Wohninvestments,

Wohninvestments in Deutschland – September 2021

9. Sep 2021

EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

Inflation, steigende Preise und mehr Regulierung – das eigentliche Thema aber, welches Eigentümer von Wohnimmobilien in den kommenden Jahren beschäftigen wird, lautet Nachhaltigkeit. Wer eine Immobilie besitzt und vermietet, wird sich verstärkt um den Energiehaushalt des Gebäudes und der einzelnen Wohneinheiten kümmern müssen. Das wirft viele Fragen auf, und zwar nicht nur monetäre. Woher soll man das Know-how für die energetische Sanierung bekommen? Welche Maßnahmen sind zwingend und welche ratsam? Und was können Eigentümer von veralteten Immobilien jetzt am besten tun? Die Antworten auf diese Fragen – sowie natürlich Wissenswertes zu den Themen Inflation, steigende Preise und verschärfte Regulierungen – lesen Sie im aktuellen WID-Newsletter. 

 

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. 

 

Jürgen Michael Schick und Dr. Josef Girshovich

BEITRÄGE

Die Wohnungskäufer von morgen

Daniel Preis  |  CSO, Domicil Real Estate AG

In Deutschland sind Vermieter nicht sonderlich beliebt. Viele Menschen denken an gnadenlose Miethaie und dieses Bild wird auch von Teilen der Politik gern bedient. Dabei entspricht dieses Klischee in den wenigsten Fällen der Realität. Etwa 60 Prozent der deutschen Mietwohnungen befinden sich in Privateigentum, es gibt rund sieben Millionen Vermieter in Deutschland, und diese wiederum bilden einen Querschnitt durch die Bevölkerung und alle Altersgruppen. Auch mit Blick auf die Vermögens- und Einkommensstrukturen spiegeln Vermieter den deutschen Durchschnitt wider. Umso interessanter ist daher, dass es in den vergangenen Jahren einige Verschiebungen bei den Investoren gegeben hat. Sie geben Aufschluss über die Vermieterstrukturen der kommenden Jahre und Jahrzehnte.

Immobilienanleger werden jünger

Auffällig ist, dass der Einstieg in die Mietwohnung zur Kapitalanlage heutzutage immer früher erfolgt. Wir beobachten, dass inzwischen auch viele Investoren unter 30 Jahren eine Mietwohnung kaufen. Berufseinsteigern mit zwei bis drei Jahren Erfahrung steht verständlicherweise zwar nur ein kleineres Budget zur Verfügung, die niedrigen Zinsen machen langfristige Finanzierungen aber weiterhin erschwinglich. Mit rund zehn Prozent Eigenkapital kann man im Einstiegssegment für rund 200.000 bis 250.000 Euro eine vermietete Wohnung kaufen und monatlich oftmals sogar erste Überschüsse erzielen.

Bei finanzierenden Banken, Sparkassen und Versicherungen ist die Entscheidung zur Immobilie als Kapitalanlage gern gesehen – weitaus lieber, als wenn sich junge Menschen den Traum vom selbst genutzten Eigenheim früh erfüllen wollen. Denn was viele nicht wissen: Banken unterscheiden zwischen Wohnungsfinanzierungen zur Kapitalanlage und Immobilieninvestitionen zur Selbstnutzung. Das ist durchaus verständlich: Das Eigenheim ist immer auch Konsumgut, während die vermietete Wohnung allem voran eine Kapitalanlage darstellt.

Neue Käuferkonstellationen

Unabhängig von den Altersstrukturen hat sich in den vergangenen Jahren auch bei den Käuferkonstellationen einiges getan. Für gewöhnlich stellt man sich als Immobilienanleger Ehepaare im gehobenen Alter und gehobenem Gehaltssegment vor, die mit einem hohen Eigenkapitalanteil steuergünstig für ihren Lebensabend vorsorgen wollen. Dabei ist der hohe Anteil an Eigenkapital in den meisten Fällen deswegen möglich, weil die Käufer Ablaufleistungen von Lebensversicherungen oder Bausparverträgen erhalten haben.

