Wohninvestments in Deutschland – September 2024
2. Sep 2024
2. Sep 2024
Liebe Leserinnen und Leser,
der Herbst steht vor der Tür, und in den vergangenen Monaten zogen viele Branchenteilnehmer Bilanz und stellten ihre Prognosen auf den Prüfstand. Es lässt sich sagen: Der Markt erholt sich, wenn auch ambivalent. Während sich die Kaufpreise für Wohnimmobilien bundesweit noch unterschiedlich entwickeln, haben sich die Preise für Renditeimmobilien vor allem in den Metropolen merklich stabilisiert.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die genauen Ursachen für die Wertentwicklung einer Immobilie festzuhalten: Nicht nur die Wirtschaftslage, sondern auch Faktoren wie soziales Milieu, Flexibilität, Infrastruktur und Nachhaltigkeit spielen wichtige Rollen. Obwohl der Berg an leistungsgestörten Krediten (NPLs) wächst – was auch Chancen bietet –, können Investoren mit Stadtaufwertungsprojekten ganze Stadtviertel optimieren und neugestalten.
Bald schon steht die EXPO REAL an, Deutschlands wichtigste Immobilienmesse. Obwohl Deutschland nach wie vor zu wenig Wohnungsneubau aufweist, ist zumindest der Wohninvestmentmarkt lebendiger als in der Presse oftmals dargestellt. Investoren werden aktiv, um in dieser Marktphase attraktive Einstiege wahrzunehmen. Wir sind uns sicher: Die Stimmung bei der EXPO wird diese Entwicklungen widerspiegeln und besser sein als von manchen erwartet.
Wir sehen uns auf der EXPO, bis dahin wünschen wir einen schönen Spätsommer und eine informative Lektüre!
JMS und HFR
Stefan Spilker | Geschäftsführer, FOX Real Estate GmbH
Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Ausgangslage blicken die deutschen Projektentwickler zurzeit ganz genau auf Faktoren wie Baukosten, Mietpreisentwicklungen und Renditeaussichten. Doch auch die Qualität der lokalen Infrastruktur wie ÖPNV-Anbindung, Schulen, Kitas und Kindergärten, Nahversorgung und Grünflächen beeinflusst die spätere Preisgestaltung von Projektentwicklern. Welche Faktoren dabei die größten Auswirkungen haben, hängt maßgeblich vom jeweiligen sozialen Milieu ab, das die Zielgruppe bildet.
Die Ausgangslage wird keinesfalls leichter
Für den Zeitraum von 2010 bis 2022 zeigt der Baupreisindex des Statistischen Bundesamts einen Anstieg um 64 Prozent – während sich die Inflationsrate im selben Zeitraum lediglich um 25 Prozent erhöht hat. Trotz der aktuellen Krise sind diese Kosten nicht signifikant gesunken, während gleichzeitig die politischen Unwägbarkeiten bei den ESG-bezogenen Regularien und bei den Fördermitteln zugenommen haben.
Wenn ein Projektentwickler trotz dieser herausfordernden Umstände ein Projekt in Angriff nehmen kann, ist es umso wichtiger, die Zielgruppe des jeweiligen Produkts im Vorfeld exakt zu bestimmen. In der Realität konzentrieren sich einige Projektentwickler zu stark auf die Gegebenheiten und Potenziale des jeweiligen Grundstücks und manchmal zu wenig auf die soziale Durchmischung und die existierende Infrastruktur in der jeweiligen Makrolage.
Der Blick auf die sozialen Faktoren mag zunächst wie eine Selbstverständlichkeit wirken: Ein Hamburger Projektentwickler würde in der geschäftlich geprägten HafenCity wohl kaum Wohnprojekte planen, die sich ausschließlich auf Familien konzentrieren – sondern diese in Winterhude, Lokstedt oder Eppendorf realisieren. Dementsprechend unsinnig wäre es, bei den Flächen auf Einheitslösungen zu setzen, nur weil sich diese womöglich an anderen Standorten bewährt haben.
