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Wie Bewohner besser Energie sparen

4. Aug 2023

Hannah Helmke, René Füchtjohann  |  Right° / PHOENIX CONTACT Deutschland

Die mitunter recht emotional geführte Debatte um das Heizungsgesetz hat bisweilen den Blick auf eine unverrückbare Tatsache verstellt: Ohne signifikante Anpassungen am Gebäudebestand geht es nicht, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen soll. Etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen entfällt hierzulande auf den Gebäudesektor. Dabei stellt die Heizung einen wesentlichen Faktor dar – aber beileibe nicht den einzigen.

Im Gegenteil: Die Reduktion der Klimawirkung durch klassische energetische Sanierungen wird oftmals überschätzt, wie diverse wissenschaftliche Szenarioanalysen zeigen. Vor allem das Verhältnis von Aufwand und Nutzen kann unter Umständen für Optimierungsmaßnahmen abseits der klassischen Sanierungsmaßnahmen günstiger sein. Einfache Schritte zur Optimierung des Gebäudebetriebs können zum Teil eine größere klimatische Auswirkung haben als so manche aufwendige Gebäudesanierung.

Voraussetzung für diese Feststellung ist eine Status-quo-Analyse der Klimawirkung des Objekts sowie eine Simulation unterschiedlicher Maßnahmen und ihrer Auswirkungen auf die Klimawirkung. Dabei erscheinen Modelle geeignet, die nicht allein (eingesparte) Emissionsmengen in bestimmten Zeitfenstern betrachten, sondern einen direkten Bezug zwischen der Emissionsintensität eines Objekts und dem Pariser Klimaziel herstellen. Modelle also, die die Klimawirkung einer Immobilie in Grad Celsius „umrechnen“ und damit leicht verständlich und übergreifend vergleichbar machen.

Vorgaben des Pariser Klimaabkommens deutlich verfehlt
Ein reales Praxisbeispiel: ein unsaniertes Wohngebäude aus den frühen Siebzigerjahren, rund 1300 Quadratmeter Wohnfläche, alte Ölheizung, Energieausweis mit Effizienzklasse F. Die jährlichen Emissionen von 57 Kilogramm CO2-Äquivalent je Quadratmeter führen zu einer Klimawirkung von 4,5 Grad – womit die Vorgaben des Pariser Klimaziels deutlich verfehlt sind. Eine einfache Fassadendämmung würde mit rund 120.000 Euro zu Buche schlagen und die Klimawirkung auf lediglich 3,9 Grad verbessern. Nach einer rund 300.000 Euro teuren energetischen Sanierung nach Standard des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) käme man auf 3,4 Grad – immer noch zu wenig. Kommt eine Wärmepumpe hinzu, steigen die Kosten auf 600.000 Euro und die Klimawirkung verbessert sich deutlich auf 2,5 Grad. Erst mit zusätzlicher Photovoltaikanlage und Umstellung auf Ökostrom gerät Paris mit 1,6 Grad in Sichtweite – für 640.000 Euro auf 1300 Quadratmetern.

Das Beispiel zeigt: Erst Heizung und Wärmepumpe erzielen den gewünschten Effekt, der allerdings zu hohen Kosten zu haben ist. Speziell bei der Wärmepumpe kommt es zudem sehr stark auf die Bezugsquelle des Stroms an. Hinzu kommt: Der Kampf gegen den Klimawandel ist auch ein Kampf gegen die Zeit, denn je später die Maßnahmen umgesetzt werden, desto weniger wirksam sind sie in ihrem Effekt auf die Reduktion der Klimawirkung. Sind die Emissionen erst einmal ausgestoßen, gibt es kein Zurück.

Werden im Beispielfall alle Maßnahmen erst zehn Jahre später als 2023 umgesetzt, verschlechtert sich die Klimawirkung von 1,6 auf 1,9 Grad. Doch den gesamten Gebäudebestand binnen kürzester Zeit energetisch so weit zu sanieren, ist illusorisch.

