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Es ist Zeit, das Richtige zu tun

10. Jul 2022

Jens Böhnlein MRICS  |  Commerz Real

Es fällt zugegebenermaßen schwer, im Dickicht der derzeitigen Nachhaltigkeitsregulierung noch den Überblick zu behalten. Eines aber hat diese erreicht: Das Thema Nachhaltigkeit wurde unweigerlich in die Entscheidungsfindung eines jeden Unternehmens in der Immobilienbranche katapultiert. Eine solche Dynamik der Veränderung war in dieser Geschwindigkeit und Dominanz selten zu beobachten. Doch die Taxonomie und ihr Beiwerk stellten nur die erste Welle dar. Am Horizont zeichnet sich bereits die zweite Welle ab, die sich vor allem durch die Verpflichtung zu einem transparenten und nachhaltigkeitskonformen Berichtswesen auszeichnet.

Das übliche Spiel des Markts, dass die Mieter langfristige Veränderungen erzwingen, wurde durch die Taxonomie vorübergehend ausgehebelt. Doch nicht für lange: Stellen Sie sich selbst einmal die Frage, was passiert, wenn Ihre Mieter plötzlich nach einer ESG­konformen Immobilie fragen und Sie vertraglich dazu verpflichten, all diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Wären Sie in der Lage zu liefern? Vielleicht werden Sie aber auch „nur“ dazu verpflichtet, mit Ihrer Immobilie den 1,5­Grad­Korridor einzuhalten, und zwar über die gesamte mietvertragliche Laufzeit. Und auch die Option zur Verlängerung ist natürlich an diese Bedingung geknüpft. Doch auch wenn Sie nicht an dieses Szenario glauben und davon ausgehen, dass attraktive Flächen immer ihre Mieter finden – Nachhaltigkeit hin oder her –, empfiehlt es sich dringend, den Bestand diesbezüglich zu evaluieren. Und zwar sowohl im Kontext der CO2­Emissionen als auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den Klimapfad. Denn würden Sie noch eine Immobilie erwerben, von der Sie wissen, dass diese in weniger als zehn Jahren den vorgenannten Weg verlässt?

Mein Appell ist daher: Beschäftigen Sie sich mit diesem Thema noch heute, nicht erst morgen. Die Auswirkungen werden gravierend sein, sei es durch den Mieter, die Bewertung oder die gesetzliche Einordnung Ihres Bestandes. In den Niederlanden und in Großbritannien gibt es bereits die ersten gesetzlichen Einschränkungen bei der Einwertung von Immobilienbeständen aufgrund schlechter Energie­ und Dämmeigenschaften. Bei der RICS befassen wir uns europaweit intensiv mit diesen Themen.

Ich bin überzeugt, dass die Bau­ und Immobilienwirtschaft die schöpferische Kraft besitzt, diese Herausforderung zu meistern. Seien wir ehrlich: Die Deklaration eines Fonds nach Artikel 8 oder 9 ist doch nicht wirklich relevant, um zu wissen, was richtig ist und wie wir selbst Gutes tun können. Auch das Argument der Kosten zählt aus meiner Sicht nicht. Denn wenn wir nicht sofort eine fundamentale Kehrtwende einleiten, sind die Kosten zur Rettung der Erde – um nichts weniger geht es hier – sowieso in Geld nicht mehr zu messen.

Die Psychologie des Menschen macht es uns leider schwer, heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, die sich erst in Jahrzehnten auswirken. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg in eine bessere und nachhaltigere Zukunft beschreiten, indem wir das meinen, was wir sagen, und dabei ehrlich im Umgang und in der Umsetzung sind. Es geht eben nicht darum, einen Fonds möglichst effizient in ein Artikel­8­ oder ­9­Produkt zu transformieren, sondern darum, durch unser Handeln eine nachhaltige Lebenswelt für das Morgen unserer Kinder und Kindeskinder zu gestalten.

Dieser Artikel erschien in der IMMOBILIENWIRTSCHAFT 7-8/2022.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.