Die Sinus-Milieus wandeln sich
Die tatsächlichen Herausforderungen liegen allerdings wie immer im Detail. Es zeigt sich immer stärker, dass sich die Bedürfnisse innerhalb der sozialen Milieus mit hoher Dynamik anpassen – vor allem in der gesellschaftlichen Mitte. Eine aktuelle Studie der Sozialforscher des Sinus-Instituts aus Berlin und der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh ergab, dass die Mitte der Gesellschaft stark an Zuversicht verliert. Nur noch jeder vierte Mensch im sogenannten nostalgisch-bürgerlichen Milieu und nur noch jeder zweite im adaptiv-pragmatischen Milieu, die die Mittelschicht ausmachen, blickt optimistisch in die Zukunft. Verglichen mit den Ergebnissen aus dem Jahr 2022 ist das ein deutlich negativeres Ergebnis. Daraus können unter anderem eine sparsamere Lebensweise und ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis entstehen. Für die Bewertung von Wohnimmobilienstandorten kann dies wiederum bedeuten, dass bestimmte Freizeitangebote und eine Event-Location weniger wichtig sind als klassische soziale Infrastruktur wie Schulen, Kita-Plätze, Parks und Grünanlagen oder auch eine gute ärztliche Versorgung. Auch die Bezahlbarkeit des Wohnraums rückt damit nochmals stärker in den Fokus der Nutzer.
Eine gegenteilige Ausgangslage ergibt sich bei den meisten Sinus-Milieus innerhalb der Oberschicht und oberen Mittelschicht. Sowohl die „Bildungselite“ als auch die „Leistungselite“ und die eher künstlerisch geprägten Milieus setzen auf Standortqualitäten, welche vor wenigen Jahren noch nicht relevant waren. Wichtig dabei sind häufig Kriterien der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit – sowohl beim Immobilienkonzept und bei der Bauweise als auch in der direkten Umgebung. Zudem sind viele dieser Haushalte inzwischen noch stärker international in ihrem Mindset aufgestellt als noch vor wenigen Jahren. Für einen Projektentwickler mit Fokus auf eher vermögende Zielgruppen kann ein prüfender Blick sehr hilfreich sein, ob die Schule in der Nachbarschaft mit Sprachkursen auf Mandarin punkten kann oder Rugby zu den Sportarten zählt, die Vereine vor Ort anbieten.
Was letztlich die wichtigen preisbildenden Standortfaktoren sind, entscheidet sich aus der Lebenswirklichkeit der Zielgruppen heraus. Dementsprechend sollten Immobilienentwickler ihre Konzepte auf die existierenden Milieus anpassen – und nicht etwa erwarten, dass die gewünschte Zielgruppe vom eigenen Projekt angezogen wird und freiwillig in eine Nachbarschaft zieht, die eigentlich nicht zu ihr passt. Die Königsdisziplin der Quartiersentwicklung besteht allerdings darin, möglichst viele verschiedene geeignete Zielgruppen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergründen zu identifizieren und darauf aufbauend ein zeitgemäßes Quartierskonzept zu entwickeln, das die Interessen aller berücksichtigt. Wo es an Infrastruktur fehlt, sollte diese zudem gezielt innerhalb des Quartiers geschaffen werden. Diese Faktoren zu ignorieren – oder aber sie zu belächeln – wäre für die langfristige Zukunftsfähigkeit des Projekts sehr problematisch.
Der gemeinsame Nenner lautet Mobilität
Eine Pauschalisierung, welche Standortfaktoren am stärksten wertbestimmend sind, wäre also unsinnig – mit vielleicht einer Ausnahme. Moderne Mobilitätskonzepte und die Vermeidung von übermäßigem Individualverkehr sind inzwischen bei so gut wie jeder Neuentwicklung äußerst relevant. Natürlich sind Standorte im Speckgürtel weiterhin Kfz-lastiger als innerstädtische, was sich bei der Planung von Stellplätzen sowie vielen anderen Details niederschlägt.
Allerdings setzen immer weniger Menschen auf das eigene Auto, und das über die meisten sozialen Milieus hinweg. Durch das wachsende Umweltbewusstsein der jüngeren Generationen dürfte sich dieser Trend künftig sogar nochmals deutlich verstärken. Eine effiziente ÖPNV-Anbindung sowie die Kompatibilität mit Carsharing und ähnlichen Angeboten wirken sich immer stärker auf die erzielbaren Miet- und Kaufpreise von Wohnimmobilien aus. Diese Faktoren nehmen also nicht nur in der Innenstadt immer mehr an Bedeutung zu, sondern auch in der Peripherie.
