruktur wie Kindertagesstätten oder auch Mehrgenerationenhäuser sind dafür positive Beispiele.

Ein weiteres Beispiel: lnklusionswohnen. Ziel dabei ist. Menschen mit Behinderung durch entsprechende Wohnkonzepte ein so weit es geht selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen – innerhalb einer lebendigen Hausgemeinschaft aus Menschen mit und ohne Behinderung. Inklusion vereinfacht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Bereichen wie Bildung, Beruf, Familie und Freizeit für alle Menschen – auch mit Behinderung. Das erfordert allerdings clevere Konzepte, gerade für Menschen mit körperlichen Einschränkungen.

Solche Konzepte sind relativ neu und nicht häufig zu finden – bei gleichzeitig wachsender Nachfrage, da sich die gesellschaftliche Wahrnehmung und der Umgang mit Menschen mit Behinderung in den vergangenen Jahren gewandelt haben. Entsprechend gut sind die Vermietungsaussichten. Erfolg versprechend kann hierbei auch die Einbindung von Sozialträgern oder Wohlfahrtsverbänden zu einer effizienten Vermietung und Verwaltung vor Ort sein.

Angebote zur Interaktion
Wichtig für die Akzeptanz solcher Wohnmodelle ist eine gute Durchmischung der unterschiedlichen Bewohnergruppen, die keine einzelne Gruppe stigmatisiert. Aus lnvestorensicht ist ein breiter sozialer Mietermix auch erforderlich, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Gesamtprojekts gewährleisten zu können.

All dies erreicht sein Optimum dann, wenn die Mieter nicht autark und anonym nebeneinander leben, sondern sich starke und aktive Mietergemeinschaften entwickeln. Dazu bedarf es entsprechender Angebote außerhalb der eigenen Wohnung. Ein gemeinsam genutzter Sportplatz ist eine Möglichkeit, dies zu verwirklichen. Wenn dort die Fußballstars von morgen ihr Talent entdecken – umso besser. Das ist aber natürlich nicht das Ziel; es geht nicht um Konkurrenz zu den Vereinen, sondern um ein Angebot, das die Lebens- und Wohnqualität einer Neuentwicklung erhöht.

Dieser Artikel erschien am 14.06.2024 in der Börsen-Zeitung

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