Oma und Enkelin, Schwestern, Kollegen in der GbR

So wie sich unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren modernisiert und verjüngt hat, haben sich auch die Käuferstrukturen gewandelt. Frauen kaufen beispielsweise gemeinschaftlich, um sich ein unabhängiges finanzielles Standbein aufzubauen. Schwestern entscheiden sich für die Kapitalanlage in eine Mietwohnung und verdoppeln so ihr Eigenkapital. Nicht selten gibt es auch generationenübergreifende Investitionen. Wenn Großmütter gemeinsam mit ihren Enkeln eine Wohnung kaufen, kann das erb- und steuerrechtlich nicht unerhebliche Vorteile mit sich bringen.

Zunehmend schließen sich auch Kollegen und Bekannte zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen, um in eine Immobilie zu investieren. Das hat dann den Vorteil, dass bei einem späteren Ausscheiden eines der Partner Anteile an der GbR statt an der Immobilie verkauft werden, für die keine Grunderwerbsteuer anfällt. Außerdem ist der Verkauf der Anteile an einer GbR weitaus weniger belastend für Freundschaften, als es der Verkauf von Anteilen an einer Immobilie häufig ist.

Fakt ist, dass man die Berufsstände bei den Käuferstrukturen nur schwer eingrenzen kann. Unter Angestellten gibt es eine höhere Tendenz zu Akademikern, die in eine Mietwohnung zur Kapitalanlage investieren, unter Selbstständigen ist der Anteil an Handwerkern groß. In allen Fällen ist weniger der Bildungsgrad entscheidend als die Einsicht und Bereitschaft, neben der gesetzlichen Altersvorsorge auch privat Kapital anzulegen und die niedrigen Zinsen als Finanzierungshebel zu nutzen.

Mindestgrenzen bei Einkommen

Für alle Privatinvestoren gelten dabei die gleichen finanziellen Mindestanforderungen. Bei Singles liegt die Hürde zum Einstieg in den Immobilienmarkt bei einem Nettoverdienst von rund 2.500 Euro im Monat, bei Paaren sind es 3.500 Euro. Das hat mit der Berechnung der Lebenshaltungskosten durch die Banken zu tun, die mit mindestens 200 bis 300 Euro Haushaltsüberschuss nach Abzug aller Kosten rechnen wollen, ehe sie dem Erwerb einer Immobilie zur Kapitalanlage zustimmen. Gleichzeitig werden Banken nervös, wenn bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter weniger als zehn Jahre verbleiben. Die geforderte Eigenkapitalquote steigt dann mit jedem weiteren Lebensjahr exponentiell nach oben, um den Anforderungen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu genügen. Beide Parameter haben unmittelbare Folgen für das Alter der Käufer, deren Gros zwischen 30 und 55 Jahren liegt.

Ältere kaufen größere Wohnungen, Junge setzen auf Risiko

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass es zwei deutliche Unterschiede gibt, die sich in eine direkte Beziehung zu den Altersstrukturen der Käufer setzen lassen. Wir beobachten folgende zwei Tendenzen: Je älter die Investoren sind, desto größer werden die Objekte. Insbesondere Doppelverdiener, die bis ins fortgeschrittene Alter ein Paar geblieben sind, haben in der Regel mehr Eigenkapital und höhere Einkommen, die ihnen entsprechend größere Investitionen ermöglichen. Auch spielt das herannahende Rentenalter eine entscheidende Rolle. Wer erst spät investiert, plant schon beim Kauf mit den späteren Mieteinnahmen und setzt daher auf größere Objekte.

Bei jungen Käufern ist dagegen nicht die Größe der Immobilie maßgeblich, sondern die Bereitschaft, mehr Risiken einzugehen. Das ist vermutlich auf die höhere Affinität zu Investitionen in Aktien und digitale Kapitalanlagen zurückzuführen, liegt aber auch an einer gewissen altersbedingten Sorglosigkeit. Vor allem ist dank der Zunahme von Finanzratgebern in den sozialen Netzwerken und Podcasts das Bewusstsein für Immobilien als Kapitalanlage bei jüngeren Leuten deutlich gestiegen. Wir gehen daher davon aus, dass die Quote der privaten Kleinvermieter in Deutschland allen regulatorischen Hürden zum Trotz in den kommenden Jahren weiterhin wachsen und sich verjüngen wird.