Michael Baureis | CFO, Ehret+Klein AG
In Zeiten wachsender urbaner Verdichtung und steigender Anforderungen an nachhaltige Entwicklung ist die Optimierung bestehender städtischer Strukturen ein zentrales Thema für die Immobilienwirtschaft. Dabei rückt die Idee der Stadtreparatur in den Vordergrund, die als innovativer Ansatz weit mehr als nur die Modernisierung von Gebäuden umfasst. Dieser umfassende Prozess eröffnet Investoren attraktive Möglichkeiten, indem er nicht nur auf die Instandhaltung bestehender Infrastrukturen abzielt, sondern die Transformation ganzer Stadtteile fördert. Hierbei geht es darum, vorhandene urbane Räume neu zu denken und sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch und sozial zukunftsfähig zu gestalten.
Urbane Neugestaltung als Werttreiber
Die Stadtreparatur, verstanden als ganzheitliche Verbesserung städtischer Gebiete, schafft vielfältige Investitionsmöglichkeiten. Dieser Ansatz zielt darauf ab, nicht nur bestehende Gebäude zu renovieren, sondern ganze Stadtviertel neu zu gestalten und dabei Wohnen, Arbeiten und Freizeit optimal zu kombinieren. Für Investoren bietet sich hier die Gelegenheit, in Projekte zu investieren, die nicht nur die städtische Entwicklung vorantreiben, sondern auch langfristig im Wert steigen. Wer in die Weiterentwicklung urbaner Räume investiert, nutzt das Potenzial, das in den wirtschaftlichen Aufwertungen unserer Städte steckt.
Strategien für nachhaltigen Erfolg
Die Investition in Stadtreparaturprojekte bringt auch Herausforderungen mit sich. Zum einen erfordert die Komplexität der Projekte eine enge Zusammenarbeit mit Stadtplanern, lokalen Behörden und der Zivilgesellschaft. Zum anderen müssen Investitionsentscheidungen immer stärker auf ESG-Kriterien basieren, was die Bewertung von Projekten anspruchsvoller macht. Doch gerade in dieser Komplexität und dem Fokus auf Nachhaltigkeit liegen auch große Chancen: Die Nachfrage nach umweltfreundlichem und sozial verantwortlichem Wohn- und Gewerberaum nimmt kontinuierlich zu, was das Potenzial für stabile Renditen weiter steigert.
Investoren können durch frühe Einbindung in den Planungsprozess nicht nur die Gestaltung der Projekte beeinflussen, sondern auch deren wirtschaftliche und soziale Relevanz sicherstellen. Zudem bietet die Investition in nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte Zugang zu attraktiven Fördermitteln und steuerlichen Vorteilen, die die finanzielle Rendite zusätzlich erhöhen können.
ESG als Schlüssel zu resilienten Anlagen
ESG-Kriterien spielen eine immer größere Rolle bei Investitionsentscheidungen. Investoren, die sich für Stadtreparaturprojekte engagieren, können nicht nur finanzielle, sondern auch ökologische und soziale Renditen erzielen. Ein bewusster Umgang mit Ressourcen, die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und die Einhaltung hoher Governance-Standards tragen dazu bei, das Risiko von Investitionen zu reduzieren, da diese Projekte potenzielle künftige regulatorische Anforderungen bereits berücksichtigen.
Ein Wegweiser für die Zukunft der Stadtentwicklung
Die Stadtreparatur als umfassender Ansatz zur Neugestaltung urbaner Räume bietet Investoren nicht nur die Aussicht auf attraktive Renditen, sondern auch die Möglichkeit, aktiv zur Gestaltung zukunftsfähiger, lebenswerter Städte beizutragen. Durch die intelligente Verbindung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zielen leisten sie einen Beitrag, der weit über finanzielle Gewinne hinausgeht und die Grundlage für eine nachhaltige Stadtentwicklung legt.
