Der Mieterstrom ist bereit – kein anderes Modell bietet eine so überzeugende Kombination aus Rendite, Skalierungspotenzial und klimapolitischer Wirkung.
Gibt es eine Pauschallösung für viele unserer energiewirtschaftlichen Herausforderungen? Wahrscheinlich nicht, aber es wäre zumindest sehr hilfreich, endlich auf die Karte dezentrale Energieerzeugung zu setzen. Fakt ist: Dezentrale Energieerzeugung bietet ein enormes wirtschaftliches und klimapolitisches Potenzial, gleichzeitig könnten Millionen von Unternehmen, privaten Mietern sowie Eigentümern profitieren. Jetzt fehlt es nur an der entsprechenden Regulatorik. Und politischem Willen.
Bedauerlicherweise hat die Energiewende den Gebäudesektor bislang nur teilweise erreicht. Während Photovoltaikanlagen landauf, landab auf Einfamilienhäusern längst Alltag sind, bleiben die Dächer von Mehrfamilienhäusern und Gewerbeflächen im urbanen Raum viel zu oft außen vor – und das im Mieterland Deutschland und obwohl mit dem Mieterstrommodell und Onsite-PPAs (Power Purchase Agreements) längst praktikable Instrumente zur Verfügung stehen.
Bedauerlich vor allem deshalb, weil die Potenziale zum Greifen nah sind. Ein paar Zahlenbeispiele: Etwa 1,9 Millionen Gebäude gelten bundesweit als geeignet für die Installation von Photovoltaikanlagen und das jährliche Erzeugungspotenzial liegt bei rund 43 Terawattstunden. Das entspricht mehr als zwei Dritteln der gesamten deutschen Photovoltaikerzeugung im Jahr 2024. Im Gegensatz dazu liest sich die Bilanz auf der Habenseite eher trist. Im Marktstammdatenregister waren im vergangenen Jahr nur rund 9.000 Mieterstromanlagen verzeichnet, die jährlich gerade einmal 0,16 Terawattstunden Strom lieferten, weniger als 0,3 Prozent des technisch möglichen Volumens.
Unterschätzte Rendite
Die Frage ist: Wo bleibt der Durchbruch? Die Vorteile für alle Beteiligten liegen auf dem Tisch, wobei insbesondere jene für Investoren, Wohnungsbaugesellschaften, Gewerbetreibende und Eigentümer in der Debatte eher unterbeleuchtet sind. Fakt ist: Die lokale Energieversorgung mithilfe von Modellen wie Mieterstrom oder Onsite-PPAs ist gleich auf mehreren Ebenen für sie attraktiv. Branchenüblich bewegen sich die Renditen für Mieterstromprojekte zwischen zehn und 15 Prozent, in Einzelfällen sogar darüber.
Die Amortisationszeiten liegen typischerweise zwischen fünf und acht Jahren. Die Einnahmen speisen sich aus dem Verkauf des lokal erzeugten Stroms an die Mieter – gesetzlich gedeckelt auf maximal 90 Prozent des Grundversorgertarifs – sowie aus dem staatlichen Mieterstromzuschlag, der je nach Anlagengröße bis zu 2,62 Cent je Kilowattstunde betragen kann. Nicht selbst verbrauchter Strom wird zudem nach EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz) vergütet.
Auch steuerlich hat sich die Attraktivität des Modells verbessert. Das Jahressteuergesetz 2024 brachte deutliche Vereinfachungen: Kleinere Photovoltaikanlagen sind umsatzsteuerfrei gestellt und auch die Einkommensteuerregelung wurde deutlich vereinfacht. Gerade für die Wohnungswirtschaft reduzieren sich dadurch administrative Hürden und wirtschaftliche Unsicherheiten.
Hinzu kommt: Mieterstromprojekte leisten einen messbaren Beitrag zur CO2-Reduktion, verbessern damit das Nachhaltigkeitsrating und können mittelfristig zur Senkung der CO2-Kosten beitragen. Gleichzeitig steigt der Wert der Gebäude: Studien gehen von einer durchschnittlichen Wertsteigerung um sechs bis sieben Prozent durch Photovoltaik aus, unter anderem dadurch, weil das ESG-Rating (Environment, Social, Governance) und die BREEAMZertifizierung (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology; Methode zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilien) verbessert werden.
Neue, mutige Wege
Und last but not least: Auch die technologischen Hürden gelten heute als beherrschbar. Intelligente Messsysteme, automatisierte Abrechnungssoftware und flexible Betreibermodelle wie Dachpacht, Anlagenpacht oder Eigenbetrieb machen das Konzept skalierbar. Spezialisierte Energiedienstleister übernehmen Planung, Betrieb und energiewirtschaftliche Pflichten.
Nicht zuletzt haben auch die Mieter – ob privat oder gewerblich – klare Vorteile durch lokale Stromversorgung: Sie erhalten günstigen Ökostrom vom eigenen Dach, der gesetzlich mindestens zehn Prozent unter dem örtlichen Grundversorgungstarif liegen muss. Außerdem werden sie zu aktiven Teilhabern der Energiewende; einer Teilhabe, die bislang Einfamilienhausbesitzern, Landwirten, großen Energiekonzernen wie E.ON und RWE sowie Stadtwerken vorbehalten war. Also nochmal: Wo bleibt der Durchbruch?
Ein Hindernisgrund könnte sein, dass die Regulatorik noch nicht an die neuen Verhältnisse angepasst ist, was wiederum zur Zurückhaltung bei Investoren und Wohnungsbaugesellschaften führt. Denn Fakt ist: Kein Mieter kann verpflichtet werden, den Strom vom Gebäudeeigentümer zu beziehen. Das im Energiewirtschaftsgesetz verankerte Kopplungsverbot untersagt die vertragliche Bindung von Miet- und Stromlieferverträgen. Diese Regelung schützt die Verbraucherfreiheit, erschwert jedoch die Planungssicherheit für Investoren erheblich. Je nach Beteiligungsquote kann ein Projekt wirtschaftlich oder defizitär ausfallen. Besonders bei kleineren Liegenschaften ist die Kalkulation damit oft schwierig.
Regulatorischer Perspektivwechsel
Vielleicht ist es Zeit, an dieser Stelle neue, mutige Wege zu gehen. Ein möglicher Ausweg liegt in einem regulatorischen Perspektivwechsel: Ein Opt-out-Modell, bei dem Mieter standardmäßig Teil des Mieterstromprojekts sind, solange sie nicht aktiv widersprechen, könnte die Wirtschaftlichkeit deutlich verbessern. Die freie Anbieterwahl bliebe erhalten, die Investitionssicherheit stiege jedoch signifikant.
Flankierend könnten freiwillige Vertragsmodelle wie Green-LeaseVereinbarungen eingeführt werden, wie sie im Gewerbesektor verbreitet sind. Dabei verpflichten sich Vermieter und Mieter zusammen zu ökologischen Standards – etwa zur Nutzung lokal erzeugten Stroms –, ohne dass gesetzliche Kopplungen notwendig wären. Welche Maßnahmen auch immer ergriffen werden: Jetzt ist es an der Zeit, von zentraler auf dezentrale Energieversorgung umzuschalten. Mieterstrom ist bereit für den Durchbruch. Kein anderes Modell bietet derzeit eine so überzeugende Kombination aus Rendite, Skalierungspotenzial sowie klimapolitischer Wirkung und könnte der Energiewende in Deutschland so neuen Schub und Antrieb geben.
Dieser Beitrag erschien am 05.07.2025 in der Börsen-Zeitung.
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