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Chancen für das Stadtklima

18. Okt 2024

Gregor Grassl  |  Drees & Sommer

Welche Aufgaben können Grünfassaden und begrünte Dächer wirklich übernehmen?

Die Urbanisierung und der Klimawandel stellen Städte weltweit vor enorme Herausforderungen. Insbesondere in dicht bebauten Gebieten suchen Planer und Architekten nach Lösungen, um die negativen Auswirkungen auf das Stadtklima abzumildern. Immerhin sind in Deutschland rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt. Gerade bei Starkregen kann dies schnell zu Problemen führen, da große Wassermengen in kurzer Zeit in die Kanalisation gelangen, die für solche Mengen oft nicht ausgelegt ist. Gründächer können hier zumindest teilweise die Funktion des natürlichen Bodens übernehmen und das Regenwasser zwischenspeichern, das sonst die Kanalisation schnell an ihre Grenzen bringen würde. Aber auch darüber hinaus haben sich Grünfassaden und Gründächer als innovative Ansätze etabliert. die zahlreiche ökologische und ästhetische Vorteile versprechen. Doch welche Erwartungen an diese Begrünungstechniken werden tatsächlich erfüllt?

Die Stadt als Wärmeinsel
Eine der zentralen Erwartungen an Grünfassaden und Gründächer ist ihre Fähigkeit, die Temperaturen in urbanen Räumen zu senken. In Städten entstehen durch die dichte Bebauung sogenannte Heat lslands, also städtische Wärmeinseln, die das Leben in den Sommermonaten unerträglich machen können. Begrünte Gebäude sollen durch Verdunstungskühlung (Evapotranspiration) sowie durch die Beschattung von Fassaden und Dächern das Mikroklima verbessern und die städtische Hitze reduzieren.

Tatsächlich zeigen zahlreiche Studien, dass begrünte Fassaden und Dächer lokal zur Temperaturreduktion beitragen können. Durch die Verdunstung von Wasser über die Pflanzenoberflächen entsteht ein kühlender Effekt, der sich sowohl auf das Gebäude selbst als auch auf die unmittelbare Umgebung auswirkt. Gerade in dicht bebauten Gebieten können diese grünen Oasen die Temperaturen spürbar senken, was zu einer höheren Aufenthaltsqualität führt und den Energiebedarf für Klimaanlagen reduziert.

So zeigen Studien, dass die Lufttemperatur durch eine Dachbegrünung um bis zu 1,5 Grad und durch eine Fassadenbegrünung um bis zu 1,4 Grad gesenkt werden kann. Darüber hinaus hat eine Dachbegrünung auch einen positiven Effekt auf die Oberflächentemperatur: Während sich Kies- oder Bitumendächer im Sommer auf 40 bis 55 Grad aufheizen, können Gründächer die Temperatur deutlich um bis zu 25 Grad senken. Und auch bei Fassadenbegrünungen kann die Oberflächentemperatur im Winter laut Bundesverband Gebäudegrün (BuGG) um sieben Grad erhöht und im Sommer um bis zu 19 Grad gesenkt werden.

Natürlich hängt dieser Effekt stark von der Größe der begrünten Fläche, den verwendeten Pflanzenarten und den klimatischen Bedingungen ab. In manchen Fällen kann eine Begrünung sogar kontraproduktiv sein, wenn sie die natürliche Durchlüftung behindert oder durch zu dichte Bepflanzung sogar zu einem Hitzestau führt. Daher sind eine sorgfältige Planung und Auswahl der Pflanzen sowie die notwendige Luftzirkulation durch entsprechende Fassadenabstände unerlässlich.

Neue Lebensräume in der Stadt
Darüber hinaus fungieren grüne Fassaden und Dächer als natürliche Filter für Feinstaub und Schadstoffe, was besonders in Städten mit hoher Verkehrsbelastung von Vorteil ist. Nach Angaben des Bundesverbands Gebäudegrün kann ein Quadratmeter Dachbegrünung bis zu zehn Gramm Feinstaub und bis zu 800 Gramm CO2 binden. Auch beim Lärmschutz zeigen begrünte Gebäude positive Effekte. Insbesondere dichte und großflächige Begrünungen können den Lärmpegel messbar senken, indem sie Schallwellen absorbieren oder umlenken, was sowohl die Lebensqualität der Bewohner als auch die allgemeine Umweltgesundheit fördert.

