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Zwischen Büro und Urlaub: Wie Workation Immobilien neu definiert

8. Aug. 2025

Jana Mrowetz  |  GIBE Real Estate

Workation wird zum festen Bestandteil moderner Arbeitskultur und eröffnet neue Chancen für Investoren und Projektentwickler.

Raus aus der Stadt, rein in die Natur, und für den Tapetenwechsel Arbeit mit Urlaub verbinden: Mehr als 80 Prozent der jungen Berufstätigen wünschen sich Workation – also die Verbindung von Arbeit und Urlaub – als etabliertes Angebot bei ihrem Arbeitgeber. Fast jeder dritte Beschäftigte in Deutschland würde ein Jobangebot ablehnen, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit bietet, zeitweise aus dem Ausland zu arbeiten. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 45 Prozent.

Diese Zahlen aus der 2024 veröffentlichten PwC-Studie sind ein echtes Trendbarometer und verdeutlichen: Der zunehmende Wunsch nach mehr Standortflexibilität über das Homeoffice hinaus ist längst kein exotischer Nebenaspekt mehr, sondern ein wachsender Bestandteil moderner Arbeitskultur. Gleichzeitig wächst auch die Zahl der sogenannten digitalen Nomaden. Und damit stellt sich eine zentrale Frage an die Immobilienwirtschaft: Haben wir ausreichend geeigneten Raum oder müssen wir umdenken und Neues entwickeln? Parallel dazu eröffnet sich eine Perspektive, die bislang nur am Rand des Marktes gedacht wurde: Workation als Investmentmöglichkeit und auch als Geschäftsmodell.

Eine neue Form des Hotels
Immer mehr Unternehmen bauen Angebote für ortsunabhängiges Arbeiten aus und das nicht aus Idealismus, sondern um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Der Kampf um Talente, insbesondere um digital affine Fachkräfte, erfordert neue Benefits, die über das klassische Homeoffice hinausgehen. Genau hier entsteht ein Markt. Es sind nicht nur Urlauber mit Laptop, sondern auch die zuvor erwähnten digitalen Nomaden: Menschen, die ortsunabhängig arbeiten, regelmäßig ihren Lebensmittelpunkt verlagern und dabei auf ein Minimum an physischer Infrastruktur angewiesen sind. Für sie ist Workation kein Zusatzangebot, sondern gelebte Realität. Sie sind multilokal lebende Wissensarbeiter, Teil eines Start-up-Teams, Projektgruppen, Freelancer und Remote-Angestellte, die mehr als einen Schreibtisch brauchen. Digitale Nomaden suchen nach flexiblen Aufenthalten von wenigen Tagen über zwei Wochen bis hin zu drei Monaten, mit der Option auf Verlängerung, Anschluss an eine Community und zuverlässige Arbeitsinfrastruktur.

Das klassische Hotel stößt dabei an seine Grenzen: wenig Privatsphäre für längere Aufenthalte, starre Preismodelle, kaum Arbeitszonen, keine sozialen Touchpoints jenseits der Lobby. Im Gegensatz dazu bieten sogenannte Hospitality-2.0-Immobilien konkrete Mehrwerte: separate Schlaf- und Arbeitsbereiche, ergonomische Möbel, stabiles Highspeed-WLAN, buchbare Meetingräume, Küchen zur Selbstversorgung, inspirierende Gemeinschaftsflächen – und ein Betriebskonzept, das Flexibilität mit sozialer Einbindung verbindet.

Es geht nicht mehr nur um Übernachtung, sondern um Aufenthaltsqualität. Gemeinschaftsflächen, Workshops, lokale Aktivitäten und digitale Services wie Buchungsplattformen oder Community-Apps machen den Unterschied. Es braucht also Orte, die Arbeitsprozesse ermöglichen, aber nicht wie klassische Büros funktionieren. Orte, die temporäres Wohnen erlauben, aber mehr als ein Bett bieten. Orte, die soziale Begegnung fördern, aber nicht auf touristische Erlebnisformate reduziert sind. Die konventionellen Kategorien greifen nicht mehr. Es entsteht eine neue Realität, die sich nicht in Kategorien wie Wohn-, Büro-, Hotel- oder Gewerbeimmobilien fassen lässt, sondern alle diese Elemente integriert. Damit entstehen Geschäftsmodelle, die auf längere Verweildauer, direkte digitale Vermarktung und flexible Nutzung setzen und damit wirtschaftlich resilienter sind als rein tourismusorientierte Angebote.