Was auf Hauseigentümer zukommt

Jakob Mähren  |  CEO, Mähren AG

Frage 1: Die Bundestagswahl in Deutschland steht bevor und es zeichnet sich ab, dass Sanierungen künftig deutlich strengeren Energieeffizienzvorgaben unterliegen werden. Was bedeutet dies für Wohnimmobilienbesitzer?

Da kommt einiges auf die Eigentümer zu. Ich sehe vor allem zwei große Baustellen. Erstens die Expertise. Private Eigentümer werden sich da in viele neuen Regulierungen einlesen müssen. Das betrifft nicht nur Sanierungsmaßnahmen, sondern auch den Austausch eigentlich funktionsfähiger Geräte. Wer davon ausgeht, dass man in einem Mehrfamilienhaus noch lange mit Öl heizen kann, der wird sich bald wundern. Das ist dann auch der zweite Punkt: Auf Eigentümer und Vermieter kommen in den nächsten Jahren erhebliche zusätzliche Kosten zu, mit denen sie nicht gerechnet haben. Zudem steigen die Zinsen wieder langsam an. Ob sich diese Investitionen ohne weiteres werden finanzieren lassen, werden wir sehen.

Frage 2: Durch höhere Instandhaltungskosten werden sich einige bisherige Geschäftsmodelle nicht mehr rechnen, doch wie könnte man Ihrer Meinung nach am besten von dieser Situation profitieren?

Als Eigentümer eines Mietshauses muss man jetzt genau rechnen. Grundsätzlich sehe ich Gefahren bei Immobilien, die nicht mehr als vier bis fünf Prozent Mietrendite abwerfen. Diese Renditen werden in den kommenden Jahren weiter schrumpfen. Auf der anderen Seite sollte man sich den Immobilienwert anschauen. In den vergangenen zwölf Jahren gab es bei Immobilien nur eine Richtung: Die Preise stiegen und stiegen. Wer vor zehn Jahren ein Mietshaus oder eine Wohnung erworben hat, hat allein dadurch schon eine erhebliche Wertsteigerung erfahren. Manche Eigentümer sollten also prüfen, ob sich jetzt ein Verkauf lohnt. Denn mit den zusätzlichen Investitionskosten werden viele Banken ihre Beleihungswerte anpassen müssen.

Frage 3: Sie sind bereits seit 2002 im Immobilienbereich tätig, gab es in den zurückliegenden 19 Jahren mal eine ähnliche Marktsituation?

Der deutsche Immobilienmarkt hat sich in den vergangenen Jahren sehr entwickelt. Er war viele Jahre im Dornröschenschlaf – der Staat war der größte Vermieter, einen Markt als solchen gab es kaum. Doch seit 2013 erleben wir einen kontinuierlichen Zuwachs an Regulierungen. Mietpreisbremse 1 und 2, Milieuschutzgebiete, Modernisierungsumlagen, der gescheiterte Berliner Mietendeckel, Enteignungsdebatten und jetzt das Baulandmobilisierungsgesetz – die Richtung ist also klar. Der Staat mischt mit und reguliert. Das wird sich in den kommenden Jahren nicht verändern, im Gegenteil. Das hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf den Markt. Man muss immer mehr Gesetze kennen, das erfordert eine deutliche Professionalisierung bei den Eigentümern. Und dann muss man beachten, dass die Preise gar nicht mehr so stark steigen wie in den vergangenen Jahren. Der deutsche Immobilienmarkt kommt also wieder in ruhigere Fahrwasser.

Frage 4: Es befinden sich derzeit mehr als 2.000 Wohneinheiten in Ihrem Bestand. Lohnt es sich zum aktuellen Zeitpunkt noch, in Immobilien in Deutschland zu investieren?

