PB3C News

Fonds-Standort in Gefahr

26. Jun 2022

Jochen Schenk  |  Real I.S.

Der Entwurf einer Nachhaltigkeitsrichtlinie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) droht zum Standortnachteil für deutsche Investmentvermögen zu werden. Diese Richtlinie bestimmt die Mindestvoraussetzungen dafür, wann ein Investmentfonds als nachhaltig beworben werden darf. Doch sie ist zu wenig auf die europäischen Maßnahmen abgestimmt. Dadurch schadet sie dem Ziel, Deutschland als führenden Sustainable-Finance-Standort zu etablieren.

Der Bafin-Entwurf weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. Zum Beispiel lassen die Vorgaben nicht zu, dass ein Immobilienfonds die im Entwurf geforderte 75-Prozent-Quote nachhaltiger Investments schrittweise aufbaut, etwa durch energetische Sanierungen. Altbestände können aber nicht von heute auf morgen nachhaltiger werden, sondern bedürfen einer langfristig angelegten Zukunftsstrategie. In ihrer momentanen Ausgestaltung könnten die Bafin-Vorgaben Bemühungen, Assets und Portfolios nachhaltiger zu gestalten, sogar ausbremsen.

Zudem ist es unrealistisch, dass sämtliche Immobilien eines Immobilienfonds im Hinblick auf Bewirtschaftung, Sanierung, Erwerb und Neubau nachhaltig sein müssen. Es entspräche auch nicht der Taxonomielogik der EU, nach der jeweils lediglich eine gezielte Maßnahme zur Einstufung als nachhaltig führt, etwa bei Bestandsimmobilien durch einen bestimmten Energienachweis. Außerdem müssen sich Immobilien laut Richtlinie daran messen lassen, ob sie einen „wesentlichen Beitrag“ zur Verwirklichung eines oder mehrerer der Umwelt- bzw. Sozialziele im Sinne der EU-Verordnung leisten. Dass der geleistete Beitrag „wesentlich“ sein soll, ist aber wieder eine speziell deutsche Verschärfung der EU-Vorgaben. Zudem harmonieren die Produktanforderungen des Bafin-Entwurfes nicht mit den Nachhaltigkeitsvoraussetzungen der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid. Insbesondere die von der Bafin verlangte Mindestquote von 75 % für nachhaltige Investments kennt Mifid nicht. Ein Fonds, der in einem anderen EU-Staat zugelassen wäre, könnte daher im deutschen Markt als „nachhaltig“ angeboten werden, auch wenn die 75-Prozent-Quote nicht erreicht würde!

Bleibt die Frage: Warum muss die EU-Nachhaltigkeitsregulierung überhaupt durch nationale Sonderregelungen flankiert werden? So schaffen wir doch nur ein Parallelregime, das in der Praxis bei Anbietern, Vertrieben und nicht zuletzt bei Anlegern zu Verwirrung führen dürfte. Und es könnte am Ende Abwanderungstendenzen auslösen.

Dieser Artikel erschien am 23.6. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.