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Der ELTIF 2.0 – eine neue Welt für „Otto Normalanleger“

31. Mrz 2023

Dirk Holz  |  Commerz Real

Europäische Anleger können sich bereits seit 2015 mit dem alternativen Investmentfondsvehikel „European Long-Term Investment Fund“ (ELTIF) an langfristigen Private-Asset-Projekten und nicht börsennotierten Unternehmen beteiligen. Bislang sind jedoch die ELTIFs in der Europäischen Union rar gesät. Das liegt am bisherigen engen rechtlichen Korsett, das den Vertrieb erheblich erschwert hat. Nach der im Februar 2023 vom EU-Parlament verabschiedeten Reform wird sich das in absehbarer Zeit ändern. Zum Jahresbeginn 2024 gelten neue Regeln, die zum einen dafür sorgen werden, dass deutlich mehr Fondsangebote auf den Markt kommen werden, und zum anderen, dass diese deutlich mehr Investoren ansprechen.

Die aktuellen Herausforderungen im Zuge des seit über einem Jahr andauernden Ukraine-Kriegs und des Klimawandels zeigen eines ganz klar: Langfristige Investitionen in erneuerbare Energien wie Wind- und Solarparks, in die Verkehrsinfrastruktur, in Digitalisierung, in Innovationen in kleinere und mittelgroße Unternehmen und andere Sachwerte sind europaweit dringender erforderlich denn je.

Hierfür sind jedoch Milliarden von Euro erforderlich. Für die erfolgreiche Umsetzung der Transformation werden aktuell enorme Summen an Staatsgeldern budgetiert, die letztlich vom Steuerzahler kommen. Auch Privatinvestoren können und sollten sich an dieser Mammutaufgabe beteiligen und somit von den Erträgen aus solchen langfristigen Projekten profitieren.

Neue europäische Fondsart für Privatanleger bislang überreguliert
Innerhalb der Europäischen Union gibt es für solche Zwecke als Fondsvehikel den ELTIF, der dem offenen Immobilienfonds in Deutschland ähnlich ist. Seit dessen Einführung können sich – zumindest relativ vermögende – Privatanleger an Private-Asset-Investitionen beteiligen, um langfristige Projekte der Transformation zu finanzieren, und damit außerbörslich vergleichsweise stabile Erlöse erzielen.

Die vier wichtigsten Änderungen im Überblick:

1. Keine Mindestanlagesumme mehr
Bisher musste ein Privatanleger mindestens 10.000 Euro investieren und mindestens ein Gesamtportfolio von 100.000 Euro nachweisen. Dementsprechend aufwendig sind die Aufklärungs-, Abfrage- und Dokumentationspflichten im Vertrieb. Die Überprüfung des Vermögens fällt künftig genauso weg wie die Mindestanlagesumme. Es gelten dann analoge Regeln wie für Publikumsfonds, also nach den Vorgaben der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Folglich schreibt die Verordnung weder eine Mindestanlagesumme noch eine Vermögensprüfung vor.

2. Mehr Freiheit bei der Anlage
Auch Asset-Manager profitieren von der Reform. Zum Ersten darf ein einzelnes Asset bald 20 statt 10 % des Fondsvolumens ausmachen. Zweitens können kleinere Assets erworben werden, mit einer Mindestinvestitionssumme von einer Million Euro anstatt von zehn Millionen Euro. Zudem ist es erlaubt, in Verbriefungsinstrumente und andere Fondsvehikel wie alternative Investmentfonds (AIF) und UCITS-Fonds anzulegen, die den strengen Struktur-, Veranlagungs-, Informations- und Kontrollvorschriften der EU-Investmentrichtlinie unterliegen. Zudem müssen mindestens 55 % in zulässige Vermögenswerte (Eligible Assets) investiert werden, statt wie zuvor 70 %. Der ELTIF 2.0 darf also eine höhere Liquiditätsquote haben.

3. Fremdkapital bis zu 50 %
Bislang waren höchstens 30 % Fremdkapital erlaubt. Künftig sind es 50 %. Über den höheren Leverage sind somit höhere Renditen möglich. Das Fremdkapital darf dann zudem auch zur Sicherung der Liquidität eingesetzt werden. Zuvor musste es zwingend in konkrete Assets investiert werden.

4. Ein-Objekt-Fonds sind möglich
Außerdem fallen etliche Diversifikationsvorgaben weg. Konsequenz: Ab nächstem Jahr sind Ein-Objekt-ELTIFs, beispielsweise in eine Offshore-Windanlage, möglich. Dadurch wird der ELTIF auch für institutionelle Investoren interessanter.

Sinnvolle Mobilisierung von privatem Kapital für Infrastrukturvorhaben
Zusammenfassend ist zu erwarten, dass der ELTIF mit der Reform endlich sein volles Potenzial entfalten kann. Sie macht ihn auf jeden Fall attraktiver – für Produktgeber und Anleger.

Die Reform könnte auch das für langfristige Infrastrukturprojekte dringend benötigte private Geld stärker denn je mobilisieren. Auf der einen Seite wird die steigende Nachfrage bei den Investoren beim aktuell sehr begrenzten Angebot dafür sorgen, dass neue Strategien entwickelt und diese den Markt beleben werden. Auf der anderen Seite kann durch den Wegfall der 100.000-Euro-Grenze ein deutlich größerer Anlegerkreis adressiert werden. Für den „Otto Normalanleger“, der die Energiewende mit seinem privaten Kapital unterstützen will, kann das ein sinnvolles Investment mit einer soliden Rendite werden. Angesichts der von Deutschland und den anderen EU-Staaten geplanten massiven Investitionen in langfristige Transformationsprojekte ist dies ausdrücklich zu begrüßen.

Der ELTIF kann in volatilen Zeiten im Depot von Privatanlegern beides sein: eine solide Quelle für Renditen und auch ein Stabilitätsanker. Die Reform des ELTIFs macht endlich den Weg frei, damit Privatanleger einfach, flexibel und bereits mit kleinen Beträgen in Erneuerbare-Energien-Projekte und andere Sachwerte investieren können. Die bisherige unsachgemäße Beschränkung gehört bald der Anfangsgeschichte des ELTIFs an, dem eine Erfolg versprechende Entwicklung bevorsteht.

Bei der Commerz Real betreuen wir unter anderem den ELTIF-Fonds KlimaVest. Knapp drei Jahre nach seinem Start umfasst dieser rund 1,1 Milliarden Euro Eigenkapital. Angelegt ist es in 43 Wind- und Solarparks sowie einigen Erneuerbare-Projektentwicklungen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Schweden und Finnland. Er generiert über Einspeisevergütungen und langfristige Stromabnahmeverträge, sogenannte Power Purchase Agreements, stetige Mittelzuflüsse für die Investoren. Das ist vergleichbar mit den langfristigen Mietverträgen eines offenen Immobilienfonds.

Dieser Artikel erschien am 28.03. auf PRIVATE BANKING MAGAZIN.de.

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