Während auf der einen Seite Schadstoffe wie CO2 aus der Umwelt gefiltert werden, zieht die grüne Umgebung auf der anderen Seite positive Akteure an: Denn mit der Stadtbegrünung spielt auch die Schaffung neuer Lebensräume für Tiere eine zentrale Rolle. Grüne Fassaden und Gründächer bieten Insekten – insbesondere Bestäubern wie Bienen und Schmetterlingen –, Vögeln und kleinen Säugetieren wertvolle Rückzugsgebiete und neue Lebensräume, die in der ansonsten versiegelten Stadtlandschaft selten geworden sind. Sie tragen damit zur Stabilisierung lokaler Ökosysteme bei.

Wirtschaftlichkeit und Aufwand – eine Frage der Kosten-Nutzen-Relation
Neben den ökologischen und klimatischen Vorteilen steht bei der Gebäudebegrünung jedoch die Frage der Wirtschaftlichkeit im Fokus. Denn keine Frage: Die Investitions- und Betriebskosten für die Fassaden- und Dachbegrünungen können erheblich sein. Allerdings bezuschussen diverse Förderprogramme der Kommunen sowie von Bund und Ländern Begrünung.

Zudem lassen sich die Kosten für die Begrünung mit der richtigen Planung überschaubar halten. Eine flächendeckende Dachbegründung mit kleineren und anspruchsloseren Pflanzen wie Moosen, Kräutern und Gräsern ist deutlich kostengünstiger und pflegeleichter als eine intensive Dachbegrünung. Diese ist auf die Nutzung durch den Menschen ausgerichtet – es geht unter anderem um die Anlage von wirkungsvoll gestalteten Dachgärten, die das Grün zurück in die Stadt bringen und die Aufenthaltsqualität für die Mieter erhöhen. Hier ist mit deutlich höheren Kosten zu rechnen. Auch Fassadenbegrünungen können, insbesondere bei modularen Systemen, die an der Wand befestigt werden, kostenintensiver sein, da neben den Pflanzen auch spezielle Bewässerungs- und Nährstoffsysteme erforderlich sind.

Hinzu kommt die Notwendigkeit einer regelmäßigen Pflege, um die Vitalität der Pflanzen zu erhalten und Schäden an der Gebäudehülle zu vermeiden. Insbesondere bei wandgebundenen Begrünungen ist es wichtig, das Bewässerungssystem und die Pflanzen regelmäßig zu überprüfen, um ein Absterben der Pflanzen durch Wasser- oder Nährstoffmangel sowie Frostschäden zu verhindern. Eine fachgerechte Pflege ist hier unabdingbar, um langfristige Schäden und hohe Folgekosten zu vermeiden.

Die Begrünung von Gebäuden bietet einen erheblichen Nutzen für das städtische Umfeld, der den Aufwand für den Gebäudeeigentümer bei Weitem übersteigt. Denn neben der ökologischen Verantwortung, die mit Blick auf den Klimawandel und die langfristige Erhaltung der Biodiversität für künftige Generationen unerlässlich ist, trägt die Begrünung auch zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit bei. Urbane Begrünungsmaßnahmen verbessern das Mikroklima, reduzieren Lärm, reinigen die Luft und steigern die Aufenthaltsqualität. Diese „weichen“ Faktoren fördern die Gesundheit und das Wohlbefinden der Stadtbewohner, bieten Erholungsräume und stärken den natürlichen Wasserkreislauf.

Nicht nur deshalb lohnt es sich, sich schon heute mit diesen Themen zu beschäftigen: Angesichts der zu erwartenden gesetzlichen Regelungen, wie etwa der anstehenden Gründachpflicht in Berlin und der Solargründachpflicht in Hamburg, wird die Begrünung von Gebäuden immer mehr zur Notwendigkeit.

Dieser Beitrag erschien am 11.10.2024 im Immobilienmanager

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