PB3C News

Zirkularität statt Ressourcenverschwendung

17. Nov 2023

Julia Hauber  |  Wealthcap

Klimaschutz geht uns alle an – vor allem auch die Immobilienwirtschaft. Bau und Betrieb von Immobilien sind global gesehen für fast 40 Prozent des Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid verantwortlich – und auch für rund die Hälfte der geförderten Rohstoffe. Zement-, Stahl- und Glasindustrie zählen weltweit zu den emissionsintensivsten Industrien. Deshalb spart jedes Bauteil, das nicht neu produziert werden muss – und letztlich jedes Gebäude, das nicht neu gebaut werden muss –, signifikant CO2 ein.

In diesem Zusammenhang kommt der Kreislaufwirtschaft eine bedeutende Rolle zu. Die „Circular Economy“ kann dazu beitragen, deutlich weniger CO2 freizusetzen, indem schon bei der Planung eines Neubaus oder dem Umbau einer Bestandsimmobilie der Ausstoß von CO2 möglichst vermieden wird. Die Idee besteht darin, dass ein Gebäude zum Rohstofflager für künftige Bauten wird. Produkte sind bereits bei der Entstehung so konzipiert, dass nicht das Recycling, sondern die Wiederverwertbarkeit im Vordergrund steht. Im Idealfall kann beispielsweise aus Materialien, die zu einem Großteil alten Gebäuden entnommen wurden, ein neues Haus gebaut und viele „graue Emissionen“ vermieden werden.

Die Natur zeigt uns, wie es geht: Sie kennt keinen Abfall. Jedes Mikrogramm Biomasse wird im Nahrungskreislauf weiter verwertet. In letzter Konsequenz sollte auch im Gebäudesektor deshalb so gut wie kein Müll mehr anfallen. Das ist natürlich Zukunftsmusik. Aber die Immobilienwirtschaft ist gut beraten, kreativ zu sein und frühzeitig umzusetzen, was bereits möglich ist.

Beispiel „Prime Tower“ in Frankfurt
Als Asset-Manager des „Prime Towers“ in Frankfurt am Main, einem Hochhaus mit über 23.000 Quadratmeter Bürofläche, das 1969 als Konzernzentrale errichtet wurde, hat Wealthcap von 2022 bis 2023 umfangreiche Sanierungsarbeiten durchführen lassen.

Bei der Sanierung des Gebäudes wurde sehr stark auf den Erhalt bestehender Bausubstanz geachtet. So konnten beispielsweise mehr als 16.000 Quadratmeter Kühldecken aus Metall erhalten werden und mehr als 300 Kilometer Verkabelung im Bestand verbleiben, ebenso wie mehr als 140 Metalltüren und viele hochwertige Bodenbeläge, deren Erhalt zunächst als unmöglich eingeschätzt worden war.

Zirkularität statt Ressourcenverschwendung sollte das Motto bei allen Revitalisierungsschritten sein und dabei den drei Prinzipien folgen, nach denen Circular Economy funktioniert: Reduce, Reuse, Recycle. Reduce steht für begrenzten und ressourcenschonender Materialeinsatz; Reuse für den möglichst langen Lebenszyklus von Materialien und Bauteilen; Recycle für das Wiederverwenden von nicht mehr benötigten Baustoffen und Materialien als letztem Schritt.

Vier bereits heute umsetzbare Handlungsfelder
An diesen Prinzipien der Circular Economy führt sicherlich langfristig auch aus regulatorischer Sicht kein Weg vorbei. Noch mangelt es an vergleichbaren und vor allem für alle Beteiligten kompatiblen Standards. Wealthcap hat daher in Zusammenarbeit mit dem Immobiliendienstleister JLL im Rahmen einer qualitativen Studie vier aktuelle Handlungsfelder definiert, welche die Marktakteure bereits jetzt sukzessive angehen oder umsetzen können, ohne auf Regulierung warten zu müssen:

  1. Zunächst sollten Materialpässe über alle im Gebäude verbauten Produkte, Bauteile und Materialien zum Nachweis ökologischen Bauens etabliert werden. Entsprechende Angebote gibt es bereits. Was fehlt, sind verbindliche Standards.
  2. Außerdem müssen Wiederverwendung und Recycling konsequent umgesetzt werden, denn Bauteile und Baumaterialien bilden die Basis für das Recycling der Zukunft. Erleichtert wird das durch eine weitere Standardisierung von Bauteilen und die entsprechende Dokumentation. Mit etwas größerem Aufwand ist Recycling aber auch ohne Dokumentation möglich.
  3. Künftig wird sich auch im Zuge von Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz ein von der Natur inspiriertes biophiles Design stärker durchsetzen, zum Beispiel mit stärker begrünten Innenräumen und natürlichen, wiederverwertbaren Materialien.
  4. Ein ebenso wichtiger Punkt sind flexible und modulare Konzepte. Können einzelne Segmente und Bauteile leicht ausgetauscht werden, erhöht das die wirtschaftlich sinnvolle Lebensdauer eines Gebäudes bei gleichzeitiger Realisierung von Skaleneffekten. Ein von vornherein möglichst flexibel nutzbares Gebäude vereinfacht zudem eine mögliche Drittverwendung, ohne dass zu aufwendig saniert oder gar abgerissen und neu gebaut werden müsste.

Hier können Sie sich unsere Studie „Circular Economy: Potenziale für Bestandsimmobilien“ herunterladen.

Dieser Artikel erschien am 16.11.2023 im Handelsblatt-Journal.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.