Das kann ich nicht pauschal beantworten. Für die einen Akteure ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Verkauf, für die anderen kann es sich noch lohnen zu investieren. Das hängt von mehreren Faktoren ab. Erstens muss man professionell agieren können, dazu sprachen wir bereits. Zweitens muss man schauen, wie hoch die Mietrendite ist, dort sind nämlich in den kommenden Jahren Abschläge zu erwarten. Und drittens muss man schauen, wie viel Eigenkapital man mit sich bringt beziehungsweise investiert hat. Je höher die Finanzierung war, desto eher lohnt sich jetzt ein Verkauf. Da kann man mit der Welle schwimmen und die Wertsteigerungsgewinne gut realisieren. Ob dieses Opportunitätsfenster noch lange offen sein wird, werden wir sehen.

Frage 5: Als Berliner Immobilieninvestor haben Sie ihre anfänglichen Investments in Berlin getätigt, würden Sie das heute auch so machen?

Berlin heute und Berlin vor 20 Jahren – da liegen Welten dazwischen. Als ich anfing, hat Berlin gerade Gebäude abgerissen und Häuser zurückgebaut. Der Senat ging davon aus, dass sich die Einwohnerzahl bei drei Millionen einpendeln wird. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen – Berlin ist auf dem Weg, vier Millionen Einwohner zu haben. Die fundamentalen Kennzahlen sind also komplett anders. In vielen Stadtteilen Berlins sind die Preise für Immobilien inzwischen so hoch, dass die Objekte eher Trophäen sind. Das heißt: Investoren kaufen ein Haus oder eine Wohnung, weil sie unbedingt eine Immobilie in Berlin haben wollen. Das hat mit Kapitalanlage und Vorsorge wenig zu tun. Ob und für wen sich Investitionen da noch rechnen, muss man sehr genau prüfen.

Frage 6: Was zeichnet bei der momentanen Lage des deutschen Immobilienmarkts ein gutes Investment aus?

Nach wie vor sind die Mieten in Deutschland sehr niedrig. Für Investoren bedeutet das, dass sie einiges an Arbeit erledigen müssen, um mögliche Potenziale zu heben – vor allem mit Blick auf die zunehmende Regulierung ist das nicht immer leicht. Ich würde privaten Investoren raten, zu schauen, was sie in den kommenden Jahren machen wollen. Soll die Immobilie ein Selbstläufer sein, muss man schon sehr viel Eigenkapital mitbringen. Will man hingegen professionell in den Markt einsteigen, braucht man viel Erfahrung und Geduld. Aber das heißt nicht, dass es keine guten Investitionen mehr gibt. Ich gehe nur davon aus, dass die Zeitspanne für solche Anlagen sehr lang ist. Wer eh vor hat, in den kommenden Jahren zu verkaufen, weil zum Beispiel die steuerliche Zehnjahresfrist ausgelaufen ist, der sollte das vielleicht besser früher als später machen.

Frage 7: Was ist Ihre Meinung zur Entwicklung des deutschen Immobilienmarkts in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten?

Der deutsche Immobilienmarkt hatte in den vergangenen Jahren sehr viel Rückenwind und hat sich enorm entwickelt. Jetzt geht dem Markt langsam die Puste aus. Das ist nachvollziehbar. Die Preise sind stark gestiegen, die Zinsen hingegen können gar nicht mehr weiter fallen. Auch hat der Staat unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er noch mehr regulieren wird. Private Anleger haben in den vergangenen Jahren erheblich profitiert, jetzt kommt die Phase der Konsolidierung.

Frage 8: Haben Sie einen Ratschlag für junge Unternehmer, die in Ihre Fußstapfen treten wollen?

Einfach anfangen. Es gibt nie den richtigen oder falschen Augenblick, um unternehmerisch tätig zu werden. Unternehmer heißen so, weil sie etwas unternehmen. Wer mit Immobilien arbeiten will, sollte ein gutes Gespür für Trends und Entwicklungen haben. Das heißt: Nachrichten lesen und die Augen aufhalten. Die wichtigsten Informationen bekommt man, wenn man neugierig ist und sich immer wieder fragt, was die Menschen wollen und was sie brauchen. Und dann muss man rechnen und schauen, ob sich ein Projekt lohnt.

