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Es ist an der Zeit, die Rolle der Nischen zu überdenken

12. Dez 2021

Axel Vespermann  |  Universal Investment

Die diesjährige Umfrage von Universal-Investment unter institutionellen Investoren kommt unter anderem zu zwei Ergebnissen, die auf den ersten Blick paradox erscheinen: Auf der einen Seite sehen viele Investoren die inzwischen an den Immobilienmärkten erreichten Preisniveaus als durchaus kritisch an. Dessen ungeachtet stehen Sicherheit und Stabilität wieder hoch im Kurs, auch wenn diese ihren Preis haben und Rendite kosten. Auf der anderen Seite wächst das Interesse an vermeintlichen Nischennutzungsarten ungebremst. Sind die Investoren etwa bereit, jenseits der klassischen Nutzungsarten Wohnen, Büro und Handel eine größere Risikobereitschaft an den Tag zu legen? Das ist nach unserer Auffassung nicht der Fall; die Frage stellt sich gar nicht mehr.

Die strikte Trennung zwischen „etablierten Nutzungsarten“ auf der einen und „Nischensegmenten“ auf der anderen Seite hat sich überholt. Die vermeintlichen Nischen dürfen auch nicht mehr pauschal als risikobehafteter gelten. Wer noch in solchen Schubladen denkt, verbaut sich selbst zahlreiche Chancen. Denn konservativ und risikoavers zu investieren, bedeutet eben nicht, sich an überholte Weisheiten zu klammern. Bestes Beispiel sind die einstigen Nischensegmente Logistik, Sozialimmobilien und Gesundheitsimmobilien. Langfristige Megatrends – von der Corona-Pandemie beschleunigt – sorgen für eine anhaltend und stabil wachsende Nachfrage nach diesen Nutzungsarten, die sich noch über viele Jahre fortsetzen wird.

Die Digitalisierung, die Veränderungen im Freizeit- und Einkaufsverhalten, die demografische Entwicklung, gesellschaftliche Veränderungen – alle diese Faktoren sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Pflegeimmobilien und Seniorenresidenzen, nach Mikrowohnanlagen und Bildungseinrichtungen, nach Last-Mile-Logistik und Ärztehäusern stetig steigen wird. Leerstände und Mietausfälle in solchen Nutzungsarten tendieren gegen null, sie dürfen also als wenig riskant gelten – anders als viele Bereiche des klassischen stationären Einzelhandels und damit eine der klassischen etablierten Nutzungsarten. Es ist also widersinnig, diese neueren Nutzungsarten als „riskante Nischen“ abzutun, obwohl sie ein ähnliches oder gar höheres Sicherheitspotenzial bieten.

Gesundheitsimmobilien haben besonders an Beliebtheit gewonnen: Der Anteil der Befragten, die in den nächsten zwölf Monaten den Kauf einer Immobilie in diesem Segment planen, ist von 50 % auf 58 % gestiegen. Auch Seniorenresidenzen sind nach wie vor gefragt und halten mit 42 % fast mit dem Vorjahr Schritt, Gebäude der öffentlichen Hand konnten auf 59 % leicht zulegen. Dies zeigt, dass viele institutionelle Investoren auf die sogenannten Nischenwerte vertrauen, auch inmitten einer Verschiebung hin zu sichereren Anlagen. Folgerichtig steigen auch die Investmentvolumina in diesen Nutzungsarten. Das Transaktionsvolumen am deutschen Gesundheitsimmobilienmarkt ist im vergangenen Jahr auf den neuen Rekordwert von 4 Mrd. Euro gestiegen. Angesichts dessen kann von einer Nische keine Rede mehr sein. Allerdings spiegelt sich das gestiegene Investoreninteresse auch in Form gesunkener Ankaufsrenditen wider – bei Pflegeimmobilien liegen sie bei etwa 4 %.

Da die Marktzyklen in vielen Branchen immer kürzer werden, suchen Investoren nach Stabilitätsankern in Immobilien. Die stark zunehmende Begeisterung für Anlagen, die als weniger traditionell oder spezialisierter angesehen werden, sollte uns zeigen, dass es an der Zeit ist, zu überdenken, was wir als Nische betrachten. Anlagethemen wie das Gesundheitswesen, Seniorenwohnungen und Logistik sind diesem Etikett entwachsen. Sie bieten ein großes Potenzial und Stabilität. Sie aufgrund einer überholten Sichtweise zu vernachlässigen, ist nicht konservativ oder risikoscheu, sondern aus der Zeit gefallen.

Dieser Artikel erschien in IMMOBILIEN & FINANZIERUNG 12/21.