Life Science – drei Chancen und Hürden für Investoren
24. Mai 2024
24. Mai 2024
Life-Science-Immobilien gelten als eine der zukunftsstärksten Assetklassen. Welche Wachstumschancen und Herausforderungen Investoren und Entwickler erwarten, erläutern BEOS-Vorstand Jan Plückhahn und Alexander Bakhtiar, Projektmanager bei BEOS. In ihrem Expertenbeitrag führen sie drei Chancen, aber auch drei Hürden auf.
Erfolgsgeschichten wie die des Mainzer Unternehmens BionTech haben gezeigt, dass Firmen aus den Branchen Medizin, Pharma, Biotechnologie, Biophysik und ähnlichen Bereichen die Entwicklung ganzer Städte prägen können. Bei diesen handelt es sich um eines der wichtigsten Wachstumssegmente in den europäischen Volkswirtschaften – in ganz Europa haben sich Life-Science-Cluster etabliert, unter anderem in UK (Golden Triangle Cambridge-Oxford-London) in den Niederlanden (u. a. Amsterdam, Leiden) oder in der Schweiz (Zürich, Basel). Auch in deutschen Metropolen wie Berlin und München sowie in den Universitätsstädten Heidelberg, Tübingen oder Göttingen ist die Anziehungskraft für Life-Science-Unternehmen groß.
Dementsprechend wird das Themenfeld innerhalb der Immobilienbranche aus Investment- und Vermietungssicht immer ausführlicher diskutiert. Die Frühphase dieses wachsenden Markts weist dabei einige Parallelen zu den damaligen Anfängen des Healthcare-Sektors auf – eine Assetklasse, die inzwischen fest etabliert ist. In einem Ranking der Beratungsgesellschaft PwC aus dem vergangenen Jahr standen Life-Science-Immobilien auf dem zweiten Rang der zukunftsstarken Nutzungsklassen – und damit noch vor Data-Centern. Colliers meldete für den Zeitraum zwischen 2019 und 2022 einen deutlichen Anstieg der Flächenumsätze (siehe Grafik weiter unten). Aber welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für die Immobilienbranche genau?
Chance 1: Die Nachfrage nach Mietlösungen steigt stark an
Die Branchen, die gemeinsam das Life-Science-Segment bilden, sind mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel: Der technologische Fortschritt führt dazu, dass viele notwendige Geräte immer kleiner und leistungsstärker sind. In der Folge agieren neben Großkonzernen auch immer mehr kleinere und mittelständische Unternehmen sehr erfolgreich auf diesem Markt – und das bei deutlich geringerer Fläche, als sie noch vor zehn Jahren nötig gewesen wäre.
Auch das Thema New Work macht vor Unternehmen mit Life-Science-Schwerpunkt nicht Halt: Interdisziplinäre und standortübergreifende Kollaborationen setzen sich immer stärker durch, und ähnlich wie in vielen anderen Branchen ist die Videokonferenz mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt inzwischen fester Dreh- und Angelpunkt des Arbeitsalltags. Dafür sind jedoch moderne Mixed-Use-Konzepte wichtig, die eine intelligente Verzahnung unterschiedlichster Flächentypen bieten – vom Labor über den Konferenzraum und das Backoffice bis hin zu Gemeinschaftsflächen.
Aufgrund all dieser Aspekte hat immobilienseitig ein Umdenken eingesetzt: Statt der hochspezialisierten Built-to-Suit-Immobilie, die jahrzehntelang im Firmeneigentum verbleibt, gewinnen Mietlösungen immer stärker an Relevanz. Damit verbunden ist auch, dass moderne Life-Science-Immobilien als Multi-Tenant-Objekte konzipiert werden. Allerdings gibt es vor allem in den etablierten Lagen und Clustern derzeit nicht genügend (auf die Nutzerbedürfnisse ausgelegte) Mietflächen, um die Bedarfe der kommenden Jahre abzudecken. Dementsprechend groß sind die Chancen für Immobilienentwickler und Investoren – und entsprechend viel Arbeit liegt vor uns.
Chance 2: Life-Science-Unternehmen sind stabile und standorttreue Mieter
Unternehmen aus den eingangs erwähnten Branchen zeichnen sich in der Regel durch einige positive Gemeinsamkeiten aus, die sie zu sehr stabilen Mietern machen. Oftmals handelt es sich um sehr bonitätsstarke Pharmakonzerne oder gut durchfinanzierte Start-ups, für die die Mietausgaben nur einen sehr geringen Teil ihres gesamten Budgets darstellen. Allerdings sind die Unternehmen auch sehr stark abhängig von ihren Forschungs- und Entwicklungserfolgen, weshalb vor einer Vermietung das Geschäftsmodell eingehend analysiert werden sollte.
Noch dazu bringen diese Unternehmen in den meisten Fällen einen klaren gesellschaftlichen Vorteil, indem sie Produkte und Lösungen entwickeln, welche die Lebensqualität oder sogar die Lebensdauer der Menschen erhöht. In einer Zeit, in der die soziale Nachhaltigkeit immer stärker zum relevanten Investmentkriterium wird, handelt es sich also um einen wichtigen wertbestimmenden Faktor.