Frage 9: Der US-Dollar ist im Jahr 2020 gegenüber dem Euro um etwa zehn Prozent gefallen, während die Immobilienpreise in Deutschland munter nach oben klettern. Lohnt sich da für einen amerikanischen Investor aktuell eine Investition?

Die USA sind weiterhin der größte und spannendste Immobilienmarkt der Welt. Als Investor erlebt man da eine andere Dynamik und Weite – das hat schlicht mit der Größe des Landes und der Vielzahl an Märkten zu tun. Der Blick auf die Wechselkurse allein reicht aber bei Weitem nicht aus, davon würde ich abraten. Es ist wie bei jeder Immobilieninvestition: Man muss die Objekte einzeln betrachten und prüfen und dann in einen Kontext zu der Mikrolage, der Makrolage und weiteren ökonomischen und demografischen Entwicklungen setzen. Da ist der amerikanische Markt nicht anders als der deutsche.

Frage 10: Auch in Amerika steigen die Immobilienpreise. Gibt es da Parallelen, aus denen man als amerikanischer Investor etwas lernen kann?

Auch wir haben in den USA investiert, vor allem im Sun Belt, also dem südlichen Teil der Vereinigten Staaten. Was man von den USA lernen kann, sind die klassischen Regeln von Angebot und Nachfrage. In den USA gibt es wenig Regulierungen, das ermöglicht sowohl dem Markt als auch den Menschen, ihre Budgets und ihre Ansprüche aktiv und flexibel anzupassen. Davon könnten wir in Deutschland auf jeden Fall lernen. Denn eines ist klar: Man kann Märkte mit immer mehr Regulierungen kaputt regulieren. Unternehmer aber kann man in einer freien Gesellschaft nicht verbieten.

Von einer Inflation könnten Immobilieninvestoren sogar profitieren

Tomasz Dukala  |  Board Member, EPH European Property Holdings

In den Sommermonaten ist die Inflation in vielen Ländern – auch in Deutschland – kräftig angesprungen. Das war zu erwarten, denn die Verbraucher erfüllen sich nach Corona-Lockerungen und Impfkampagnen nun aufgeschobene Konsumwünsche. Doch das Angebot kann die gestiegene Nachfrage jedoch nicht in jedem Fall kompensieren. Das bekommt jeder zu spüren, der zum Beispiel gerade eine Reise buchen oder bestimmte Waren kaufen möchte.

Ökonomen fragen sich jetzt, ob es sich dabei nur um ein kurzes Auflodern der Inflation handelt oder um ein Phänomen, das uns dauerhaft begleiten wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich schon mal vorsorglich von geldpolitischem Handlungsdruck befreit und ihr Inflationsziel nach oben angepasst: Statt wie bisher „unter, aber nahe bei zwei Prozent“ lautet das neue Ziel „zwei Prozent“, wobei signifikante mittelfristige Abweichungen nach oben wie nach unten als gleichermaßen unerwünscht gelten. Das ist durchaus ein Paradigmenwechsel. Und das Signal ist deutlich: Geldpolitische Reaktionen auf ein womöglich dauerhaft höheres Inflationsniveau wird es aus Frankfurt bis auf Weiteres nicht geben.

Mietverträge sind in der Regel inflationsindexiert

Als langfristig orientierter Immobilieninvestor blicke ich einem anhaltenden Inflationsszenario jedoch gelassen entgegen – sofern es bei moderaten Bandbreiten bleibt und sich keine Hyperinflation einstellt, wofür es bislang keine Anhaltspunkte gibt. Mietverträge im Gewerbeimmobilienbereich sind in der Regel inflationsindexiert, sie werden also regelmäßig an die allgemeinen Preissteigerungen angepasst. Die Mieterträge steigen also mit etwas zeitlicher Verzögerung, aber ansonsten synchron zur Inflation. Voraussetzung sind bonitäts- und wirtschaftlich starke Mieter, deren Umsätze ebenfalls mithalten können.

