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Künstliche Intelligenz erobert den Bau

13. Okt 2023

Gerhard List  |  List AG

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Schlagzeilen über aktuelle Entwicklungen, Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz (KI) in verschiedensten Lebens- und Arbeitsbereichen. Spätestens seit dem Erfolg von ChatGPT ist sie in unser aller Bewusstsein gerückt, und die Entwicklungsgeschwindigkeit der Technologien ist atemberaubend. KI-Anwendungen sind längst in unserem Alltag und unserer Arbeitswelt angekommen.

Das Bundesarbeitsministerium, das sich derzeit auch mit den Auswirkungen von KI-Anwendungen auf unsere Arbeitswelt beschäftigt, geht davon aus, dass es bis 2035 keinen Arbeitsplatz in Deutschland mehr geben wird, der nicht von KI unterstützt oder geprägt sein wird. Diese Prognose wird der rasanten Entwicklung jedoch nicht gerecht. Es steht wohl außer Frage, dass dies sehr viel früher der Fall sein wird. Auch in der Bau- und Immobilienbranche liegen erste Anwendungen alltagstauglich auf dem Tisch. Und damit ist die KI auch in dieser Branche längst angekommen. Hierbei ist sie kein Selbstzweck, sondern ein mächtiges Instrument, um Abläufe und Prozesse effizienter zu machen, Entscheidungen und Prognosen zu erleichtern, Ergebnisse zu verbessern und die Arbeitseffektivität zu erhöhen.

Die Frage stellt sich also, mit welcher Herangehensweise („Mindset“) wir dieser Technologie entgegentreten wollen. Mein Appell: Stellen wir sie uns als neues Mitglied im Team vor und heißen wir sie willkommen. Weisen wir ihr wie allen neuen Teammitgliedern ihren Platz und ihre Aufgaben zu und nutzen wir die Stärken. Lassen Sie uns also das Ankommen in unseren Unternehmen professionell und mit einem visionären Blick auf künftige Möglichkeiten gestalten. In unserer Branche, die sicherlich noch digitalen Nachholbedarf hat, wird sie auf jeden Fall dringend gebraucht – nur einige Blitzlichter.

Bessere Entscheidungen treffen
Beispiel Architektur- und Bauplanung: Es liegen heute schon verschiedenste KI-gestützte Softwareanwendungen vor, die Planungsbüros in unterschiedlichen Leistungsphasen unterstützen. Die Einsatzbereiche beginnen schon bei der Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung und reichen bis in die konkrete Ausführungsplanung und Konstruktionsentwicklung. Schon heute sind Architekten und Ingenieure mit KI-gestützten Tools in der Lage, eine viel größere Anzahl von Entwurfsvarianten auf ihre Vorteile und Nachteile hin zu untersuchen, um am Ende die bestmögliche Lösung zu finden. Was für ein Fortschritt!

Beispiel Projektmanagement: Welche Kostenauswirkungen in Bezug auf Investitionen und Lebenszyklus haben bestimmte Entscheidungen? Wie können der Baustellenablauf und die Logistik optimiert werden? Auch hier können KI-Werkzeuge helfen, die richtigen Schlüsse aus einer Vielzahl von Parametern zu ziehen und bessere Entscheidungen zu treffen. Auch durch gestörte Bauabläufe kosten- und zeitintensive Verzögerungen, die am Ende häufig auf nur allzu menschliche Fehleinschätzungen zurückzuführen sind, wären zu minimieren.

Beispiel serielles und modulares Bauen: Als eines der großen Zukunftsthemen der Branche wird KI dazu beitragen, industriell und stationär hergestellte Baugruppen und Raummodule weiter zu perfektionieren und das „fabrikgestützte“ Bauen auf eine neue Ebene zu heben. Ohne die durch KI unterstützte und automatisierte Herstellung vorgefertigter Gebäudekomponenten werden die vor uns liegenden Bauaufgaben, insbesondere im Wohnungsbau und darüber hinaus, kaum zu bewältigen sein. KI wird helfen, schon im Produktionsprozess Ressourcen zu schonen, Prozesse zu optimieren und zu flexibilisieren und Kosten zu senken.

KI sollte immer nur ein Instrument sein
Nicht zuletzt können wir die enorme Leistungsfähigkeit der KI einsetzen, um dem Ingenieur- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dies gilt für die private Wirtschaft genauso wie für die öffentliche Hand, wenn es etwa darum geht, unterbesetzte Abteilungen zu entlasten und komplexe Genehmigungs- und Prüfverfahren zu beschleunigen.

Die Stärken KI-gestützter Tools werden wohl vor allem dort zum Einsatz kommen, wo es darum geht, repetitive Aufgaben zu automatisieren und komplexe Berechnungen durchzuführen. Insbesondere dann, wenn große Mengen an Daten involviert sind. Geht es allerdings um Kreativität, Intuition, die Fortentwicklung ästhetischer Normen oder die Formulierung und Umsetzung politisch-gesellschaftlicher Ziele, kann und sollte KI immer nur ein Instrument und der Mensch der Gestalter sein. Wenn diese Technologie dafür sorgt, dass wir für diese Dinge mehr Zeit und Muße aufbringen können, dann ist sie klug eingesetzt.

Dieser Artikel erschien am 13.10.2023 in der FAZ

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