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Genug Platz in der Lücke

21. Jul 2023

Malte Andes  |  Hansemerkur Grundvermögen AG

Alternative Immobilien- und Projektfinanzierer haben in den Jahren der Niedrigzinsen stark an Bedeutung gewonnen. Gemeint sind in erster Linie Kreditfonds, aber auch darlehensgebende Versicherungen („Direct Lending”) sowie Mezzanine-Kapital, teilweise sogar von Privatanlegern. Einer der wesentlichen Treiber dafür war die große Kluft zwischen offiziellen Beleihungs- und tatsächlichen Marktwerten: Die in der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) festgelegten Kapitalisierungszinsen hatten sich weit vom tatsächlichen Marktgeschehen entfernt. Die Kreditinstitute mussten deshalb mit unrealistischen Beleihungswerten rechnen und entsprechend viel regulatorisches Eigenkapital vorhalten. Deshalb zogen sich viele Banken und Sparkassen auf niedrige Beleihungsausläufe zurück. Die dadurch entstehende Lücke zwischen Bankdarlehen und Eigenkapital wurde von den alternativen Finanzierern gerne genutzt.

Diese Konstellation hat sich mit der Zinswende nun verändert. Die tatsächlichen Ankaufsrenditen sind in der Regel zwar noch immer niedriger als die Kapitalisierungszinsen der BelWertV, aber sie nähern sich ihnen langsam wieder an. Damit wird die Finanzierungslücke wieder kleiner. Trotzdem werden die Real-Estate-Debt-Funds und die meisten anderen Finanzierungsalternativen ihre Stellung bewahren, und zwar aus mehreren Gründen.

Banken bleiben zurückhaltend
Erstens bewahren viele Banken und Sparkassen bis auf Weiteres ihre Zurückhaltung beziehungsweise ihr selektives Vorgehen bezüglich Immobilien- und Projektfinanzierungen bei – speziell was höhere Beleihungsausläufe betrifft, aber nicht nur dort. Zu einem Teil liegt das an relativ großer Vorsicht und Risikoaversion vieler Institute im Hinblick auf die herausfordernder gewordene Lage an den Immobilienmärkten. Alternative Finanzierer haben oftmals einfach ein anderes Risikomanagement, weil sie häufig andere Verwertungsoptionen nutzen können. Zum anderen Teil sind es aber auch immer noch die regulatorischen Anforderungen, vor allem in Bezug auf das zu unterlegende Eigenkapital in der eigenen Bilanz. Vielen Banken erscheinen Immobilienfinanzierungen oberhalb von 50 oder 60 Prozent Loan-to-Value (LTV) derzeit schlichtweg wenig attraktiv. Insgesamt ist die Kreditvergabe an den Immobilienmärkten derzeit so restriktiv wie lange nicht.

Zweitens haben Investoren und Projektentwickler die Finanzierungsalternativen nicht nur wegen ihrer vermeintlich höheren Risikobereitschaft und der Möglichkeiten, auch höhere Beleihungsausläufe zu finanzieren, schätzen gelernt. Alternative Kreditgeber sind zudem oftmals flexibler in der Gestaltung der Finanzierungskonditionen, Zusagen können rascher erfolgen, kurz- und mittelfristige Brückenfinanzierungen sind schneller und einfacher bereitgestellt. Diese Vorteile werden die Unternehmen auch in Zukunft nicht missen wollen. Das gilt insbesondere in Zeiten, in denen viele Entwickler ein größeres Augenmerk auf energetische Bestandssanierung und Refurbishments legen werden als auf klassischen Neubau, denn das kann größere Flexibilität und Komplexität in der Finanzierungsstrukturierung erfordern.

Aus Pionieren werden Profis
Gleichzeitig haben sich viele Anbieter alternativer Finanzierungen zunehmend professionalisiert – ein Prozess, der noch andauert. Die risikofreudigen Anbieter, die zu sehr hohen Zinskonditionen auch sehr riskante Projektentwicklungen bis zu 100 Prozent LTV finanzieren, werden in Zukunft seltener zu sehen sein oder ganz aus dem Markt ausscheiden. Dafür sind manche Finanzierer – wie auch Hansemerkur – in den Bereich der Senior-Loans vorgedrungen, wo sie zum Teil direkt mit den Kreditinstituten konkurrieren. Aufgrund der gestiegenen Zinsen ist dieses Segment inzwischen auch für die Investoren hochinteressant – entsprechende Mittel sind so-mit durchaus vorhanden. Die Zeiten, in denen Alternativfinanzierer jene Tranchen übernehmen, welche die Banken „übriglassen”, sind also längst vorbei.

Bedeutet das nun, dass die klassische Bankfinanzierung in Zukunft verdrängt wird? Keineswegs! Niedrige Beleihungsausläufe zu sehr günstigen Konditionen werden die Banken weiterhin besser beherrschen als die Alternativen. Die Kreditinstitute bilden somit die Basis einer modernen, komplexen Finanzierungsstruktur, die sich vielmehr aus unterschiedlichen Anbietern mit spezifischen Stärken zusammensetzt. Die Frage lautet nicht „Banken oder Alternative?”, sondern „Banken und Alternative – wer übernimmt was?”.

Banken sprechen mittlerweile selbst alternative Finanzierer an, ob sie bei einer komplexen Finanzierung nicht eine Tranche übernehmen wollen. Aus Konkurrenten – Banken und Alternativen – werden zunehmend Partner, die voneinander profitieren.

Dieser Artikel erschien online am 11.07.2023 im Immobilienmanager #4/2023.

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