Immobilieninvestoren können sogar überproportional profitieren, wenn sie auf der Refinanzierungsseite langfristige Darlehensverträge zu festen Zinsen abgeschlossen haben – die Fremdkapitalkosten somit also für den Investor nicht nachziehen. Seit Jahresbeginn ist das Renditeniveau an den Anleihemärkten als Gradmesser für den Marktzins durchaus gestiegen, was hauptsächlich die gesunde Erholung der europäischen Volkswirtschaften widerspiegelt: Die deutsche Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit rentiert derzeit bei etwa minus 0,3 Prozent, nach minus 0,6 Prozent zum Jahreswechsel.

Eine anhaltend höhere Inflation ist kein Naturgesetz

Da die EZB jedoch ihre lockere Geldpolitik in vorhersehbarer Zukunft beibehalten wird – zumal in der Vergangenheit nach Wirtschaftskrisen fiskal- und geldpolitische Anreize verfrüht beendet wurden –, dürften sich die Marktzinsen selbst in einem Inflationsszenario weniger dynamisch entwickeln als die Preissteigerungen. Somit wird der Realzins weiter sinken und Immobilien bleiben eine bei Investoren begehrte Assetklasse. Steigen die inflationsindexierten Mieteinnahmen, würden in diesem Szenario die gehebelten Renditen selbst dann steigen, wenn auch die Fremdkapitalkosten durch Prolongationen irgendwann zunehmen.

Die Frage ist jedoch, ob es überhaupt zu einer dauerhaft höheren Inflation kommen muss. Bezogen auf die offiziellen Verbraucherpreise wäre ich mir da nicht so sicher. Wir haben schon in den vergangenen Jahren gesehen, dass eine Inflationswelle ausgeblieben ist, obwohl die geldpolitischen Voraussetzungen nach der reinen monetären Lehre gegeben waren: sehr niedrige Zinsen, eine expansive Geld- und Fiskalpolitik, eine robuste, an den Kapazitätsgrenzen laufende Konjunktur, praktisch Vollbeschäftigung (zumindest in Deutschland und anderen Ländern). Doch der technische Fortschritt, demografische Effekte sowie die wettbewerbsintensive Wirtschaft haben für eine vergleichsweise hohe Preisstabilität gesorgt. Dieses strukturelle Umfeld hat sich nicht verändert.

Verbraucherpreise alleine bilden die Realität nicht vollständig ab

Man darf allerdings seine Zweifel haben, ob die offiziellen Verbraucherpreise die Realität vollständig abbilden. Im Warenkorb für den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) werden langfristige Anschaffungen oftmals nicht angemessen repräsentiert. Das gilt erst recht für Investments in Vermögenswerte: Ob Bewertungen von Wertpapieren, Sachwertanlagen oder die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum – sie alle haben sich in den vergangenen Jahren sehr viel dynamischer entwickelt als die gemessenen Verbraucherpreise. Eine langfristige Vermögensbildung zur Altersabsicherung sollte kein Luxus sein, ist aber empfindlich teurer geworden.

Konservativ agierende Immobilieninvestoren können die weitere Entwicklung jedenfalls gelassen betrachten: Sollte es zu einem etwas höheren Inflationsniveau kommen, dürften die laufenden Mieterträge abzüglich Fremdkapitalkosten überproportional steigen. Zudem würde noch mehr Kapital in die inflationssicheren Immobilienmärkte fließen und die Bewertungen weiter steigen lassen. Man beachte allerdings den Konjunktiv: Strukturelle Gründe sprechen ebenfalls dafür, dass wir uns nach einer kurzen Inflationsepisode langfristig wieder auf dem Pfad von vor Ausbruch der Corona-Pandemie einpendeln. Auch das wäre keine schlechte Nachricht für Immobilieninvestoren. Eine Hyperinflation könnte langfristig ein Thema werden, allerdings gibt es bisher keine Anzeichen für eine solche Entwicklung.

Ein Flächenland als Alternative zu teuren Metropolen

Jürgen Michael Schick, FRICS  |  Präsident des IVD, Immobilien Verband Deutschland e.V.

