PB3C News

Nach Galeries Lafayette: für einen Mix aus Handel, Gastro und Bildung

27. Okt 2023

Benno Fischer  |  Lübke Kelber

Der Mietvertrag der Galeries Lafayette läuft Ende 2024 aus, das Kaufhaus wird schließen. Was wird in die Immobilie einziehen? Eine Bibliothek, Einzelhandel, Büros oder Wohnungen? Oder eine Mischung aus all dem? Zeitgemäße Multi-Use-Konzepte können krisengeschüttelten Standorten neues Leben verschaffen und dadurch auch neue Immobilieninvestoren anlocken.

Die Gründe für den Auszug der Galeries Lafayette sind vielschichtig. Sie haben viel mit dem Scheitern des Einzelhandels in der mittleren Friedrichstraße zu tun, die sich nicht, wie erhofft, als der Publikumsmagnet insbesondere für den Ost-Berliner erwies. Und auch die Verkehrsberuhigung scheiterte krachend. Denn wer möchte schon beim Shoppen rasenden Fahrradfahrern ausweichen? Doch wer mit zeitgemäßen Nutzungskonzepten auf die Herausforderungen reagiert, kann auch eine gewerbliche Großimmobilie neu beleben – und das Umfeld. Das Internet hat nämlich nicht, wie oft behauptet wird, zum Sterben des stationären Einzelhandels geführt.

Alle Studien zum Konsumverhalten sind sich einig: Die Menschen kaufen online und offline. Große Internethändler eröffnen Filialen in A-Lagen. Das hat einerseits damit zu tun, dass Markeninszenierungen die physische Realität benötigen, um das ungebrochene Bedürfnis der Konsumenten nach Erlebnis und Entertainment zu befriedigen. Ein weiterer Grund liegt an den hohen Kosten für kostenlose Retouren, die das Online-Geschäft immer noch weniger profitabel machen als den stationären Verkauf.

Online bestellte Waren in Filialen liefern lassen
Deswegen hat der Sportartikelhändler Decathlon früh damit begonnen, seine Waren nicht nur auf großen Flächen in Autobahnnähe anzubieten, sondern auch in deutlich kleineren Geschäften an Standorten in der Innenstadt. Kunden können sich online bestellte Waren in die zentral gelegenen Filialen liefern lassen, dort ausprobieren und bei Nichtgefallen dort zurückgeben. Ein Konzept, das inzwischen viele Händler anbieten. Das Schicksal der Innenstädte ist damit aber nicht besiegelt – im Gegenteil. Wenn sich Ladenflächen verkleinern und sich der Einzelhandel aus den oberen Etagen zurückzieht, ist der Weg frei für Büros, Mikroapartments und Co-Living, Fitnessstudios und Gesundheitsdienstleistungen, die sich nur bedingt digitalisieren lassen.

Schon jetzt wird in den Immobilien der Friedrichstraße nicht nur eingekauft, sondern gleichzeitig auch gewohnt und gearbeitet. Denn auch wenn der Einzelhandel dort kriselt, Büros und Wohnungen dort sind begehrt. Was fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept, eine Idee für die Mischung verschiedener Magnete, welche vor allem die Berliner sowie die Touristen in die bekannte Friedrichstraße zurückbringt. Kann die Immobilie der Galeries Lafayette als ein solcher Attraktor dazu beitragen? Tatsächlich werden auch Warenhäuser trotz ihrer monofunktionalen Architektur und den großen Flächen zunehmend von dem Trend zur Mischnutzung erfasst. Denn sie können sich wandeln, wie der Umbau eines historischen Kaufpalasts in der Leipziger Innenstadt zeigt. Im Inneren bringen nach der Transformation großzügige Lichthöfe viel Licht in ausgewählte Einzelhandels-, Gastronomie- und Büroflächen.

Umbau statt Abriss: Ein ähnliches Projekt entsteht derzeit in der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Das erfordert zwar hohe Investitionen, das Interesse deutscher und ausländischer Investoren belegt jedoch, dass sich aufwendige Transformationen durchaus lohnen. Solche Mischnutzungen sind für alle Nutzer von Vorteil. Wird in den oberen Etagen nicht mehr eingekauft, sondern gewohnt oder gearbeitet, profitieren Geschäftsleute von potenziellen Kunden in direkter Nähe, während zum Beispiel Büroflächen aufgrund des lokalen Einzelhandelsangebots attraktiver werden.

Kombination von Bildung und Lebensmittelmärkten
Die Kombination von Retail mit anderen Asset-Klassen macht Schule. Selbst die Kombination von Bildungseinrichtungen mit Lebensmittelmärkten gehört zur neuen urbanen Realität: In Dresden errichtet der Freistaat Sachsen gemeinsam mit einem Lebensmittelhändler ein siebengeschossiges Gebäude mit gemischter Nutzung. Im Erdgeschoss eröffnet ein Supermarkt, darüber zieht die Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Technischen Universität ein. Vielleicht kann ja Berlin von Dresden lernen. Denn wer sagt, dass eine solche überraschende Mischung aus Einzelhandel und Bildung nicht auch im Bestand funktionieren könnte?

Dieser Artikel erschien am 25.10.2023 im Tagesspiegel.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.