Oliver Platt | Managing Partner bei Arcida Advisors
Endlich! Im Juni hat die Europäische Zentralbank (EZB) zum ersten Mal nach fast fünf Jahren und zehn Leitzinserhöhungen in Folge die Leitzinsen gesenkt. So dürften zumindest viele in der Immobilienbranche denken. Doch für Entwarnung auf dem Immobilienmarkt ist es noch zu früh. Die Baukosten sind unverändert hoch. Transaktionen finden kaum statt. Und auch die erzielbaren Kaufpreisfaktoren am Markt sind in Bewegung geraten. Sie liegen oft nicht mehr oberhalb von 20, sondern im Einzelfall zwischen 10 und 15. Und das gilt sogar für Objekte, die durchaus marktfähig sind.
Zudem hält auch die Zurückhaltung der Banken bei Finanzierungen an. Auch hier kann von „back to business as usual“ keine Rede sein. Der Tritt auf die Bremse bei neuen Finanzierungen dürfte künftig eher noch stärker ausfallen.
Banken müssen langsam handeln
Dafür gibt es mehrere Gründe. Dazu gehört beispielsweise der weiter anwachsende Berg von ausfallgefährdeten Krediten (Non-Performing Loans – NPL) in den Büchern der Institute. Und auch der Druck, den die Aufsichtsbehörden in puncto Immobilienfinanzierungen auf die Banken ausüben, nimmt stetig zu.
So hat die EZB sogenannte Targeted Reviews und On-site Inspections gestartet, also gezielte Prüfungen in Verbindung mit Einsichtnahme vor Ort. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wiederum ist mit Kreditwesengesetz-Sonderprüfungen aktiv. Besonders die Anforderungen der MaRisk werden streng überwacht, das heißt, der Wert der Sicherheiten wird mittels einer Analyse des Sicherheitenportfolios überprüft und das LTV-Risiko, also das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs-/Marktwert, abgeschätzt. Die niedrigeren Verkehrswerte von Immobilien kommen daher langsam, aber sicher in den Kreditportfolien der Banken an und zwingen sie zu handeln.
Faule Gewerbeimmobilienkredite um 129 Prozent gewachsen
Zu den NPL: Aktuelle Zahlen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) zeigen einen anhaltenden Anstieg. Ende des ersten Quartals 2024 betrug das Volumen der faulen Gewerbeimmobilienkredite in Deutschland 14,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahreswert ist dies ein Anstieg um 129 Prozent. Das Volumen aller NPL hierzulande legte im selben Zeitraum um ein Viertel auf 39,8 Milliarden Euro zu.
Und ein Ende dieser Entwicklung ist mit Blick auf die kommenden Jahre nicht zu erwarten. Denn die Refinanzierung ist auch trotz der jüngsten Zinssenkung viel teurer geworden. Das gilt insbesondere für Kredite, die vor rund sieben bis zehn Jahren abgeschlossen wurden und die in den Jahren 2024 bis 2026 fällig werden. Die Refinanzierungssituation bedingt, dass zahlreiche weitere Immobilienunternehmen in Schieflage geraten dürften. Zum Jahresende dürfte es nach unserer Einschätzung im deutschen Gesamtmarkt rund 60 Milliarden Euro an NPLs geben. Was einem Plus von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Ende des ersten Quartals bedeuten würde. Und selbst diese Zahl könnte sogar noch weiter steigen. Denn in den kommenden beiden Jahren endet die Laufzeit sehr vieler Bestandskredite aus der Boomphase.
Für manche Marktteilnehmer auf dem Immobilienmarkt dürften die Aussichten unverändert düster sein. Für andere, mutige ergeben sich jedoch auch Chancen. So wird das wachsende Volumen der NPL für ein Mehr an Verkäufen dieser notleidenden Kredite sorgen. Vieles findet momentan noch unterhalb der magischen Grenze von 100 Millionen Euro statt, ab der ein Einstieg für angelsächsische Private-Equity- und Hedgefonds reizvoll ist.
