Es fehlt mehr Erfahrung als Kapital
22. Mrz 2024
22. Mrz 2024
Im deutschen Immobilienmarkt zeichnet sich eine markante Wende ab. Nachdem viele professionelle Akteure in den vergangenen 15 Jahren immense Gewinne und nun aber auch hohe Risiken in ihren Investmentportfolios akkumuliert haben, sehen sie sich nun mit einer dreifachen Herausforderung konfrontiert. Signifikant gestiegene Zinsniveaus, striktere Kreditvergaberichtlinien und eine schwache Baukonjunktur treiben institutionelle Immobilieninvestoren in die Enge. Es mangelt auf den ersten Blick an Kapital und Liquidität.
Es ist eine Zangenbewegung, die derzeit viele Marktteilnehmer im Immobiliensektor in die Enge treibt: Renditen fallen, und die Kanäle für den Ausstieg aus notleidenden Investments verengen sich. Insbesondere kleinere Pensionskassen und Versicherer spüren die Schmerzen dieser Entwicklung. Und Mezzanine-Finanzierungen, die in der Nullzinsphase noch verlockende Zinsen versprachen, offenbaren nun auf der Schattenseite ihr Risikopotenzial. Die Folge: Akteure, die im Zinstief mit großem Optimismus zu immer margenträchtigeren Finanzierungsmodellen gegriffen haben, stecken nun in der Klemme: Ihre Renditen brechen ein, Exit-Kanäle für notleidende Investments sind verstopft. Studien gehen von Fremdkapitallücken bis 2026 von knapp 20 Milliarden Euro aus.
Leverage aus Unkenntnis
Die jetzige Marktschwäche ist jedoch nicht bloß eine Wiederholung vergangener Krisen. Sie offenbart eine besorgniserregende Dimension: In rund 15 Jahren mit Niedrigzinsen entstand ein enormer Renditedruck, der nicht nur erhebliche Kapitalmengen in den Markt gepumpt, sondern auch viele Marktneulinge angelockt hat. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist mit einem nüchternen Blick auf die aktuelle Lage am Markt fast täglich zu beobachten: Institutionelle Investoren haben einen bedrohlich hohen Anteil an Hochrisiko-Positionen in den Portfolios aufgebaut. Bei vielen ist nun das Eigenkapital massiven Abschreibungen ausgesetzt. Ein Blick in die Bücher zeigt oft vorangegangene Unkenntnis über die Marktrealitäten. Angesichts der immensen Leverage im Markt ist zudem unsicher, ob es mit einer breiten Ankaufswelle von Non-Performing Loans gelingen kann, die Krise abzumildern, so wie zuletzt im Jahr 2008.
Frisches Geld für neue Perspektiven
Dennoch ist es auch in diesem herausfordernden Szenario bei resilienteren Assets möglich, einen Großteil des Kapitals zu retten. Denn es fehlt aus globaler Perspektive nicht an Geld, es kommt lediglich aus anderen Quellen: US-amerikanische, britische und kanadische Investoren sowie große Private-Equity-Firmen oder auch japanische Investoren mit Ihrer unverändert niedrigverzinsten Währung sondieren die Gelegenheiten, die der deutsche Markt bietet. Als finanzstarke Akteure nutzen sie die Marktschwäche anderer Finanziers für günstige Einstiege. Allerdings zu anderen Preisen als bisher gewohnt.
Unerfahrene Investoren auf dem Weg zur Restrukturierung
In dieser Übergangsphase von sich ändernden Kapitalquellen und gewandelten Ertragsperspektiven sind Investoren gut beraten, mögliche Verluste schnell einzugestehen und auf aktives Portfoliomanagement umzuschalten. Dies Das ist der erste Schritt zur erfolgreichen Restrukturierung. Erfahrene Partner können gestörte Portfolios bereinigen und neue Investments aufbauen, vermutlich mit anderen Gewichtungen als in den vermeintlichen Boomjahren. Dabei wird sich, wie in jeder Krise, zeigen, wer über das nötige Know-how verfügt und wer in der Krise für die Marktbereinigung einsteht.
Wohnimmobilien bleiben ein resilientes Gut
Trotz aller Turbulenzen zeigt der Wohnimmobilienmarkt bereits erste Anzeichen einer Bodenbildung. Immerhin bilden Wohnimmobilien knapp 75 % des deutschen Immobilienbestandes von rund 12 Billionen Euro. Schon im zweiten Halbjahr 2024 könnte sich hier in einigen prosperierenden deutschen Metropolregionen eine Entspannung abzeichnen. Mittel- bis langfristig stehen die Zeichen wegen der anhaltend hohen deutschen Wohnungsnachfrage ohnehin wieder auf Wachstum. Das wissen jedenfalls die vielen interessanten neuen Marktteilnehmer, die jetzt nach Deutschland vorrücken. Sie begreifen die Marktschwäche als Chance für einen günstigen Einstieg. Die Inflation ist bereits erfolgreich bekämpft, nun sind vor allem die Signale für ein neuerliches Wirtschaftswachstum die notwendigen Impulsgeber für einen neuen Immobilienmarktzyklus.
Dieser Artikel erschien am 15.03.2024 auf der Website der Börsen-Zeitung.
Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.