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Schluss mit Gejammer! Bezahlbarer Wohnraum ist möglich

14. Aug 2022

Jan Eitel  |  Immprinzip

So viel gejammert wurde in der Immobilienbranche wohl noch nie. Gründe dafür gibt es viele. Preisexplosionen bei Rohstoffen und Baumaterialien und Lieferprobleme, die jeden Bauzeitenplan pulverisieren. Hinzu kommen Zinserhöhungen im Wochentakt, energiepolitisches Förderchaos und eine zunehmende Regulierungswut der politischen Entscheidungsträger. Nie war das Bauen so teuer und kompliziert. Weiterhin will die Bundesregierung jährlich 400.000 neue Wohnungen schaffen. Rund 100.000 davon sollen Sozialwohnungen werden. Wie das gehen soll, will das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“, von der neuen Bauministerin Klara Geywitz ins Leben gerufen, erarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass das Bündnis vom Abbau bürokratischer Hürden und schnelleren Genehmigungsprozessen durch Digitalisierung sprechen wird. Das klingt gut. Nur werden diese Vorhaben die extreme Wohnungsnot nicht lindern. Ein Umdenken auf allen Ebenen und mehr Raum für echte Innovationen ist nötig.

Sind bezahlbare Mieten noch möglich?
Bei den aktuell fast 43 Mio. Wohnungen liegt der Anteil der Sozialwohnungen bei 2,5 %. Je nach Schätzung der Gutachter benötigen jedoch zwischen 15 % und 25 % der Haushalte eine Sozialwohnung oder zumindest eine preisgedämpfte Unterkunft. Dass diese massive Angebotslücke von Unternehmen der öffentlichen Hand abgebaut werden kann, ist eine Illusion. Gerade die Kommunen sind sowohl finanziell als auch bei ihrer Mitarbeiterausstattung ausgeblutet. Sie sind daher nicht annähernd in der Lage, solche Probleme zu lösen. Öffentliche Ausschreibungen führen zu weiteren Kostenexplosionen. Knowhow und der Ehrgeiz, wirtschaftlich zu arbeiten, fehlen in den Behörden erfahrungsgemäß oft.

Die Privatwirtschaft ist hier gefordert. Sie kann die heraufziehende Immobilienkrise als Chance sehen, die geeigneten Immobilienprodukte zu liefern. Es geht nicht um ein Gegeneinander zwischen öffentlichen und privaten Projekten. Eine Allianz aus beiden Welten ist möglich. Ist es tatsächlich möglich, günstig sowie nachhaltig zu bauen und gleichzeitig bezahlbare Mieten zu ermöglichen? Ja. Die Möglichkeiten sind da und bieten sogar stabilere Anlageoptionen als überteuerter Neubau. Selbstverständlich ist der Weg dorthin steinig, da viele Konventionen infrage zu stellen sind. Vieles am Bau wird als unveränderbar angesehen – nach dem Motto: Was seit Jahrzehnten funktioniert, wird auch weiterhin funktionieren. Doch damit sollte Schluss sein.

Deutsche Industrienormen sind veraltet
Es lohnt sich ein Blick auf die sich oft widersprechenden Deutschen Industrienormen (DIN). Ist es beispielsweise sinnvoll, den ausgezeichneten Schallschutz in deutschen Neubauten, der auf einer DIN aus dem Jahr 1989 basiert, immer weiter verbessern zu wollen? Die baulichen Detaillösungen zur Erfüllung der neuen, deutlich verschärften Vorgaben sind mit modernen Bauweisen nur mit einem immensen Aufwand zu erfüllen. Das verteuert die Bauwerke unnötig und bietet für die Nutzer keinen wirklichen Mehrwert. Und die DIN für Schallschutz ist bei Weitem nicht die einzige, die infrage gestellt werden sollte. Das gilt auch für Flachdächer, Abdichtungen, Elektroinstallationen und vieles mehr. Es braucht funktionierende, sinnvolle und auch bezahlbare Baulösungen, die Nutzerinteresse und Mietkosten austarieren. So schaffen beispielsweise dünnere Wände mehr Wohnraum und senken die Kosten. Mit vorgefertigten Stahlstützen in Kombination mit Holzständern und Holzweichfasern als Dämmmaterial sind 26 cm dicke Außenwände möglich. In einem konventionellen Rohbau hat eine Mauer aus Kalksandstein und Wärmedämmverbundsystem meist eine Stärke von 48 cm.