Darüber hinaus zeichnen sich Unternehmen mit Life-Science-Schwerpunkt aufgrund ihrer hohen Nutzungsanforderungen, ihres langfristigen Forschungsansatzes und des allgemeinen Flächenmangels oft durch eine sehr hohe Standorttreue aus. Dabei ist ein weiterer wichtiger Faktor, dass sich trotz des technologischen Fortschritts die Flächen nicht substituieren lassen: Die relevanten Analysen und Experimente können nun einmal nicht im Homeoffice durchgeführt werden. Und anders als im Einzelhandel können die Geschäftsmodelle (und die damit in Verbindung stehenden Flächen) nicht durch Konkurrenten aus dem Internet ersetzt werden.
Chance 3: Life-Science-Flächen passen gut in moderne Campus-Lösungen
Wenn wir an Labore denken, fallen uns womöglich zuerst Sicherheitsschleusen, abgeriegelte Bereiche und womöglich sogar meterhohe Werksmauern ein. Tatsächlich jedoch fügen sich Life-Science-Flächen ideal in moderne Campus-Lösungen ein, in denen gemeinsam geforscht, entwickelt und produziert wird.
Keine Frage: Ein effizientes Sicherheitskonzept ist eine absolute Grundlage für die erfolgreiche Ansiedlung von Life-Science-Unternehmen. Allerdings können bei den gemeinsam nutzbaren Flächen starke Synergieeffekte auftreten – auch branchenübergreifend. Beispielsweise ist die Nähe zu Universitäten und Forschungseinrichtungen sehr wichtig, schon allein, um gut ausgebildete Fachkräfte anzuziehen. Das trifft aber genauso auf die IT-Branche, die Kommunikationstechnologie und die Segmente Automotive und Aerospace zu.
Auf diese Weise können Synergieeffekte zwischen den einzelnen Mietern entstehen; ganz ähnlich, wie wir es auch von Gewerbeparks und andere Formen der Unternehmensimmobilie kennen. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass sich bestehende Standorte bei den passenden Lagevoraussetzungen über die Jahre hinweg stärker in Richtung Life-Science entwickeln können. Schließlich kann eine Life-Science-Fläche an vielen Standorten entstehen, an denen auch eine Light-Industrial-Einheit oder sogar ein Büroensemble realisierbar wäre. Ist dieser Weg jedoch einmal eingeschlagen, lässt sich die Zeit nur schwer zurückdrehen.
Hürde 1: einmal Life Science, immer Life Science
Life-Science-Flächen sind nur in begrenztem Maße drittverwendungsfähig. Zwar ist es möglich, eine aufgegebene Produktionshalle oder ähnliche Transformationsimmobilien als Life-Science-Objekt neu zu positionieren. Hierfür fallen jedoch umfangreiche Investments an, unter anderem in eine sehr leistungsstarke Gebäudeinfrastruktur und eine erhöhte Sicherheitstechnik. Angesichts dieser sehr hochwertigen Nutzung sind die Mieter dazu bereit, höhere Quadratmeterpreise zu bezahlen, als das für die meisten anderen Flächentypen realistisch wäre.
Aber wie immer stecken die Chancen und Risiken im Detail, denn Mietlösung ist nicht gleich Mietlösung. Verschiedenste Konstellationen sind denkbar, aber nicht jede ist sinnvoll. Hier ist die Schnittstelle zwischen Nutzer/Mieter und Vermieter/Eigentümer entscheidend. Je nachdem, wo und wie diese Schnittstelle allokiert wird, birgt sie Chancen und Risiken für beide Seiten in der Errichtung, im Betrieb und eben auch mit Blick auf eine Zweit- oder gar Drittverwendungsfähigkeit.
Dementsprechend unwahrscheinlich ist es, dass sich solche Immobilien nach Auslaufen des Mietzyklus ökonomisch sinnvoll umrüsten lassen – weshalb der Eigentümer hundertprozentig von den langfristigen Zukunftsaussichten der Immobilie als Life-Science-Standort überzeugt sein sollte.
Hürde 2: Asset- und Property-Management sind äußerst komplex
Die Anforderungen der Mieter sind aber nicht nur während der Bauphase, sondern auch im täglichen laufenden Betrieb sehr hoch. Bei letzterem gilt es, die Versorgung, insbesondere die der technischen Anlagen, unterbrechungsfrei zu organisieren und damit auch das Ausfallrisiko zu minimieren.
Dementsprechend wichtig sind eine lückenlose Wartung und Instandhaltung. Hinzu kommt, dass ein umfassendes Verständnis für die branchenbezogenen Prozesse unabdingbar ist, um dem Mieter auf Augenhöhe zu begegnen und seine Bedarfe voll zu verstehen.
Hürde 3: ein energieintensiver Betrieb
Ähnlich zu klassischen Produktionsimmobilien sind Life-Science-Immobilien äußerst energieintensiv im Betrieb. Leistungsstarke Cryo-Technik (Kühllager), die rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr im Einsatz bleibt, ist nur eines von vielen Beispielen. Dementsprechend wichtig ist die Frage nach der Energiebilanz der jeweiligen Immobilien.
Das kann entweder eine große Herausforderung oder auch eine gute Chance bedeuten: Je durchdachter und effizienter das Energiekonzept ist und je mehr Strom beispielsweise durch Photovoltaikanlagen direkt vor Ort produziert werden kann, desto größer die Ersparnis für die Mieter bei den Betriebskosten. Umso wichtiger ist es, dass Immobilienentwickler und Asset-Manager ihre gesammelten Erfahrungen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit sinnvoll bündeln und ein passendes Gesamtkonzept bieten können.
Dieser Artikel erschien am 24.05.2024 online auf immobilienmanager.de.
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