Florierende Städte brauchen dynamische Hotelmärkte
16. Mai 2025

Christoph Flügel | Arbireo Capital
16. Mai 2025
Christoph Flügel | Arbireo Capital
Wenn in den vergangenen Jahren neue Hotels in Deutschland entstanden sind oder sich aktuell Baukräne bei Hotelprojekten drehen, erregt das bisweilen die Gemüter: In Deutschlands Städten werde schließlich bezahlbarer Wohnraum gebraucht, und keine Hotelzimmer. Doch sollten Hotels und Wohnen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das wäre erstens nicht sachgerecht und zweitens zu kurz gedacht.
Nicht sachgerecht, weil erstens die beiden Nutzungsarten fast nie in direkter Konkurrenz zueinander auftreten. Wohnungen dürfen in der Regel nur in ausgewiesenen Wohngebieten und Hotels nur in ausgewiesenen Gewerbegebieten errichtet werden. Abweichungen davon gibt es in Einzelfällen, ebenso Mischnutzungen – aber das sind Ausnahmen. Zweitens täuscht der Eindruck, es gebe immer mehr Hotels in Deutschland. Das Gegenteil ist richtig, es werden immer weniger, weil viele vor allem kleinere Betriebe aufgeben. Gab es 2010 noch rund 22.000 Hotelbetriebe in Deutschland, sind es jetzt noch circa 12.000. Was hingegen kontinuierlich steigt, ist die Zahl der Hotelzimmer beziehungsweise Hotelbetten.
Und drittens stimmt auch der Befund nicht, dass Deutschlands Städte keine Hotelzimmer bräuchten. Die Übernachtungszahlen steigen seit Jahren kontinuierlich, wenn man vom „Corona-Knick“ 2020 einmal absieht. Da in den Pandemiejahren der Inlandstourismus boomte, lässt sich selbst das nicht uneingeschränkt einräumen. 2024 jedenfalls wurde die 500-Millionen-Grenze nur ganz knapp verfehlt – wovon mehr als die Hälfte auf Hotelbetten entfiel. In vielen Städten wurden 2024 neue Rekorde aufgestellt.
Anders gesagt: Das Hotelgewerbe würde sicher nicht in neue Hotelkapazitäten investieren, wenn es keine entsprechende Nachfrage gäbe. Und um diese wachsende Nachfrage zu befriedigen, werden Hotelkapazitäten benötigt. Andernfalls würde sie auf alternative Übernachtungsmöglichkeiten ausweichen, zum Beispiel zweckentfremdete Wohnungen. So gesehen würden erst fehlende Hotels für eine direkte Konkurrenzsituation von Übernachtungsgästen und Wohnungsmärkten führen.
Nun könnte man ja auch die Ansicht vertreten, dass es vielerorts ohnehin einfach schon zu viel Tourismus und zu viel Reiseverkehr gäbe. Geschäftsreisen ließen sich durch Videokonferenzen ersetzen, und besser für das Klima wäre es auch. Das wiederum halte ich für zu kurz gedacht. Hotels und ihre Übernachtungsgäste werden nicht nur wirtschaftlich gebraucht, sondern schaffen auch einen gesellschaftlichen Mehrwert.
Da sind zunächst neben den Steuereinnahmen auch die Tourismusabgaben, die inzwischen viele Kommunen erheben. Hinzu kommen die vielen sozialversicherten Arbeitsplätze in allen Qualifikationsstufen. Das ist relevanter, als man auf den ersten Blick erwarten mag: Nachdem Wirtschaft und Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel hin zu einer stärker dienstleistungsbetonten Ausrichtung durchlaufen haben (Tertiärisierung), dürften in Zukunft zahlreiche kognitive Berufsbilder langfristig durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. In einer solchen wirtschaftlichen Transitionsphase kann das Hotelgewerbe als Teil der stetig wachsenden Experience Economy zu Wachstum und Wohlstand beitragen.
Doch auch abgesehen davon: In welcher Stadt könnte das Kulturangebot allein von den Einwohnern leben? Museen, Theater und Festivals sind auf auswärtige Gäste angewiesen! Ohne die Möglichkeit, Gäste unterzubringen, wird ein Kongresszentrum wohl kaum gebucht werden. Taxifahrer hätten kaum Umsatz. Touristen beleben die Städte sowie Cafés und Restaurants. Wenn man vermeiden will, dass Innenstädte veröden, gehören dazu eben nicht nur Kaufhäuser, sondern auch attraktive Übernachtungsmöglichkeiten.
Die Städte brauchen dringend bezahlbaren Wohnraum – aber auch Hotelzimmer für ihre Gäste. Meiden Hotelinvestoren eine Stadt, deutet das womöglich auf ein viel schwerwiegendes Strukturproblem hin. Dynamische Hotelmärkte hingegen sind ein Zeichen für florierende Städte.
Dieser Beitrag erschien am 14.05.2025 auf der Website von Intelligent Investors.
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