Lebensraum statt Assetklasse-Silos – Quartiere als investierbare Produkte
Dabei lassen sich diese neuen Modelle längst nicht nur auf ländliche Rückzugsorte begrenzen. Auch in Städten eröffnen sich Chancen, wenn man beginnt, Quartiere nicht länger als Sammlungen einzelner Assetklassen zu denken, sondern als investierbare Lebensräume. Genau hier liegt der Schlüssel für eine wirtschaftlich tragfähige und sozial nachhaltige Stadtentwicklung: Nur wenn die intelligente Verzahnung von Frontend – Nutzererlebnis und Aufenthaltsqualität – und Backend – digitale Infrastruktur, Betriebskonzepte, Mobilität und Versorgung – gelingt, wird ein Quartier langfristig erfolgreich.

Mischnutzung ist dabei kein Risiko, sondern eine große Chance: Wohnen, Arbeiten, temporäres Leben, Nahversorgung, Hospitality, Gesundheit und Bildung können sich gegenseitig stärken – wenn sie integriert geplant werden. Das erfordert jedoch neue Denkweisen. Denn diese neue „Ordnung“, die durch Assetklassen-übergreifende Konzepte entsteht, wirft Fragen auf: Was ist ein Co-Living-Konzept – Wohnen oder Gewerbe? Ist ein Coworking-Space für Anwohner eine gewerbliche Fläche oder Teil eines gemeinschaftlichen Wohnens? Das zeigt: Das geltende Baurecht, das auf klaren funktionalen Trennungen basiert, steht modernen Lifestyles oft im Weg.

Portugal zeigt, wohin die Reise geht
Doch wie es richtig funktioniert, zeigt sich immer häufiger in Portugal abseits der Tourismushochburgen. Beeindruckende Küstenregionen und malerische Landschaften mit Korkeichen entwickeln sich zum Magneten für eine neue Zielgruppe. Digitale Nomaden, die zwischen verschiedenen Ländern pendeln, Projektteams auf Retreat, Angestellte auf Workation und Selbstständige mit ortsunabhängigen Berufen – sie alle suchen eine Mischung aus Rückzug und Anschluss. Nachhaltige Quartiere, digitale Infrastruktur, funktionierende Ökosysteme und Nähe zu lokalen Märkten treffen hier auf wachsendes Interesse – auch seitens internationaler Investoren.

Die portugiesische Regierung unterstützt diese Entwicklung aktiv: Mit Förderprogrammen, steuerlichen Anreizen und gezielter Standortentwicklung werden Regionen abseits der Großstädte und des Massentourismus gezielt aufgewertet. Die Kombination aus relativ niedrigen Einstiegspreisen und steigender Nachfrage ergibt attraktive Business Cases. Nicht zuletzt, weil das Modell Workation ganzjährig funktioniert und nicht von Saisons abhängt. Im Gegensatz zu klassischen Ferienimmobilien sind die Auslastungsraten über das Jahr verteilt deutlich stabiler.

Workation als wirtschaftlicher Kompass für den Tourismus der Zukunft
Die Business-Logik dahinter ist klar: Hospitality 2.0 eröffnet ein diversifiziertes Nutzungsspektrum und erschließt neue Zielgruppen, die über klassische Hotelkunden hinausgehen.

Durch die Verbindung von Wohnen, Arbeiten, Gemeinschaft und Tourismus entstehen vielseitige Immobilienkonzepte. Diese sind nicht nur breiter vermarktbar, sondern auch weniger abhängig von saisonalen Schwankungen und dadurch deutlich krisenresistenter.

Vor allem die Unabhängigkeit von klassischen Saisonverläufen ist ein großer Vorteil: Während traditionelle Ferienimmobilien vor allem in der Hauptsaison ausgebucht sind und in der Nebensaison mit Umsatzeinbußen kämpfen, bieten New-Hospitality-Konzepte attraktive Alternativen. Besonders das Longstay-Klientel schätzt in den ruhigeren Monaten die niedrigeren Preise und das milde Klima.

Gerade in wirtschaftlich volatileren Zeiten zeigt sich: Wer auf flexible, modular nutzbare Flächen setzt, kann schneller auf Marktveränderungen reagieren. Gleichzeitig sinken Leerstandsrisiken, weil verschiedene Zielgruppen von Workation-Gästen über Projektteams bis hin zu lokal verwurzelten Selbstständigen dieselbe Infrastruktur nutzen können.

Workation als Investment zu denken, heißt also, Arbeit nicht nur räumlich, sondern strukturell neu zu definieren. Es heißt, die starren Trennlinien der Assetklassen zu hinterfragen und neue Lebensmodelle nicht als Ausnahme, sondern als Basis zukünftiger Nachfrage zu begreifen. Die Immobilienbranche hat die Chance, diese Entwicklung nicht nur zu begleiten, sondern aktiv zu gestalten. Und das mit einem klaren Vorteil: Sie investiert in Orte, die nicht nur genutzt, sondern gelebt werden. 

Dieser Beitrag erschien am 06.08.2025 auf immobilienmanager.de.

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