Niedersachsen bietet Renditen zwischen 4,4 und 10,0 Prozent

Wer bisher nur auf Berlin, München oder Frankfurt am Main geschaut hat, sollte einen Blick auf den Immobilienstandort Niedersachsen werfen. Denn es sprechen gute Gründe dafür, auch außerhalb der Top-7-Städte spannende Investitionsstandorte zu finden, die für unterschiedliche Käuferprofile ein breites Spektrum an Möglichkeiten bieten.

Das Flächenland Niedersachsen verzeichnete im Jahr 2020 einen Bevölkerungszuwachs von 10.000 Personen, obwohl deutschlandweit die Bevölkerung im vergangenen Jahr erstmals seit 2010 nicht mehr gewachsen ist. Prognosen des Landesamts für Statistik Niedersachsen rechnen insbesondere für Hannover sowie für das Umland des Volkswagen-Stammsitzes Wolfsburg in den kommenden zehn Jahren mit Einwohnergewinnen um bis zu sechs Prozent. Ein weiterer Grund, der für das zweitgrößte Flächenland von Deutschland spricht, sind gute Wachstumsaussichten bis 2030. Einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos zufolge zählen die Städte Wolfsburg und Salzgitter sowie der Landkreis Gifhorn zu den Regionen mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in Niedersachsen. Schon heute weisen Hannover, Braunschweig, Wolfsburg und die Landkreise Gifhorn und Wolfenbüttel einen überdurchschnittlich hohen Kaufkraftindex in dieser Region auf. In Wolfsburg ist die Kaufkraft mit 25.966 Euro pro Einwohner am höchsten.

Im aktuellen Zinshaus-Marktbericht Niedersachsen 2021 von SCHICK IMMOBILIEN haben wir bewusst die Regionen zwischen Celle und Göttingen untersucht, da das Marktinteresse sich auf die darin abgebildeten Landkreise erstreckt. Betrachtet werden die Region Hannover, die Städte Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter sowie die Landkreise Celle, Gifhorn, Helmstedt, Peine, Wolfenbüttel, Hameln-Pyrmont, Hildesheim, Schaumburg, Goslar, Göttingen und Northeim. Unsere Analyse hat ergeben, dass der Handel mit Mehrfamilienhäusern in Niedersachsen mit 1.585 Objekten etwa so hoch ist wie im Vorjahr und somit die Nachfrage nach Zinshäusern trotz des knappen Angebots über dem Durchschnitt der zurückliegenden fünf Jahre liegt. Das Transaktionsvolumen fiel im Jahr 2020 mit 1,2 Milliarden Euro zwar nach dem Ausnahmejahr 2019 um 11,6 Prozent geringer aus, erzielte dennoch das zweithöchste Transaktionsvolumen aller Zeiten. Im Ranking der untersuchten Städte und Landkreise in Niedersachsen dominiert eindeutig Hannover auf Platz eins. Auf die gesamte Region Hannover mit der Landeshauptstadt entfällt mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes (667,5 Mio. Euro). Rekorde gab es auch in den Landkreisen Gifhorn, Wolfenbüttel und Helmstedt mit hohen Investitionszuwächsen. Eine hohe Nachfrage nach Zinshäusern führte auch zu einem Anstieg der Quadratmeterpreise um 11,2 Prozent von 1.070 auf 1.190 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt. Hierbei ist die Spanne der Kaufpreise besonders hoch. Denn Käufer in Northeim oder Goslar zahlen rund 570 Euro pro Quadratmeter, während Objekte in der Landeshauptstadt Hannover mit 2.363 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zu den Top-7-Städten auf einem noch moderaten Niveau liegen. Je nach Region lassen sich mit Rohertragsfaktoren zwischen dem 10-Fachen und 23-Fachen der Jahresnettokaltmiete immer noch Bruttoanfangsrenditen zwischen 10,0 und 4,4 Prozent erwirtschaften. Die Mieten für Bestandswohnungen sind im gesamten Untersuchungsgebiet um 3,4 Prozent von 6,70 auf 7,00 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Die höchste Bestandsmiete ist in Göttingen mit 9,73 Euro pro Quadratmeter zu zahlen. Das größte Mietsteigerungspotenzial können Käufer von Mehrfamilienhäusern in Helmstedt erwarten. Dort sind die Bestandsmieten um 6,6 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. In der Spitze liegen die Mieten in Neubauwohnungen aktuell bei 12,86 Euro pro Quadratmeter. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Aus den Leerstandsquoten ist zu entnehmen, dass eine besonders hohe Nachfrage nach Wohnungen in Wolfsburg, Braunschweig und Hannover zu erkennen ist. Aktuell liegt die Leerstandsquote bei 1,4 Prozent in Wolfsburg und bei 1,8 Prozent in Braunschweig und Hannover.

