Denkmalschutz als Sparringspartner
11. Okt 2024
11. Okt 2024
In der Revitalisierung von Logistik-Bestandsflächen kann ein besonderer Reiz liegen: Oftmals handelt es sich um gut angebundene, teils sogar urbane Lagen. Die Genehmigung einer gewerblichen Nutzung im Bestand stellt in der Regel eine niedrigere Hürde dar als bei einem Neubau. Handelt es sich überdies um eine historische Bausubstanz – zum Beispiel um eine frühere Produktionsstätte aus der Gründerzeit –, können solche Industriedenkmäler mit ihrer Architektur einen besonderen Charme versprühen.
Doch die Sache hat einen Haken: Denkmalschutz. Gerade bei kleineren Brownfields mit historischer Bausubstanz in urbanen Lagen ist das eher die Regel als die Ausnahme. Damit gehen zumeist ein erheblicher Mehraufwand bei den Sanierungsmaßnahmen, von denen im Zweifel nicht alle wie geplant umgesetzt werden können, sowie ein großer Abstimmungsbedarf mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden einher.
Hürden sind (meist) überwindbar
Da stellt sich unweigerlich die Frage: Lohnt sich das? Meine Antwort lautet: Ja, in vielen Fällen schon. Mit etwas Anlauf sind die meisten Hürden überwindbar. Auf der anderen Seite sprechen die Ergebnisse für sich. Zu Unrecht wird der historische Wert speziell von Industriedenkmälern oftmals unterschätzt. Doch der Denkmalschutz besteht in den meisten Fällen nicht von ungefähr. Sich damit zu befassen, kann sich lohnen.
Die Herausforderungen sind jedoch nicht von der Hand zu weisen: Zunächst natürlich die höheren Kosten im Vergleich zu nicht denkmalgeschützten Objekten – sofern man dabei von Vergleichbarkeit überhaupt sprechen kann. Schwerer als die Höhe der Kosten wiegt jedoch deren Unberechenbarkeit beziehungsweise die mangelnde Planbarkeit. Es können immer wieder unerwartete Detailfragen auftreten, die nicht nur Zeit und Geld kosten, sondern auch größere Anpassungen der Projektplanung erforderlich machen können. Denkmalschutz braucht außerdem Zeit und Muße, die viele Projektentwickler nicht haben.
Und nicht zuletzt kann es immer wieder zu scheinbar unlösbaren Konflikten kommen zwischen den Interessen des Denkmalschutzes auf der einen Seite sowie technischen Nutzer- und Nachhaltigkeitsanforderungen auf der anderen Seite. Ein gut nachvollziehbares Beispiel hierfür ist die Fassadendämmung: Wer möchte schon eine denkmalgeschützte historische Fassade hinter zentimeterdicken Styroporplatten verstecken? Wer hat dann Vorfahrt, Klima- oder Denkmalschutz? Oder lässt sich auch anderweitig Energie sparen?
Gerade bei Logistikimmobilien können solche technischen Fragen noch wesentlich komplexer werden: Wie kann die Tragfähigkeit eines Zwischengeschosses oder des Daches in Einklang mit den Denkmalschutzvorgaben erhöht werden? Können zusätzliche Rolltore eingelassen oder Laderampen angebracht werden – und wenn ja, wie und wo? Wie steht es um die Gebäudetechnik oder um die Installation von Photovoltaikanlagen?
Umgang mit historischem Bestand
Umgekehrt erfordert der Denkmalschutz gerade bei früheren Produktionsstätten große Aufmerksamkeit im Umgang mit dem historischen Bestand. Oftmals wäre es am einfachsten, das Gebäude einfach komplett zu entkernen. Doch das ist mit dem Denkmalschutz teilweise nicht vereinbar. Einzelne Gebäudeteile oder Einbauten, die für die neue Nutzung sinnlos oder gar hinderlich sein mögen, waren früher für den Produktionsprozess erforderlich und sind daher unter Umständen ein immanenter Teil des denkmalgeschützten Ensembles, die weder verändert noch entfernt werden dürfen. Attribute wie flexible Gestaltungs- und Drittverwendungsmöglichkeiten, für die Industriebauten ursprünglich standen, können angesichts des Denkmalschutzes eingeschränkt sein.
Erfahrungsgemäß lassen sich mit Geduld und Kreativität und im Zusammenspiel mit den Denkmalschutzbehörden fast immer pragmatische und zielführende Lösungen finden. Dafür gibt es zwar keine Blaupausen, wir stellen aber zunehmend guten Willen und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten fest. Bei den Ämtern herrscht zumeist die Überzeugung vor, dass damit auch dem Denkmal selbst am meisten gedient ist. Denn die Alternative zu Umbau und Weiternutzung hieße schlimmstenfalls Leerstand und Verfall.
Auch die Entwickler sollten den Denkmalschutz nicht als lästiges Investitionshemmnis sehen, sondern als ein essenzielles Charakteristikum des Gebäudes. Wer sich mit Wertschätzung und Neugier mit seiner Geschichte auseinandersetzt, sucht fast von allein nach konstruktiven Kompromissen, um den historischen Wert zu erhalten und dabei die vielfältigen baulichen Vorzüge und Potenziale zu nutzen.
Auf der anderen Seite können Logistikflächen in revitalisierten Industriedenkmälern viele einzigartige Vorteile bieten – auch für Mieter und Nutzer. Das fängt mit ganz objektiven Kriterien an: Die Objekte befinden sich oftmals an gut angebundenen Standorten, zum Teil in einem urbanen Umfeld, in dem die Beschäftigten im Idealfall vielfältige Gastronomie- und Nahversorgungsangebote vorfinden. Das sind Lagen, in denen es heutzutage praktisch undenkbar wäre, neue Logistikflächen genehmigt zu bekommen.
Für den Entwickler liegt der besondere Reiz, aber auch die große Verantwortung darin, dieses einmalige Potenzial voll auszuschöpfen. Der Denkmalschutz sollte dabei nicht Hindernis, sondern Sparringspartner sein.
Dieser Artikel erschien am 02.10.2024 auf in der DVZ.
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