Noch Zurückhaltung bei NPL-Käufen
Diese „kleineren“ NPL-Verkaufsangebote sehen sich zurzeit Single und Multi Family Offices sehr genau an. Die Sondierungen erfolgen diskret und mit großer Vertraulichkeit. Deutsche Institutionelle Investoren halten sich mit NPL-Käufen noch zurück. Dabei besteht allerdings für sie die Gefahr, den günstigen Einstiegspunkt zu verpassen. Das war von 2003 an und nach der Finanzkrise schon einmal so.
NPL-Verkäufe erfordern einschlägige Restrukturierungskonzepte, gepaart mit konsequenten Workout-Strategien. Dieses Know-how ist in vielen Banken inzwischen nicht mehr vorhanden. Marktteilnehmer, ob Investoren oder Kreditinstitute, sind also auf Partner angewiesen, die entsprechendes Wissen bieten und bei der Umsetzung unterstützen können.
Jürgen Michael Schick, FRICS | Michael Schick Immobilien
Auf den ersten Blick vermitteln die Schlagzeilen über den Zustand des Immobilienmarktes und vor allem über die Neubau-Krise die immer gleichen negativen Botschaften. Auch das Niveau der politischen Lösungsvorschläge hat einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Aber: Auf den zweiten Blick herrschen vor allem im Bereich Wohnimmobilieninvestments Stabilität und Aufbruch. Wohin strebt der Immobilienmarkt in diesem Jahr?
Wenn in wenigen Wochen die wichtigsten Akteure der Immobilienbranche auf der diesjährigen EXPO REAL in München zusammentreffen werden, ist bereits heute klar: Unterschiedlicher könnte die Stimmungslage bei den Vertretern der jeweiligen Assetklassen nicht sein.
Auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die eigentlich das Thema Neubau vorantreiben wollen. In diesem Umfeld reißen die Negativschlagzeilen nicht ab. Eine der prägnantesten der jüngsten Zeit lautet, dass für 2026 nur noch 175.000 neu gebaute Wohnungen erwartet werden. Noch knapp 300.000 waren es gemäß Ifo-Institut im Jahr 2022 – die Bundesregierung warf lange die Zahl 400.000 Neubauwohnungen als Ziel in die Runde. Die Neubau-Krise manifestiert sich vor allem in den Städten, wo Wohnraum mittlerweile Mangelware ist. Mangel herrscht auch, wenn man sich die Qualität der politischen Vorschläge anschaut, wie der Krise beizukommen ist. Einer der jüngsten Schnellschüsse von Bundesbauministerin Klara Geywitz, dass betroffene Bürger einfach die Leerstände in der Peripherie und auf dem Land nutzen sollten, trägt nicht zur Lösung bei.
Stabilisierungskurs im Wohninvestmentmarkt
Auf der anderen Seite steht der Wohninvestmentmarkt. Neueste Zahlen belegen: Der Stabilisierungskurs der vergangenen Monate hält in dieser Assetklasse unvermindert an. Das belegen Daten, die aus dem Zinshausmarktbericht Berlin von Schick Immobilien für das zweite Quartal 2024 hervorgehen. Die durchschnittlichen Preise und die steigenden Umsätze zeigen deutlich, dass sich das Marktgeschehen intensiviert hat: Im Durchschnitt kostet ein Wohn- und Geschäftshau 2.401 Euro pro Quadratmeter in der deutschen Hauptstadt. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2023 wiesen Mehrfamilienhäuser sowie Wohn- und Geschäftshäuser einen mittleren Kaufpreis von 2.377 Euro pro Quadratmeter aus.
Auch das Transaktionsvolumen in diesem Markt hat sich erfolgreich entwickelt und liegt nun zum dritten Mal hintereinander über dem jeweiligen Vorjahresquartal. Der Transaktionsumsatz im zweiten Quartal 2024 ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um ca. 18 Prozent gestiegen. Insgesamt wurden Wohn- und Geschäftshäuser im Wert von 863,9 Millionen Euro auf dem Berliner Markt vermittelt – auch das ein Zeichen für die anhaltende Stabilisierung dieses Teilmarkts.