Künstliche Intelligenz für smarteres Heizen
Deshalb ist es wichtig, den Blick von der reinen Bestandssanierung zu lösen und möglichst einfache und mit wenig Aufwand umsetzbare Optimierungen im Gebäudebetrieb umzusetzen – also zuerst die berühmten niedrighängenden Früchte zu pflücken. Ein Beispiel ist „Smart Heating“, also eine laufende Überwachung und Anpassung der Heizleistung an den tatsächlichen Bedarf, etwa durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, die analysiert, wann welche Fläche wie stark beheizt werden muss.

Hinzu kommt: Wenn sich zum Beispiel Homeoffice-bedingt weniger Beschäftigte in einem Bürogebäude aufhalten, muss man dann die ganze Fläche auf mollig warme 23 Grad heizen? Die Mitarbeiter könnten sich auf wenige Räume konzentrieren, die anderen Räume würden dann entsprechend weniger beheizt. Weitere Optimierungsmaßnahmen können der berühmte hydraulische Abgleich für die Heizung oder die Warmwasserversorgung sein, aber auch die teilweise Abschaltung oder Ersetzung überdimensionierter Kühl- oder anderer Gebäudetechnik. Ein weiterer Aktivposten ist der Mieter und sein Nutzerverhalten. Schafft man möglichst kleinteilige Transparenz über die Energieverbräuche der Mieter, können hier ungeahnte Energiesparpotentiale gehoben werden. Das fängt mit der händischen Regulierung von Heizkörpern und endet im Austausch von Leuchtkörpern oder der Änderung des Lüftungsverhaltens. Das Nutzerverhalten ist einer der größten Hebel bei Energiesparbemühungen – oft haben Nutzer aber lediglich einen jährlichen Überblick über die eigenen Verbräuche – so lassen sich keine kleinteiligen Energiesparpotentiale heben.

Untersuchungen und Praxisbeispiele zeigen, dass allein mit solch einfachen Maßnahmen rund 20 bis 25 Prozent der Energie eingespart werden könnten und dass die Betriebskosten der Gebäude bis zu 50 Prozent reduziert werden könnten – wie im Gebäude 4 von Phoenix Contact in Bad Pyrmont. Dort konnte die Klimawirkung des Gebäudes durch Optimierungsmaßnahmen auf 1,6 Grad gesenkt und damit nah an das Pariser Klimaziel herangebracht werden. Die Einsparpotentiale sind stark vom Zustand des individuellen Gebäudes abhängig.

Ökostrom zeigt große Wirkung
Damit ließe sich die Klimawirkung ohne größere bauliche Eingriffe ganz deutlich verbessern. Eine andere Optimierung wäre der Bezug von Ökostrom, der in unserem Praxisbeispiel ebenfalls eine signifikante Klimawirkung entfaltet. Willkommener Nebeneffekt: Die Akzeptanz solcher Maßnahmen in der Öffentlichkeit dürfte wesentlich größer sein als bei einem umstrittenen Heizungsgesetz, das Bürger und Betriebe zu sehr teuren Umbaumaßnahmen zwingt.

Um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erfüllen, sollte der Betriebsoptimierung deshalb mindestens dieselbe Aufmerksamkeit zuteilwerden wie der energetischen Bestandssanierung. Allerdings mangelt es vielen Eigentümern dafür an der notwendigen Datengrundlage. Sie haben schlichtweg keinen ausreichenden Überblick über die Verbräuche in der Fläche und die entsprechenden Optimierungspotentiale.

Eine Bestimmung der Klimawirkung von Gebäuden und den dazugehörigen Sanierungsmaßnahmen in Grad Celsius eröffnet Handlungsspielräume für Eigentümer und Investoren, um Einzelgebäude und Portfolios zu einer Paris-Konformität zu managen. Auch der Staat kann letzte Hindernisse, etwa im Bereich des Datenschutzes bei der Erhebung von Verbrauchsdaten der Mieter, aus dem Weg räumen, wenn ihm transparent der Mehrwert von Optimierungsmaßnahmen aufgezeigt werden kann. Das ist auch notwendig, um diese wichtige Transformationschance mit großer Hebelwirkung für die Pariser Klimaziele nicht zu versäumen.

Dieser Artikel erschien online am 04.08.2023 in der FAZ

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