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Unnütze Energieausweise

5. Mrz 2023

Jens Böhnlein MRICS  |  Commerz Real

Der Gebäudesektor in Europa muss klimafreundlicher werden. Dafür ist Transparenz über die energetische Qualität der Bausubstanz ein wesentlicher Faktor. Doch dazu bedarf es erst einmal vergleichbarer Standards, die noch nicht gegeben sind. Ein Beispiel hierfür sind die in vielen EU-Mitgliedstaaten geführten “Energy Performance Certificates” (EPCs), nationale Energieausweise für Gebäude.

Die EU-Taxonomie, also die europäische Harmonisierung und Regulierung der Nachhaltigkeitsziele im Finanzsektor, will ein gemeinsames Referenzsystem schaffen, das sich auf die nationalen EPCs stützt. Um die Energiebilanz eines Gebäudes transparent und vergleichbar zu machen, enthalten diese Energieausweise eine Zusammenfassung der geschätzten jährlich benötigten Primärenergie, ausgedrückt in kWh/qm, sowie einen Vergleich mit den Referenzwerten ähnlicher Gebäude anhand einer Bewertungsskala.

Dabei treten jedoch Ungereimtheiten auf. So sind die europäischen EPCs noch immer nicht eindeutig und verständlich über Ländergrenzen hinweg vergleichbar, wie das zum Beispiel bei einem Kühlschrank schon längst der Fall ist. Der untere Schwellenwert des EPC-A-Bereiches – also der Kategorie der jeweils energetisch besten Gebäude – schwankt je nach Land zwischen 40 kWh/qm und 160 kWh/qm pro Jahr und liegt in einem von den Ländern selbst definierten Band. Im Rahmen des ‚Fit for 55‘-Pakets sollen die EPCs zwar harmonisiert werden, doch auch dann sollen sich die hinteren Effizienzklassen – also die Gebäudequalitäten, deren energetischer Sanierungsbedarf besonders hoch wäre – nach wie vor auf nationale Referenzwerte beziehen.

Europaweit agierende Immobilienakteure sehen sich zunehmend mit dem Bedarf an zuverlässigen und international vergleichbaren EPCs konfrontiert, da immer mehr Vorschriften und politische Ambitionen EPCs zu einem Schlüsselindikator für die Erreichung der Dekarbonisierungsziele werden, sowohl auf europäischer Ebene als auch innerhalb der einzelnen Länder. Diesen Zweck können die EPCs in ihrer derzeitigen Ausgestaltung aber nicht erfüllen. Die Taxonomieverordnung gibt uns Investoren derzeit auch die Möglichkeit, Gebäude anhand der Zugehörigkeit zu den Top 15 % oder Top 30 % des nationalen beziehungsweise regionalen Marktes in Bezug auf den Primärenergiebedarf zu bewerten. Bei der Entscheidung, in welche Immobilien wir investieren, ziehen wir daher eine solche „Taxonomiequote“ heran. An einer Vergleichbarkeit der EPCs fehlt es in der EU einfach noch.

Dieser Artikel erschien am 2.3. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.

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