Warum die Restrukturierungswelle Immobilieninvestoren und Banken zusammenführt – Auch 2026 bietet Einstiegsfenster
Deutschland befindet sich Ende 2025 in einer anhaltenden Restrukturierungsphase des Immobilienmarkts. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. Doch der alleinige Blick auf Risiken greift zu kurz: In Schieflage geratene Kredite eröffnen Investoren mit Kapital und Umsetzungskompetenz attraktive Einstiege, während Banken und Sparkassen durch geordnete Verkäufe Bilanzrisiken reduzieren. Entscheidend ist, dass beide Seiten standardisierte Prozesse etablieren und den operativen Sanierungspfad realistisch planen.
2025 – Jahr der Insolvenzen
Die Entwicklung ist eindeutig: Die beantragten Regelinsolvenzen liegen 2025 weiter über Vorjahr; im August betrug der Anstieg 11,6% gegenüber August 2024. Auf Sicht des ersten Halbjahres 2025 liegt die Zunahme bei Unternehmensinsolvenzen nach Angaben von Destatis bei 12,2%. Nach wie vor entfällt ein signifikanter Teil dieser Insolvenzen auf die Bau- und Immobilienbranche. Eine Trendumkehr ist kurzfristig nicht erkennbar, zumal ab 2025/26 eine starke Fälligkeitenwelle die Refinanzierung vieler Engagements erschwert. In der Folge ergeben sich voraussichtlich noch mehr Sondersituationen – insbesondere bei projektbezogenen Finanzierungen mit hohem Fremdkapitalanteil oder ohne belastbare Vorvermietung. Die Banken sind nur begrenzt auf diese Entwicklung vorbereitet. Viele Kreditinstitute hatten ihre Workout-Einheiten während der Niedrigzinsphase zurückgefahren oder ganz abgebaut. Heute besteht Handlungsbedarf mit entsprechendem Zeitdruck, Kompetenzen wieder aufzubauen, häufig mit externer Unterstützung.
Das führt zu einer Arbeitsteilung und zu engerer Kooperation mit Investoren: Banken identifizieren notleidende Engagements früher und treiben Abbaustrategien proaktiver voran, spezialisierte Anleger übernehmen in der Tiefe Projektsteuerung, Baurecht, ESG-Plan (Environment Social Governance) und Vermietung. Regulatorik wirkt hier als Katalysator: EBA (European Banking Authority) und nationale Aufsicht erhöhen den Fokus auf Asset-Qualität, NPL-Quoten (Non-Performing Loan Ratio) und konservative Risikostandards. Die Toleranz für ein „Aussitzen” sinkt.
Weil der Zahn der Zeit in Krisen der Feind der Werthaltigkeit von Immobilien und Immobilienentwicklungen ist, sollten Bank und Käufer vom ersten Tag an einen gemeinsamen Pfad definieren: erstens die rechtliche Klärung (Rang, Vollstreckbarkeit, Insolvenzszenarien), zweitens ein technischer Tiefencheck und Sicherung, drittens eine adäquate Vermietungs- und Vermarktungsstory und viertens die Finanzierung des Sanierungsplans.
Bewährt haben sich Besserungsscheine und Upside-Sharing. Die Bank verkauft unter pari, partizipiert aber am späteren Wertzuwachs. Der Käufer verpflichtet sich hingegen zu klaren Meilensteinen (Baufortschritt, ESG-Maßnahmen, Vermietungsquote). So entstehen marktschonende Transaktionen mit hoher Umsetzungsgeschwindigkeit und in der Regel bessere Recovery-Werte als bei langem Abwarten.
Finanzierungen sind verfügbar
Wir beobachten, dass die Kreditvergabe funktionsfähig ist. Lender-Umfragen zeigen: 2025 rechnen viele Institute mit steigender Aktivität, allerdings mit strengerer Selektion nach Objektqualität, Businessplan und ESG-Fähigkeit. Parallel hellt sich die Stimmung in der Immobilienfinanzierung auf. Risikomargen sind in der Tendenz rückläufig, Neugeschäft nimmt zu. Ergänzend schließen Mezzanine, Club-Deals und bilaterale Strukturen Finanzierungslücken – sofern Eigenkapital, Track Record und Sanierungskonzept überzeugen.
Jenseits der Metropolen treffen in vielen Regionen knappe Fertigstellungen, solvente Nachfrage und hoher Bedarf an urbanen Quartieren aufeinander. Insolvenzen wirken hier als Türöffner: Sie bringen Assets in den Markt, die unter normalen Bedingungen nicht angeboten würden. Wer aktiv entwickelt, energetisch ertüchtigt, Flächen neu schneidet, Mietermodelle anpasst, kann solide Cashflows und attraktive Renditen erzielen. Gerade im Wohnsegment begünstigt die Angebotsknappheit die Stabilisierung nach der Übernahme.
Allem voran steht eine umfassende Transparenz als gemeinsame Arbeitsgrundlage. Banken sollten Datenräume früh öffnen; Käufer sofort Recht-, Technik- und Vermietungsexpertise einbringen. zweitens: Standardisierung. Term Sheets mit Besserungsscheinen, Meilensteinen und Berichtslogik verkürzen Prozesse. Genauso wichtig ist die Refinanzierbarkeit. Der Businessplan muss unter heutigen LTVs (Loan to Value), Spreads und Covenants tragfähig sein. Anschließend kommt es auf eine effiziente Arbeitsteilung an. Kreditinstitute konzentrieren sich auf Bilanzwirkung und Aufsichtskonformität, Investoren auf Umsetzung vor Ort. Der letzte entscheidende Faktor: Timing. Liquidationsoptionen bleiben als Rückfalllinie bestehen, doch der primäre Pfad ist die zügige, wertschonende Übertragung.
Im kommenden Jahr bleibt der Markt aller Wahrscheinlichkeit nach herausfordernd – aber investierbar. Die vielzitierte „Maturity Wall” spricht für anhaltendes Angebot an Sondersituationen. Bis 2027 geben die Marktbeobachter von CBRE die Finanzierungslücke allein bei Gewerbeimmobilien in Deutschland mit etwa 77 Mrd. Euro an. Wer heute Kapital, Teams und Standardprozesse aufsetzt, wird in der nächsten Phase profitieren: weniger Auktionseffekt, mehr bilaterale Deals, planbarere Cashflows. Für Banken bedeutet das Bilanzentlastung ohne maximale Wertvernichtung – für Investoren ein Einstiegsfenster, das jedoch nicht ewig offenbleibt.
Dieser Artikel erschien am 04.11.2025 in der Börsen-Zeitung
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