Private Investoren besonders aktiv
So wichtig und prägend der Berliner Immobilienmarkt auch für den deutschen Markt insgesamt sein mag – immerhin macht er gut 20 Prozent davon aus –, so wichtig ist es auch, über den Tellerrand zu schauen Als Immobilienmakler sind wir von Schick Immobilien nicht mehr nur auf dem Berliner Heimatmarkt aktiv. Das Engagement erfolgt in mittlerweile gut 75 Standorten. Der Fokus liegt dabei auf den Top-Standorten München, Hamburg, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Stuttgart, Köln und Leipzig. Aber auch die Märkte in kleineren Städten können von Interesse sein.
Das alles zeigt: Der Wohninvestmentmarkt in Deutschland ist gesund – jenseits aller Negativbotschaften. Immobilien als Investmentobjekte sind vor allem bei zwei Investorengruppen im Fokus: Besonders aktiv sind momentan private Investoren, Family-Offices und auch Stiftungen, die die aktuelle Marktlage als Chance interpretieren, ihr Portfolio zu erweitern und aufzuwerten, um solide Renditen über einen langen Zeitraum erwirtschaften zu können. Die zweite aktive Gruppe im Markt für Bestandsimmobilien sind gewerbliche Investoren, die auf eine Value-Add-Strategie im Zuge sich verschärfender Klimaschutzanforderungen setzen.
Die Gründe für den Erfolg dieser Assetklasse liegen auf der Hand. Zunächst ist diese Entwicklung Folge einer demografischen Entwicklung in der Hauptstadt. Die Bevölkerung von Berlin wuchs im kurzen Zeitraum von Anfang 2020 bis Ende 2023 von etwa 3,67 Mio. auf rund 3,78 Mio. Einwohner, eine Zunahme von mehr als drei Prozent. Dies hatte und hat noch immer Folgen für die Mietpreisentwicklung. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stiegen die Mieten für Bestandswohnungen um rund 20 Prozent und für Neubauwohnungen um rund elf Prozent. Der kontinuierliche Anstieg der Angebotsmietpreise sowohl für Bestands- als auch für Neubauwohnungen hält damit weiter an, mit besonders starkem Wachstum im Bestandssegment.
Ausblick: Gemeinsam an Lösungen arbeiten
Mit Blick auf die EXPO in München gilt deshalb: Im Bereich Wohninvestments stehen die Zeichen nicht auf Krise wie in vielen anderen Assetklassen der Immobilienbranche. Es herrscht Optimismus. Umso wichtiger ist, dass sich nun alle Akteure aus Politik und Branche unterhaken und gemeinsam an wirklichen Lösungen arbeiten. Lösungen, die ein politisches Gesamtbild ergeben und über den Tag und die Legislaturperiode hinaus wirken.
Die Daten des Zensus 2022 liegen nun vor, welcher auf Daten aus der stichprobenartigen Befragung von zwölf Prozent der Bevölkerung basiert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) beantworteten darüber hinaus 23 Millionen Eigentümer Fragen zu ihren Immobilien im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung. Auch etwa 8.000 Immobilienunternehmen waren teil der Befragung. Ein wesentliches Ergebnis ist dabei der nationale Leerstand, der sich zum Stichtag der Zensus-Befragung vom 15. Mai 2022 auf rund 1,9 Millionen Wohnungen belief. Die Leerstandsquote beträgt damit nach Berechnungen von Destatis 4,3 Prozent in Deutschland. Trotz des Wohnungsmangels, der gerade urbane Ballungsräume umtreibt, stehen in mehreren deutschen Großstädten tausende Wohnungen leer. Während es in Berlin mehr als 40.000 Wohnungen sind, kommt München auf mehr als 20.000 und Hamburg sowie Leipzig auf etwas weniger als 20.000. 55 Prozent der Wohnungen auf nationaler Ebene stehen mehr als ein Jahr leer, 38 Prozent waren in den folgenden drei Monaten wieder bezugsfertig. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen hatten mit 52 bis 61 Prozent an schnell verfügbaren Wohnungen höhere Quoten als der nationale Durchschnitt. 24 Prozent der leerstehenden deutschen Wohnungen sollten modernisiert oder saniert werden, sieben Prozent standen für den Verkauf oder Eigenbedarf leer und für lediglich vier Prozent war der Abriss geplant. Der Leerstand in Berlin ist seit dem letzten Zensus gesunken: 2011 standen noch etwa 66.000 Wohnungen leer. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis der Bestandsmieten in Berlin liegt für 2022 bei 7,67 Euro und ist damit niedriger als in München, Stuttgart oder Frankfurt am Main. Auch die Mietbelastungsquote, der Anteil der Miete am Haushaltsnettoeinkommen, ist mit 27,2 Prozent in Berlin niedriger als im Bundesdurchschnitt von 27,8 Prozent.