Dankbare Mieter sind gute Mieter
Zur Zielgruppe für den Sozialbau gehören beispielsweise kinderreiche Familien, aber auch Alleinerziehende oder Angestellte im Einzelhandel. Das sind genau jene Gruppen, die in der Vermietung frei finanzierter Wohnungen durch das Raster fallen. Nicht nur die Produktgestaltung der Immobilie ist hierauf anzupassen, auch die Betreuung der Nutzer, beispielsweise bei der Beantragung des Wohnberechtigungsscheins. Gewiss können Neubauten in großen Städten für 8.000 Euro/qm bis 12.000 Euro/qm verkauft werden. Doch wer kann sich die resultierenden Mieten am Ende leisten? Der Markt ist überschaubar und stagniert. Die größte Zielgruppe besteht aus Menschen, die auf bezahlbare Mieten angewiesen sind. Hier ist der Bedarf entscheidend größer und wächst.

Für Investoren ist es interessant, wenn sie aus einem größeren Pool an Mietern schöpfen können. Am Ende setzt sich das Produkt durch, für welches es den größeren Markt gibt. Mieter sind erfahrungsgemäß dankbar, ein neues, attraktives Zuhause im Sozialbau gefunden zu haben. Die Identifikation mit der Immobilie ist deutlich höher als im herkömmlichen Wohnungsbau, was auch an den niedrigen Instandhaltungskosten abzulesen ist. Die lange durchschnittliche Mietdauer und die schnelle Wiedervermietbarkeit verringern die übliche Leerstandsquote annähernd gegen Null. Mietrenditen lassen sich nur erzielen, wenn die Wohnung auch vermietet ist. Weniger Fluktuation sorgt für mehr Stabilität, die aus Investorensicht entscheidend ist.

Geringere, aber stabilere Rendite
Die Förderkonditionen der Bundesländer für den sozialen Wohnungsbau sind zwar sehr unterschiedlich. Sie bieten jedoch durchgängig langfristige Darlehen mit sehr günstigen Zinsen und attraktiven Tilgungszuschüssen. Diese Zuschüsse sind gerade in Zeiten steigender Kreditzinsen und weggefallener Zuschüsse für energetische Maßnahmen besonders interessant. Geradezu vorbildlich hat Rheinland-Pfalz jüngst sein Wohnraumförderprogramm überarbeitet und sorgt damit dafür, dass Ausreden, warum bezahlbarer Wohnraum nicht mehr möglich sein sollte, entfallen.

Kapitalanleger zweifeln inzwischen die Neubaumieten im frei finanzierten Wohnungsbau an. Es fehlen ausreichend Mieter, die solche Konditionen finanzieren können. Viele Investoren begnügen sich daher mit geringeren Mietrenditen bei Sozialwohnungen, weil sie wissen, dass diese auch nachhaltig fließen. Wir brauchen keine neuen Bündnisse für bezahlbaren Wohnraum, sondern wieder den gesunden Menschenverstand, um die Angebotslücke im sozialen Wohnungsbau zu schließen. Und wir brauchen Immobilienunternehmer, die nicht nur vom bezahlbaren Wohnraum reden, sondern auch etwas aufbauen. Gejammert wird ohnehin schon genug.

Dieser Artikel erschien am 3.8. auf WIRTSCHAFTSWOCHE.

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