Investieren im Ruhrpott – hot or not?
12. Feb 2023
12. Feb 2023
Projektentwickler, Unternehmen und Investoren haben im Grunde zwei Möglichkeiten. Eine ist, sich aufgrund der neuen Herausforderungen am Markt wie Preissteigerungen, steigender Inflation, Bauverzögerungen und höherer Finanzierungskosten zurückzuziehen oder abzuwarten. Die zweite ist, nach neuen Chancen zu suchen. Doch welche Standorte werden in den kommenden Jahren in den Fokus rücken? In Deutschland gibt es eine besonders reizvolle Region: den Ruhrpott. Es gibt Stimmen, die behaupten, dieser sei aus Investorensicht vergleichbar mit dem Berlin der 1980er-Jahre. Also günstige Objekte in einer zukunftsträchtigen und bald boomenden Metropolregion? Klingt in diesen unsicheren Zeiten zu schön, um wahr zu sein. Was ist dran an dieser Einschätzung?
Bulwiengesa: Preise gehen noch weit nach oben
Immer mehr Anleger investieren im großen Stil in Immobilien im Ruhrgebiet. Insbesondere die größeren Städte stehen hoch im Kurs. In Bochum beispielsweise wollen Projektentwickler Tausende Quadratmeter Büro- und Wohnfläche errichten. In der Stadt Essen herrscht einem bulwiengesa-Bericht zufolge Wohnungsnot und seit 2018 wird in der Ruhrmetropole wieder fleißig gebaut – nachdem die Stadt zuvor jahrzehntelang stetig Einwohner verloren hatte.
Der Firmensitz zahlreicher bedeutender deutscher Unternehmen befindet sich in Essen, so unter anderem der von Thyssenkrupp, Eon und RWE. Die bulwiengesa-Analysten gehen daher davon aus, dass Mieten und Preise noch weit nach oben gehen werden. 2021 wurden im Ruhrgebiet gemäß dem Immobilienmarktbericht der Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr (BMR) rund 264.000 qm neue Bürofläche errichtet, was der höchste Wert seit 2010 sei. Nur in Berlin sei im Vergleich mit den A-Städten noch mehr gebaut worden. Nach BMR-Angaben ist die Metropole Rhein-Ruhr mit 17,4 Mio. qm der zweitgrößte Büroimmobilienmarkt in Deutschland.
Bauvolumen mit München oder Hamburg vergleichbar
Auch bulwiengesa bescheinigt dem Ruhrgebiet in seiner „Projektentwicklerstudie Ruhr 2022“ ein hohes Projektentwicklungsvolumen von 11,8 Mio. qm – über alle Immobiliensegmente hinweg. Demnach ist das Ruhrgebiet vom Bauvolumen mit den A-Städten München und Hamburg vergleichbar. Etwa die Hälfte des Volumens entfalle auf die vier größten Städte: So würden in Bochum, Duisburg, Dortmund und Essen allein 69,6 % aller Büroflächen und 51,3 % aller Wohnflächen im Ruhrgebiet entwickelt. Möglich machen das unter anderem die niedrigen Kaufpreise, welche die Postbank und das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) dem Ruhrgebiet in einer Marktanalyse attestieren. Demnach lagen die Quadratmeter-Kaufpreise dort 2020 zwischen knapp 1.300 Euro in Gelsenkirchen und gut 2.100 Euro in Mülheim an der Ruhr. Damit gehöre der ganze Ruhrpott bundesweit zu den günstigeren Regionen.
Dynamikpotenzial wie Berlin in den 2000er-Jahren
Gleichzeitig steigen die Mieten zwischen Rhein und Ruhr. Gemäß dem Mietspiegel des Portals Wohnungsboerse.net sind in Bochum beispielsweise die Quadratmetermietpreise für eine 30-qm-Wohnung von 6,84 Euro/qm im Jahr 2011 auf 8,96 Euro/qm im Jahr 2021 angestiegen. Zusammen mit den niedrigen Kaufpreisen finden Investoren im Ruhrpott also ein großes Renditepotenzial vor. Eine hohe Anziehungskraft kann das Ruhrgebiet auch unter jungen, qualifizierten Menschen vorweisen. Einer Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Yougov im Auftrag des Regionalverbandes Ruhr (RVR) zufolge sind für sogenannte High Potentials vor allem „unfertige“ Regionen attraktiv – also Regionen, die sich noch im Wandel befinden. Das sagten in dieser Erhebung 46 % der Studierenden und 38 % der Befragten mit Hochschulabschluss. In dieser Umfrage bescheinigten die meisten 18- bis 29-Jährigen dem Ruhrgebiet das gleiche Dynamikpotenzial wie Berlin in den 2000er-Jahren.
Augen nach neuen Märkten aufhalten
Für mich als Berliner Urgestein bleibt meine Heimat immer die attraktivste Umgebung für Investitionen, trotz aller Widrigkeiten. Doch der Ruhrpott ist ein sogenannter Hot Take, den man in den kommenden Jahren nicht mehr ignorieren kann. Allein Duisburg mit dem größten Binnenhafen Europas hat nur eine 5 % niedrigere Kaufkraft als Berlin. Dort endet übrigens auch die neue von China initiierte Seidenstraße. Für mich ist es erst einmal grundsätzlich wichtig zu schauen, wie der Markt aktuell aufgestellt ist. Wo lohnt es sich, aktiv zu werden? Allgemein gilt: Die Metropolregionen sind die attraktiveren Standorte in Deutschland. Das sind Märkte mit einem knappen Angebot und einer hohen Nachfrage. Ich glaube, dass die Mietnachfrage und die Mietpreise über die nächsten Jahre steigen werden. Zukunftsorientierte Lagen sind essenziell.
Dieser Artikel erschien am 16.1. auf IMMOBILIENMANAGER.DE.
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