Investoren entdecken Healthcare- und Life-Science-Immobilien
12. Mai 2023
12. Mai 2023
Investoren sind in einem nicht nur durch die Zinswende herausfordernden Marktumfeld zunehmend an Immobilien im Markt für Healthcare und Life-Science interessiert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Starke Mittelzuflüsse in nicht zyklische Sektoren haben auch nach dem Abebben der Corona-Pandemie Bestand, um Pflege und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne zu gewährleisten. Zur grundsätzlichen Alterung der Bevölkerung kommt die zunehmende Bedeutung von Maßnahmen zur Prävention, Vor- und Nachsorge hinzu, welche einen stetig steigenden Flächenbedarf nach sich ziehen. Und auch veränderte Ernährungsgewohnheiten, ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein sowie die Suche nach ökologisch und klimatisch nachhaltigen Lösungen zur Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung sind stabile Nachfragetreiber für Immobilien der Assetklasse Healthcare und Life-Science.
Klar ist: Im Gefolge der Corona-Pandemie ist die Nutzungsart Healthcare einschließlich Senioren- und Life-Science-Immobilien als Teilsegment der Assetklasse Real Estate endgültig aus der Nische herausgewachsen. Während Seniorenimmobilien sich bereits seit Jahren kontinuierlich steigender Beliebtheit erfreuen, gilt das insbesondere für Healthcare im engeren Sinne sowie für Life-Science-Immobilien für einige Märkte in Westeuropa, allen voran Deutschland, die Niederlande, Belgien, Dänemark wie auch Italien und Spanien. Diese Märkte verzeichnen im Vergleich zu den USA, aber auch Großbritannien und Frankreich einen deutlichen Aufholprozess. Investoren in der Assetklasse Aktien schätzen diese Sektoren seit jeher aufgrund ihrer starken Wachstumsprognosen und ihrer geringeren Korrelation mit Konjunkturzyklen. Nun entdecken sie diese Qualitäten der Branche zunehmend auch in Bezug auf die Assetklasse Real Estate.
Fundamentale Aufwärtstrends sind intakt
Die fundamentalen Impulsgeber für die dynamische Entwicklung der Branche sind intakt und haben im Nachgang der Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen. Dazu zählen neben dem demografischen Wandel und dem damit einhergehenden Bedarf an funktioneller Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur Themen wie Prävention und Versorgung von typischen und kontinuierlich häufiger auftretenden Zivilisationskrankheiten, allen voran im Bereich Onkologie, Alzheimer, Diabetes, Orthopädie oder auch koronale Herzerkrankungen, und Pandemiemanagement. Hinzu kommt der Klimawandel und daraus resultierend der Verlust der Biodiversität und die Knappheit natürlicher Ressourcen. Auch dort eröffnen sich neue Arbeitsgebiete, zum Beispiel die Forschung und Produktion von zellbasiertem Fleisch („Cultured Meat“) oder auch „Precision Farming“ im Rahmen der Digitalisierung der Landwirtschaft.
Der demografische Wandel ist mittlerweile als gesellschaftliche Herausforderung unumstritten. Hinzu kommt ein weiterer Teilaspekt dieses umfassenden und langfristigen Wandels: Hochbetagte Menschen ab 85 Jahren bilden hierzulande inzwischen infolge weiter zunehmender Lebenserwartung prozentual die am stärksten wachsende Altersgruppe, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts deutlich machen. In den zwei Jahrzehnten bis 2021 hat sich ihre Zahl von knapp 1,2 Millionen auf 2,6 Millionen mehr als verdoppelt. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der 65-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung von 15 auf 22 %.
Hinzu kommt, dass im fortgeschrittenen Lebensalter die Krankheitskosten je Einwohner nach oben schnellen, von rund 6.000 Euro in der Gruppe der 65- bis 84-Jährigen auf das Doppelte in der Gruppe der Hochbetagten, die 85 Jahre alt oder älter sind, nach Angaben der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Der langfristig intakte demografische Trend zeichnet sich nachfrageseitig durch eine geringe Korrelation mit wirtschaftlichen Zyklen aus, was attraktive risikoadjustierte Renditen ermöglicht.
Gestiegenes Gesundheitsbewusstsein
Die zunehmende Lebenserwartung im Zusammenspiel mit dem Wertewandel in Richtung mehr Nachhaltigkeit führt auch zu veränderten Ernährungsgewohnheiten und einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein vieler Verbraucher, was sich sowohl in den Wachstumsraten der Märkte für Health-Nutrition als auch für qualitativ hochwertige und ressourcenschonend produzierte Lebensmittel niederschlägt.
