PB3C News

Megatrends können Corona trotzen

6. Dez 2020

Jörg Kotzenbauer  |  ZBI Zentral Boden Immobilien Gruppe

Seit langem wurde nicht mehr so viel über die Zukunft von Wohnimmobilieninvestments gesprochen wie seit Beginn der Corona-Pandemie. Anfangs waren sich viele Experten sicher, dass Korrekturen auf den angeblich überhitzten Märkten nur eine Frage der Zeit sind. Wie an den Börsen sei mit einem deutlichen Rückgang der Bewertungen zu rechnen. Morgen, spätestens übermorgen, könnten auch große Portfolios in Schieflage geraten.

Doch seitdem hat sich gezeigt, wie sehr man mit dunklen Prophezeiungen danebenliegen kann. Denn das Gegenteil ist eingetreten. Während die Unsicherheit im Büro- und Hotelsegment tatsächlich deutlich gestiegen ist, sind Wohnimmobilien weiterhin begehrt, wie die Preisentwicklung verdeutlicht. Um 4,8 % stiegen etwa die Preise für Eigentumswohnungen im H1 2020 – ebenso schnell wie im Vorjahreszeitraum. Und auch das Forschungs- und Beratungsunternehmen empirica kam für das Herbstgutachten des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) zu einem klaren Ergebnis: Es seien kaum Mietausfälle zu verzeichnen gewesen, und auch bei den Neuvertragsmieten und der Bautätigkeit sei kein nennenswerter Rückgang festzustellen.

Zur Wahrheit gehört derweil auch, dass die Stärke dieser Assetklasse in der Krise durchaus zu erwarten war. Für den Hintergrund lohnt es sich, ein wenig auszuholen, denn letztlich folgt die Entwicklung 2020 nach wie vor einem mittelfristigen Trend: Früher fanden sich Wohnimmobilien selten in den Portfolios von Immobilienfonds. Das strenge Mietrecht in Deutschland und der oft kleinteilige Vermietungs- und Instandhaltungsaufwand schmälerten für professionelle Investoren die Attraktivität. Dementsprechend klein war der Anteil in inländischen Spezial-AIFs – noch 2014 kamen Wohnimmobilien auf nur knapp 6 % in den Portfolios.

Doch schon lange vor der Pandemie hat sich die grundlegende Bewertung vollkommen verändert. Die seit mittlerweile mehr als zehn Jahren anhaltende Niedrigzinsphase und der solide Renditeabstand zu Staatsanleihen haben dazu geführt, dass sich deutsche Wohnimmobilien zum Stabilitätsanker gewandelt haben. Dementsprechend wächst die Bedeutung der Assetklasse kontinuierlich. 35 % der in deutschen Fonds gebündelten Immobilien waren 2019 dem Wohnsegment zuzuordnen, mit steigender Tendenz auch in der Krise. Gleichzeitig sank der Anteil der für lange Zeiten unangefochten wichtigsten Assetklasse, des Bürosegments, signifikant von 62 % (2014) auf nur noch 54 % im vergangenen Jahr.

Einiges deutet also darauf hin, dass das Wohnsegment mittelfristig zu den gewerblichen Assetklassen aufschließen könnte. Neben den kurzfristigen Entwicklungen liegt die Ursache dafür auch in den strukturellen Bedingungen in der Gesellschaft. Oft zitiert wird in diesem Zusammenhang die simple Sentenz „gewohnt wird immer“. Obwohl dies natürlich bereits in der Vergangenheit galt – also auch in Phasen mit weniger gutem Klima im Wohnbereich –, drückt sich darin die unumstößliche soziale Relevanz des Wohnens aus.

Die Unverzichtbarkeit von gutem und bezahlbarem Wohnraum zeigt sich einerseits in der öffentlichen Diskussion. Andererseits weisen die wichtigsten gesellschaftlichen Trends, zum Beispiel der demografische Wandel und die Urbanisierung, Entwicklungslinien über mehrere Jahrzehnte auf – an denen die Corona-Pandemie unabhängig von ihrem konkreten Verlauf wenig ändern wird. Den kurzfristigen Auswirkungen der Pandemie, wie einem reduzierten Zuzug in städtische Ballungsräume, steht etwa eine verstärkte Nachfrage nach mehr Wohnfläche gegenüber. Zudem sind die Menschen bereit, im Verhältnis gegenüber Konsum, Reisen oder Mobilität mehr Geld für den Wohnraum auszugeben. Langfristig jedoch verändern sich die Anforderungen an das Wohnen vergleichsweise langsam, was Investoren eine verlässliche Planung ermöglicht.

Deutlich entscheidender als diese gewissermaßen externen Faktoren ist für die Krisenresistenz des Wohnens jedoch die implizite Logik der Assetklasse. In dieser Hinsicht verdeutlicht die Pandemie das hervorragende Risiko-Rendite-Verhältnis sogar: Weniger als 1 % der Wohnungsmieter mussten in den ersten vier Monaten der Krise von dem eigens geschaffenen Recht auf Mietstundungen Gebrauch machen – deutlich geringere Mietausfälle als im gewerblichen Bereich sind die Folge. In dieser Situation erweist es sich als Vorteil, dass in Deutschland in der Fläche eher maßvolle Mietpreise die Regel sind – und nicht die extremen Mieten einiger Ballungsräume. Dies zeigt eindrucksvoll, dass der deutsche Wohnungsmarkt in der Breite allen Blasengespenstern zum Trotz nichts von seiner konjunkturunabhängigen Stabilität eingebüßt hat – und dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sich das Investitionsvolumen im Jahresvergleich fast verdoppelt hat.

Die strukturelle Gesundheit der deutschen Wirtschaft und die stabile Entwicklung des Arbeitsmarkts sind ein klares Indiz dafür, dass die Wertsteigerungen deutscher Wohnimmobilien um durchschnittlich etwa 50 % seit 2010 keineswegs auf Sand gebaut sind. Ganz im Gegenteil wird die Nachfrage sowohl in den Metropolen und ihrer Peripherie als auch in einigen B- und C-Städten in absehbarer Zeit weiterwachsen. Das gilt insbesondere auch für Bestandsimmobilien, deren Rolle für den Investmentmarkt noch zunehmen dürfte. Denn die vielerorts hohe räumliche Verdichtung macht es äußerst unwahrscheinlich, dass die lokalen Nachfragesteigerungen sich in den kommenden Jahren vor allem durch einen Zuwachs im Neubau austarieren lassen. Investoren setzen daher zu Recht auf eine weiterhin positive Wertentwicklung von Wohnimmobilien – denn für einen wesentlichen Wachstumstreiber des Immobiliensegments wirkt Corona ebenfalls als Schub: Das Ende der Niedrigzinsphase ist durch die Pandemie in noch weitere Ferne gerückt.

Dieser Artikel erschien am 19.11. in der BÖRSEN-ZEITUNG SPEZIAL.