Kunst am Bau steigert den Wert
23. Feb 2024
23. Feb 2024
Stadtentwickler, Immobilienunternehmen und Politiker stehen vor der ständigen Herausforderung, wie sie unsere Städte inklusiver gestalten und gleichzeitig „tote Orte“ vermeiden können. Dabei wird oft ein entscheidender Faktor unterschätzt: Kunst am Bau. Zahlreiche Immobilienentwickler betrachten dieses Thema erst in späteren Projektphasen und streichen es gleich als Erstes von ihrer Liste, wenn die Zeiten schwierig werden.
In der Praxis wird Kunst am Bau häufig auf eine simple Ebene reduziert, indem sie lediglich als Gebäudedekoration betrachtet wird. Gelegentlich wird sie sogar mit dem Marketing-Label versehen. Häufig findet keine gute Kommunikation zwischen Bauherren und Künstlern statt, Kunstschaffende wahren eine kritische Distanz, um ihre Werke nicht als temporäre Dekoration für wenig ambitionierte Projekte enden zu sehen. Entgegen ihrem aktuellen Ruf hat Kunst am Bau jedoch eine weitaus tiefere Bedeutung.
Sie stellt zum einen ein erhaltenswertes Gut dar, von dem die Stadtgesellschaft über Generationen hinweg profitiert. Zum anderen erfüllt sie eine integrative Funktion: Kunst und Kultur schaffen eine universelle Sprache, die Menschen unterschiedlicher Generationen gemeinsam verstehen können. Sie verbinden Menschen auf nonverbaler Ebene und nehmen Hemmungen und Berührungsängste, besonders bei Veränderungssituationen. Zudem öffnen kreative Schöpfungen Türen zu Arealen und Gebäuden, die aufgrund ihrer Fassade zunächst abschreckend wirken könnten.
Wichtig ist dabei, dass Kunst nicht unnahbar oder unzugänglich wirkt, da sie sonst genau diesen inklusiven Charakter verlieren würde. Es ist kontraproduktiv, die sprichwörtliche Mona Lisa an eine Hausfassade zu hängen und sie dann mit einer schweren Kette vor Berührung zu schützen. Im Rahmen unserer Auseinandersetzung mit Kunst am Bau braucht es Robustheit und Resilienz. Kunst sollte begehbar und spürbar sein, indem sie die Sinne anspricht und sich beinahe von selbst erschließt. Nur durch diese Herangehensweise kann sie dem Anspruch der inklusiven Wirkung gerecht werden.
Die Auswahl von baubezogener Kunst ist ein Unterfangen, das einiges an Verantwortung mit sich bringt. Es gilt, die langfristigen Auswirkungen und die unmittelbaren Einflüsse auf die Umgebung zu berücksichtigen. Die Beteiligung derer, die direkt von der Baugestaltung betroffen sind, einschließlich der Nachbarn und potenziellen Nutzer, ist unerlässlich.
Hierfür bietet es sich an, zunächst ein detailliertes Nutzerprofil zu erstellen, um besser zu verstehen, für wen das Gebäude eigentlich geschaffen wird und welche künstlerischen Erwartungen diese Menschen haben. Es ist auch wichtig, die langfristige Perspektive einzunehmen und sich zu fragen, was die Nachbarschaft in den nächsten zehn bis fünfzig Jahren sehen möchte. Das kann durch Konzepte wie Zwischennutzung und Reallabore erkundet werden, bei denen Kunstwerke über einen bestimmten Zeitraum experimentell platziert werden. Einige Werke werden sich etablieren, und aus dieser Stetigkeit erwächst schließlich die eigentliche Kunst.
Es ist unbestreitbar, dass künstlerische Gestaltung im Bauwesen auch eine wertbestimmende Komponente darstellt, wenngleich dieser Einfluss vorrangig auf längere Sicht spürbar wird. Immobilien, die allein unter einem rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt errichtet werden, neigen dazu, im Laufe der Zeit ihre Identifikation, an Identität und Authentizität zu verlieren. Baukunst vermag es hingegen, einen Wert zu schaffen, der auf den ersten Blick nicht nur finanzieller Natur ist, sondern auch einen Wiedererkennungswert oder Kulturwert verkörpert. Das führt dazu, dass entsprechende Stadtgebiete zu regelrechten „Adressen“ werden, die in der Gesellschaft wiedererkannt werden – ein Umstand, der wiederum ihren monetären Wert steigert.
Die Integration von Kunstwerken in das Bauwesen hat somit das Potenzial, die Standortqualität eines Gebäudes oder eines Grundstücks erheblich zu steigern. Sie verleiht einem Ort Identität und veredelt ihn, was zu einem höheren Gesamtwert führt. Daraus resultiert die Möglichkeit, höhere Mieten zu verlangen und eine stärkere Bindung der Mieter an das Objekt zu schaffen, was zu weniger Leerstand und geringerer Fluktuation führt.
Die tatsächlichen Kosten von Kunst am Bau werden häufig diskutiert. Eine pauschale Bezifferung ist jedoch schwierig, da sie stark variieren: je nach Künstler, Umfang der künstlerischen Integration und ob es sich um eine temporäre oder permanente Arbeit handelt. Bei einem aktuellen Projekt lagen die Kosten beispielsweise im höheren fünfstelligen Bereich.
Die Integration von Kunstwerken bedeutet natürlich zunächst einen höheren Aufwand für die Projektentwickler und fällt in Zeiten der Wirtschaftskrise leider oft als Erstes dem Rotstift zum Opfer. Jedoch werden künftig die Messung des sozialen Einflusses und die Betonung sozialer und gesellschaftlicher Aspekte (ESG – Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) eine immer größere Rolle in der Wertbewertung von Immobilien spielen.
Unternehmen müssen sich verstärkt mit Themen wie Inklusion und damit verbunden auch baubezogener Kunst auseinandersetzen. Diese kann dazu beitragen, brachliegende Bereiche in unseren Städten wiederzubeleben und soziale Brennpunkte zu transformieren, Identitäten und Mehrwerte zu stiften, die sich wiederum in höheren Mieten, geringerem Leerstand und einer stärkeren Bindung der Bewohner an die Immobilie niederschlagen.
Dieser Artikel erschien am 23.02.2024 in der FAZ.
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