Im zweiten Quartal 2024 sind die Preise für Bestandswohnungen nach Zahlen der Immobilienplattform Immowelt in Deutschland um 0,3 Prozent gestiegen. Die Immobilienpreise bewegen sich nun etwa auf Vorkrisenniveau, wie Immowelt-Geschäftsführer Piet Derriks kommentiert: „Wir sehen, dass sich der Markt für Kaufimmobilien nach zwei Jahren Krisenmodus seit Anfang dieses Jahres merklich erholt. Hauptgrund dafür ist, dass Finanzierungen leichter zu stemmen sind als im vergangenen Jahr.“ Da weitere Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank in Aussicht seien, geht Derriks davon aus, dass die Preise im Jahresverlauf weiter steigen werden. Dennoch verliefen die Preisentwicklungen für Bestandswohnungen in den einzelnen deutschen Städten sehr ambivalent. Während in Frankfurt am Main im ersten Quartal ein Anstieg von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal verzeichnet wurde, fielen die Preise im zweiten Quartal um 0,6 Prozent. In Stuttgart war es umgekehrt: Dort sanken die Preise im ersten Quartal um 0,8 Prozent, um im zweiten Quartal um 3,6 Prozent anzusteigen. Lediglich in Berlin sanken die Preise zwei Quartale in Folge, zuletzt um 0,2 Prozent. Grund dafür sei, dass sich das hohe Preisniveau deutlich später und weniger stark absenkte und sich nun stärker an den Markt anpasst. Anders sieht es bei den Mietpreisen für Neubauwohnungen aus. Nach Zahlen von Immoscout24 ist nach München nicht mehr Hamburg oder Frankfurt am Main am teuersten, sondern Berlin. Mit einer Miete von 19,62 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt sichert sich Berlin den zweiten Platz.
Berlin gilt als umkämpft bei Mietern und hat eine lange Geschichte von Versuchen, den Mietmarkt noch stärker zu regulieren. Mit Instrumenten wie dem Mietendeckel, der Preisbremse oder dem Wohnungsbündnis gab es schon mehrere politische Bestrebungen, für Entspannung, vor allem an der Preisfront, auf dem nachgefragten Wohnungsmarkt zu sorgen. Gegenüber der Berliner Morgenpost äußerte Stadtentwicklungs- und Bausenator Christian Gaebler (SPD) nun die neusten Pläne des Berliner Senats: Eine neue Prüfstelle gegen Mietwucher solle im November starten. „Nach der Sommerpause werden wir den dafür nötigen Gesetzesentwurf einbringen. Ich gehe davon aus, dass das relativ schnell beschlossen wird“, kommentierte der Senator. Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) hat zusätzliche Vorschläge: „In einer angespannten Haushaltslage müssen wir auch über die Einnahmeseite reden“, äußerte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Ein anderer Hebel ist das Melderegister“, merkte sie diesbezüglich an, da im Zensus weniger Einwohner in Berlin als angenommen festgestellt wurden: „Es gibt immer mehr Menschen, die in Berlin leben wollen. Die Frage ist aber: Melden sich alle hier an? Durch jeden, der nicht in Berlin gemeldet ist, gehen der Stadt in der bundesweiten Finanzmittelzuweisung über 3.000 Euro verloren.“ Auch beim Anwohnerparken will sie ansetzen und den Satz, der aktuell 20,4 Euro für zwei Jahre beträgt, auf ein Jahr reduzieren. Unabhängig von den Plänen des Senats und der SPD haben auch die Berliner Grünen einen neuen Gesetzesvorschlag in Planung. Das Wohnungswirtschaftsgesetz, das im Herbst präsentiert werden soll, fordert die Einführung einer „Lizenz zum Vermieten“, welche größere Vermieter verpflichten soll, gewisse Kriterien und Sozialstandards einzuhalten.