Bis zum Ende dieses Jahrzehnts soll der weltweite Markt für Health-Nutrition ein Volumen von rund 70 Milliarden US-Dollar erreichen, was dem Marktforschungsunternehmen DataM Intelligence zufolge einer jährlichen Wachstumsrate von mehr als 6,4 % entspricht. Der Absatz nachhaltig und ressourcenschonend hergestellter Lebensmittel – häufig bilden innovative und forschungsintensive Herstellungsverfahren die Grundlage – hat sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt und erreicht mittlerweile rund 15,3 Milliarden Euro.
Homeoffice ist in der Praxis keine Option
Was aus immobilienwirtschaftlicher Sicht dabei von Bedeutung ist, sind die Produktionsbedingungen. Anders als in vielen anderen Branchen, deren Beschäftigte infolge der Corona-Pandemie ihre Tätigkeit teilweise oder sogar zur Gänze ins Homeoffice verlagert haben, ist diese Option in den Sektoren Healthcare und Life-Science nur in einem viel geringeren Ausmaß möglich. Die Arbeit in Laboren, Untersuchungen in medizinischen Versorgungszentren, Operationen – sei es ambulant oder stationär – sowie therapeutische Anwendungen in Rehakliniken setzen eine entsprechende Gebäudeinfrastruktur und eine Präsenz vor Ort voraus.
Die Größenordnungen sind dabei beachtlich: Gemäß dem Bundesverband Medizinische Versorgungszentren (BMVZ) gibt es bundesweit derzeit rund 5.500 human- und zahnmedizinische Versorgungszentren mit mehr als 25.000 angestellten Ärztinnen und Ärzten, wobei die Mietflächen in der Praxis zwischen 6.000 und 10.000 Quadratmeter groß sind.
Laboruntersuchungen wiederum sind für viele Patienten nicht auf dem Radar ihrer persönlichen Diagnostik und Therapie. Dabei betreuen in Deutschland rund 2.000 Fachärzte für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie mit etwa 50.000 qualifizierten Mitarbeitern im Labor Tag für Tag Hunderttausende Patientinnen und Patienten. Aufs Jahr hochgerechnet werden sie nach Angaben des Verbands der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland (ALM e. V.) etwa 440 Millionen Mal im Jahr kontaktiert. Auch hierbei gilt: Neben Büroflächen bedarf es vor allem Forschungs-, Arbeits- und Laborflächen entsprechend der vorherrschenden Arbeitsweise mit der notwendigen konstruktiven Grundkonstitution der Gebäude, technischen Ausstattung der Räume, Türen und Oberflächen einschließlich der Berücksichtigung an besondere Vorgaben betreffend Lüftung und Abfallentsorgung.
Nachhaltig steigender Flächenbedarf
Damit einhergehend kommen im Zuge der zunehmend verstärkt kommerzialisierten Forschung und Entwicklung in diesem Bereich massive Kapitalzuflüsse als Venture Capital und Private Equity, die der Entwicklung eine starke zusätzliche Dynamik und Wirtschaftskraft verleihen. Weltweit stieg das Investitionsvolumen privaten Kapitals im Bereich Life-Science im Jahr 2021 verglichen mit dem Vorjahreswert um circa 43 % auf rund 803 Milliarden Euro. Davon entfielen 35,1 Milliarden Euro auf Deutschland und etwa 91 Milliarden Euro auf die Kernländer der Europäischen Union.
So überrascht es nicht, dass Marktbeobachter wie Savills davon ausgehen, dass sich der strukturell nachhaltige Bedarf an Räumlichkeiten in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich Healthcare und Life-Science in Europa auf mehr als 400.000 Quadratmeter Fläche in den nächsten drei Jahren beläuft. Dieser starken Flächennachfrage – einhergehend mit durchaus individuellen und spezifischen Anforderungen daran – steht bislang ein geringes Angebot an adäquaten Immobilien gegenüber.
Aus Investorensicht bleibt festzuhalten, dass sich aus dieser Entwicklung Chancen ergeben, und zwar nicht nur auf Ebene der Einzelimmobilie, sondern auch durch die Möglichkeit, an der Entwicklung und Institutionalisierung einer starken Wachstumsbranche und einer aufstrebenden Immobiliennutzungsart zu profitieren.
Dieser Artikel erschien am 10.05. auf IPE D.A.CH
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