Der Mietmarkt gewinnt in Polen an Bedeutung
12. Apr 2024
12. Apr 2024
Wer zügig Projekte realisieren will, findet dafür auf dem deutschen Immobilienmarkt suboptimale Voraussetzungen: Vor allem in besseren Lagen ist der Markt hart umkämpft und viele Projekte stagnieren aufgrund der aktuell hohen Zinsen und Baukosten. Dazu kommt noch das komplizierte Baurecht – im Zweifelsfall kann es Jahre dauern, bis ein Bebauungsplan genehmigt ist. Wenn selbst ein simpler Radweg von der Planung bis zur Realisierung durchaus sieben Jahre an Zeit erfordern kann, dann lässt sich erahnen, wie lange ein Hochbauvorhaben von der Idee bis zur Realisierung benötigt.
Wer sehen möchte, dass es anders geht, sollte einen Blick auf unser Nachbarland Polen werfen. Dort entstehen in Rekordzeit ganze Stadtquartiere. Das polnische Baurecht ist pragmatischer – es gibt schlichtweg weniger Bauvorschriften als in Deutschland und das vereinfacht die Prozesse. Fakt ist: In Polen wird schneller mehr Wohnraum geschaffen, der dem deutschen Qualitätsstandard inzwischen sehr nahekommt.
Planerisches Greenwashing
Lässt sich also sagen, dass Projekte in Polen grundsätzlich besser realisiert werden als in Deutschland? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Sieht man sich die Planung und Umsetzung an, so wird klar, dass das dortige System auch Schwächen hat. Der Schutz der Umwelt kommt in unserem Nachbarland manchmal zu kurz – mitunter ist dort sogar planerisches Greenwashing zu beobachten. Aus diesem Grund übt die Europäische Union längst Druck aus – das Landesrecht muss sich EU-weit geltenden Richtlinien anpassen. Häufig wird bei neuen Projekten auch nicht genügend Rücksicht auf bereits bestehende Siedlungsstrukturen genommen, was teilweise dazu führt, dass Dorfsiedlungsstrukturen zerstört werden.
Obwohl es in einigen Punkten Verbesserungspotenzial gibt, kann der polnische Wohnungsbau uns in vielen Bereichen ein Vorbild sein. Nicht nur die Verwaltung, sondern auch der polnische Staat fördern Neubauprojekte. Und die polnische Regierung fördert nicht nur den Wohnungsbau, sondern kurbelt auch den Markt an, indem sie Privatleute beim Erwerb von Wohneigentum mit attraktiven Darlehen unterstützt, bei denen die Zinsen für zehn Jahre auf zwei Prozent festgelegt sind, und ihnen beim Kauf der ersten eigenen Immobilie die Transaktionssteuer in Höhe von zwei Prozent erlässt.
Diese Tatsache macht Polen zum Vorbild in Sachen politische Fördermaßnahmen und vor allem zu einem Land, das für Projektentwickler aus Deutschland attraktiv ist. Zwar sind die Zinsen dort höher als in Deutschland, das gilt aber auch für die Renditen. Hochwertige Eigentumswohnungen finden im Übrigen nicht nur Abnehmer aus Polen – nach Angaben des in Polen zuständigen Ministeriums stellen Deutsche nach den Ukrainern die zweitgrößte Käufergruppe auf dem polnischen Immobilienmarkt.
Mietrecht ist kaum reguliert
Gute Perspektiven haben in Polen insbesondere auch Projekte für den Mietmarkt. Die meisten Polen (rund 87 Prozent im Jahr 2022) leben laut Angaben des Statistischen Bundesamts in Wohneigentum – ganz anders als in Deutschland, wo mit rund 42 Prozent (Stand 2022) ein deutlich geringerer Teil in den eigenen vier Wänden wohnt. Doch in Polen ändert sich das gerade. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen ziehen in die Städte und wünschen sich flexibel anmietbaren, hochwertigen Wohnraum – viele junge Europäer gehen inzwischen auch nach Polen, um dort zu studieren.
Eine weitere Gruppe, die dringend geeigneten Wohnraum benötigt, sind die Senioren. Die Ansprüche der polnischen Mieterschaft sind in den zurückliegenden Jahren gestiegen, inzwischen werden hohe Qualitätsstandards erfüllt und auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Das Mietrecht ist aber nach wie vor kaum reguliert – ein weiteres Argument für Investitionen in Immobilien in Polen. Und auch dadurch, dass durch den Krieg in der Ukraine viele Menschen zuwandern, wächst in Polen der Bedarf nach Wohnraum. Obwohl die Rahmenbedingungen günstig sind, investieren bislang nur wenige institutionelle Investoren aus Deutschland in Wohnprojekte in Polen. Denn es gilt auch ein paar Besonderheiten zu berücksichtigen: Eine gute Ortskenntnis ist unabdingbar, um eine gute von einer durchschnittlichen Lage zu unterscheiden. Zudem werden private Mieten in Zloty gezahlt, was ein Währungsrisiko darstellen kann. Und auch wenn es nicht so umfassend ist wie das deutsche, muss man sich natürlich mit dem polnischen Baurecht auseinandersetzen. Ein guter Kompromiss kann darin bestehen, in ein bereits genehmigtes Projekt zu investieren oder eine Immobilie weiterzuentwickeln.
Fazit: Die Wohnungsnot in Deutschland ist mittlerweile so groß, dass Veränderungen im deutschen Baurecht unumgehbar sind. Natürlich sollten wird unsere Ansprüche in Sachen Umweltschutz und Quartiersplanung nicht herunterschrauben. Sinnvoll wäre es aber, neue Programme zu etablieren, die Menschen bei dem Erwerb einer eigenen Immobilie unterstützen.
Wir benötigen ein pragmatischeres Baurecht anstatt der Überregulierung, die den Bau neuer Wohnungen zusätzlich erschwert in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ohnehin herausfordernd sind. Angesichts des enormen Wohnungsmangels kommt es mehr denn je darauf an, dass Projekte zügig geplant und umgesetzt werden können. Und wer doch lieber in schnell zu realisierende Projekte im europäischen Ausland investieren will, kann auch einfach nach Polen gehen.
Dieser Artikel erschien am 09.04.2024 online auf immobilienmanager.de.
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