Die Ergebnisse des Zinshausmarktberichts Niedersachsen zeigen, dass die untersuchten Regionen in Niedersachsen ein hohes Wertsteigerungspotenzial aufweisen. Käufer, die bisher bei der Investition auf die Top-7-Städte geschaut haben, sollten ihren Fokus auf Niedersachsen erweitern. Denn dort ergeben sich spannende Chancen, etwa in Hannover, Braunschweig oder Helmstedt.

Laden Sie sich den Zinshaus-Marktbericht Niedersachsen 2021 als PDF herunter:

https://schick-immobilien.de/immobilienmakler-niedersachsen/

Nachrichten

Faktisches Aufteilungsverbot eingeführt

Mit Inkrafttreten des Baulandmobilisierungsgesetzes können die Bundesländer nun für angespannte Wohnungsmärkte weitere Verschärfungen bei Privatisierungen von Mietshäusern vornehmen. Insbesondere gilt dann, dass die Aufteilung von Häusern mit mehr als fünf Wohneinheiten einem kommunalen Genehmigungsvorbehalt unterliegen. Faktisch kommt dieser Genehmigungsvorbehalt einem Aufteilungsverbot gleich, da die Ausnahmen sehr eng gefasst sind. Unter anderem müssen Aufteilungen genehmigt werden, wenn zwei Drittel der Mieter ihre Wohnung kaufen wollen, was aber nur sehr selten der Fall sein wird. Experten sagen voraus, dass durch die Verschärfungen das Angebot an Bestandswohnungen am Immobilienmarkt in den kommenden Jahren weiter zurückgehen wird und in der Folge die Preise für bereits aufgeteilte und Neubauwohnungen weiter steigen werden.

Die Speckgürtel profitieren

Die Vororte und Speckgürtel der großen Metropolen werden attraktiver. Als Folge der Corona-Pandemie und der steigenden Preise für Eigentumswohnungen in den Städten entscheiden sich immer mehr Familien für den Umzug außerhalb der Innenstädte. Dabei sind nicht nur Wohnimmobilien zu Kauf in den Speckgürteln nachgefragt, sondern zunehmend auch Reihen- und Einfamilienhäuser zur Miete. Grundstückseigentümer in den Vororten können in der Folge mit einer erhöhten Nachfrage rechnen, wobei nicht nur Projektentwickler und Endverbraucher, sondern auch Investoren in Immobilienpakete zunehmend an solchen Objekten interessiert sind.

Vermieter müssen nachhaltiger agieren

Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Wohnimmobiliensektor werden in den kommenden Jahren europaweit immer wichtiger. Vor allem der Austausch in die Jahre gekommener Heizungsanlagen, die Außendämmung von Fassaden und die Energiegewinnung werden viele Eigentümer und Vermieter vor Herausforderungen stellen. Zwar werden für die notwendigen Umbauten Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt, die Umsetzung wird aber vor allem kleinere Vermieter finanziell wie zeitlich belasten. So dürfen in Frankreich Wohnungen der schlechteren Effizienzklassen – entsprechend den Stufen F und G auf dem Energieausweis – ab dem Jahr 2028 nicht mehr vermietet werden. Vermieter in Deutschland sollten sich darauf einstellen, in den kommenden Jahren mit verpflichtenden energetischen Sanierungen zu rechnen.